14. Dezember 2023 - Nitzan Lebovic
Populism & Complicity
14. Juni 2023 - Lars Koch
Absolute Feindschaft: World War Z - Exemplarische Screenings einzelner Szenen
02. Februar 2023 - Annette Henninger
Antifeminismus und ‚Krisen‘-Diskurse
25. Jänner 2023 - Julia Stenzel
Demagogie
03. November 2022 - Gabriele Dietze
Workshop: Rechtspopulismus und Weiblichkeit
09. Juni 2022 - Cornelia Möser
Paradoxien rechter sexueller Politiken in Frankreich. Populismus oder Opportunismus?
02. Juni 2022 - Judith Goetz
"Postergirls" und "White-Power Barbies". Zur ambivalenten Sichtbarkeit identitärer Frauen
19. Mai 2022- Drehli Robnik
Demokratiekritik des Populismus <–> Politiktheorie des Films:
Population / Elevation in Jordan Peeles "Us – Wir" (2019)
15.01.2022 - Silke Felber
S:Caring Masculinities. Politische Männlichkeiten im Kontext von COVID-19
11.01.2022 - Ondrej Daniel
Music of the "Normalized" Far Right Czech Band Ortel and Its Audience
02.12.2021 - Simon Strick
Nach dem Populismus: Memetische Agitation und Faschismus von unten
24.11.2021 Podiumsdiskussion
Kulturpolitik – Demokratie – Populismus
29.10.2021 - Workshop mit Mario Dunkel und Reinhard Kopanski
Musik und Populismus
28.10.2021 – Lectures/Podium discussion
Popular Music, Populism in Europe, and the Politics of Critique
24.06.2021 - Leonida Kovač
Incidental Evil. Art and the Undoing of Hate in Zagreb’s Urban Space
20.05.2021 - Arne Vogelgesang
Gamification von rechts. Spiel und Unterhaltung als politische Werkzeuge rechten Kulturkampfs
14.04.2021 – Martin Reisigl
Argumentieren gegen rechts
25.03.2021 – Gabriele Dietze
Rechtspopulistische Weiblichkeitsmodelle zwischen Re-Traditionalisierung und alternativer Geschlechter-Moderne
21.01.2021 - Julia Roth
Gender als Affektbrücke und Arena.
Rechtspopulistische Muster der Vergeschlechtlichung und intersektionale feministische Reaktionen
12.11.2020 – Birgit Sauer
Rechtspopulismus und maskulinistische Identitätspolitiken
14. Dezember 2023
Nitzan Lebovic
Populism & Complicity
Why is populism intimidating our democratic institutions? Why is it so hard to define? Since 2016 and the election of Donald Trump an all-out war on democratic institutions seems to engulf the populist right wing in the US. A similar tendency was clearly taking place in Israel, after the re-election of Benjamin Netanyahu in January, 2023. Populist rhetoric divided the world between “us” and “them” while requiring complicity, if not active collaboration, by both supporters and dissenters. My paper demonstates that populism and complicity are temporal, and not ideological forms of control. Both demand an accelerated transformation of politics, without a clear vision, plan or necessary endpoint.
Nitzan Lebovic is Professor of History at Lehigh University, USA, and focuses on the history of political concepts. He is currently researching the history of complicity in a transnational context since 1945. While his first book traced the history of Lebensphilosophie in German and German-Jewish culture, his second monograph examined the melancholy of early Zionist writing. His forthcoming third monograph is dedicated to the history of temporal concepts in the twentieth century.
In Kooperation mit dem FWF-Projekt Performing Gender in View of the Outbreak
14. Juni 2023
Lars Koch
Absolute Feindschaft: World War Z
Exemplarische Screenings einzelner Szenen
Der Vortrag fragt danach, welche Rolle popkulturelle Narrative von Feindschaft und Grenzziehnung im Kontext der rechtspopulistischen Mobilisierung destruktiver Gefühle spielen. Anhand des Kino-Blockbusters „World War Z“ und anderer Beispiele soll es darum gehen, popkulturelle Ästhetiken des Ausnahmezustands daraufhin zu untersuchen, welche spezifischen Anschlüsse an Identitätspolitiken der Neuen Rechten sie ermöglichen. Insbesondere den Leitmotiven der absoluten Feindschaft, der Mauer und des Überlebens gilt es dabei genauer in den Blick zu nehmen.
02.02.2023
Annette Henninger
Antifeminismus und ‚Krisen‘-Diskurse
Antifeministische Diskurse operieren mit vielfältigen Bedrohungsszenarien rund um das Thema ‚Gender‘. Als bedroht gelten u.a. die als ‚natürlich‘ geltende Geschlechterbinarität, die Familie und das Kindeswohl. Der Vortrag kontrastiert diese Bedrohungsszenarien mit Krisendiagnosen aus der Geschlechterforschung. In der Debatte über die Krise der sozialen Reproduktion wird die strukturelle Krisenhaftigkeit der kapitalistisch-patriarchalen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung und die daraus resultierende Zunahme intersektionaler Ungleichheiten diskutiert. Der Antifeminismus operiert demgegenüber mit populistischer Vereinfachung und Personalisierung komplexer Probleme. Strukturelle Herrschaftsverhältnisse und damit zusammenhängende Ungleichheitslagen, so die zentrale These des Vortrags, werden im Antifeminismus de-thematisiert – zugunsten einer Verschiebung der Debatte ins Feld von als fix gedachten ‚Kulturen‘ und ‚Identitäten‘: Die rassistische Projektion fortbestehender Probleme in den Geschlechterverhältnissen auf kulturell ‚Andere‘ bietet die Möglichkeit ihrer Externalisierung. Die propagierte Vergemeinschaftung durch binäre Geschlechter-Identitäten in der heterosexuellen Familie zielt auf die Rückkehr zu einer ungleichen, differenzbasierten Geschlechterordnung und auf die Abwehr demokratischer Aushandlungsprozesse über die politische Gestaltung der Geschlechterverhältnisse.
25.01.2023
Julia Stenzel
Demagogie
Der Begriff ‚Demagogie‘ hat eine wechselvolle Geschichte und ist eng verknüpft mit den Evolutionen demokratischer Staatlichkeit seit der Attischen Polis: Bezeichnet ‚Demagogie‘ zunächst das grundsätzliche Prinzip eines Sprechens des Einen für die Vielen, so erfolgt erst spät eine Konkretisierung im Bild der charismatischen Hetze, die gesellschaftliche Krisenmomente zuspitzt, funktionalisiert oder überhaupt erst konkretisiert. Ausgehend von der Annahme, dass demagogische Momente grundlegend sind für demokratische Kommunikation, will mein Vortrag den Begriff auf dem Umweg über seine Geschichte formalisieren und ein Modell von Demagogik entwickeln, das Praktiken und Taktiken hinter der Figur der: Demagog:in beschreibbar macht. Demagogik ist raumeinnehmend und bildgebend, indem sie ein personales Interface für distribuierte, komplexe Entscheidungsprozesse anbietet: Demagogen entscheiden nicht, sie figurieren Entscheiden.
Demagogen sprechen auf der Agora, der Sammelstelle des Demos von Athen; Demagogos ist, wer hier seine Stimme erhebt und den Demos in Bewegung setzt. Die attische Figur des demagogos ist auf das Prinzip der gleichen Rede, isegoria bezogen: ein Handlungsmodell von Öffentlichkeit, das (anders als der schillernde Begriff ‚Parrhesia‘) für die Philosophie der Moderne nie besonders interessant geworden ist. Das Recht jedes Bürgers, öffentlich vorzutreten und zu sprechen, konkretisiert die Agora als Ort der politischen Szene. Doch Attische Demagogie ist exklusiv. Ihre Agora ist ein Erscheinungsraum, in dem Frauen, Kinder, Metöken und Sklaven nicht vorkommen. Dass ‚Agora‘ zuallererst der Markplatz ist, auf dem Demos und Bevölkerung, die aus der Fremde und die von hier, politische und oiko-nomische Handlungsweisen sich mischen, ist in dieser Redeordnung irrelevant.
Zurückgelesen auf den ökonomisch-politischen Doppelsinn der Agora impliziert das ison (‚gleich-‘) in isegoria eine grundsätzliche Verunsicherung. Isegoria ist nicht nur das gleiche Rechts aller auf öffentliches Zuwortkommen, sondern auch das Rederecht in einer Gruppe aus Gleichen. Insofern aber impliziert sie Abschließung und Grenzziehung, gar eine Form von Gleichschaltung, die jene ausschließt, die sich dem gemeinsamen Prinzip des je personalen Redens nicht zuordnen.
Das vorgeschlagene Modell von Demagogik als Sprechweise und Verfahren greift diese Verunsicherung auf: Demagogik, so die Argumentation, setzt Grenzräume als Erscheinungsräume voraus, von denen aus sie (teichoskopisch) von einem Außerhalb berichtet und ein angesprochenes Wir stabilisiert. Insofern ist Demagogik ein szenologisches Prinzip.
Julia Stenzel ist derzeit Vertretungsprofessorin für Theaterwissenschaft an der LMU München und seit 2012 Juniorprofessorin für Theaterwissenschaft an der JGU Mainz. 2019 war sie als Gastprofessorin für Religion und Gesellschaft am FIW Bonn tätig. In ihrer Habilitation (München, 2017) befasste sie sich mit der Transformation des Attischen Theaters im langen 19. Jh. Sie wurde 2007 an der LMU München promoviert, wo sie 2003 ihr Studium abschloss. Stenzel ist Alumna des Jungen Kollegs der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, dem sie 2016 als Sprecherin vorstand. Zusammen mit Jan Mohr (Mediävistik, LMU München) leitet sie seit 2017 ein DFG-Forschungsprojekts zu Oberammergau und seinem Passionsspiel. 2019 kuratierte sie zusammen mit der Michael Cacoyannis Foundation, Athen, unter dem Titel ‚Ancient Theatre and the Political‘ ein internationales wissenschaftlich-künstlerisches Forum.
Schwerpunkte in Forschung und Lehre: Theater, Religion und Gesellschaft in globaler Perspektive, Theater - Medien - Theorie, Modelle der Theaterhistoriographie; Theater, Literatur und Philosophie im europäischen 19. Jh., Pluralisierung der Antike in der Moderne, Theatralität des Mittelalters und Medievalism. Derzeit Vorbereitung eines Forschungsprogramms zu Demagogik als räumlicher und körperlicher Praxis sowie zur Verflechtungsgeschichte religiöser und ästhetischer Erscheinungsräume in Europa und Iran.
03.11.2022
Gabriele Dietze
Rechtspopulismus und Weiblichkeit.
Zwischen Emanzipationsverdrossenheit und Neuer Mütterlichkeit
Der Rechtspopulismus ist ein Chamäleon und wandelt sich stetig. Akteur_innen wie die Identitären oder die Querdenker_innen und Impfgegner_innen wie auch Putin-Befürworter_innen sind dazugekommen.
Will man Populismus kritisieren, muss man seine sich wandelnden unterschiedlichen Ausdrucksformen verfolgen: Wahlslogans, Präsenz in sozialen Medien und Messengerdiensten, Performances auf Demonstrationen und parlamentarische sowie juristische Initiativen. Dabei sollte man auch sein Einsickern in gesamtgesellschaftliche liberale und progressive Diskurse beobachten: Dazu gehören Polemiken gegen „politische Korrektheit“ und „Woke“-Bewusstsein sowie Unempfindlichkeit gegen neuen Antisemitismus. Vor allem sollen „Obsessionen“ mit Geschlecht, z.B. der Kampf gegen das Gendern in der Sprache näher betrachtet werden.
Insofern werden rechtspopulistische Weiblichkeitsvorstellungen im Workshop eine wichtige Rolle spielen und mit anderen großen Fragen der Zeit zu verknüpft werden: Neoliberalismus, Affektpolitik, Corona-Pandemie und wie sie sich auf Bewegungen gegen Sexismus, sexualisierte Gewalt, Rassismus und den Klimawandel auswirken.
Gabriele Dietze ist travelling scholar. Sie lehrt und forscht zu Gender, Race, Media, Sexualpolitik und zu Rechtspopulismus in der HU Berlin und am Dartmouth College N.H.. Aktuell ist sie Fellow der Volkswagenstiftung mit dem Corona-Projekt »Quarantine Culture« und regelmäßige Beiträgerin des Gender-Blogs der Zeitschrift für Medienwissenschaft. Publikationen u.a.: Weiße Frauen in Bewegung. Genealogien und Konkurrenzen von Race- und Genderpolitiken, Bielefeld (transcript) 2013; Sexualpolitik. Verflechtungen von Race und Gender, Frankfurt/M. (Campus) 2017; Sexueller Exzeptionalismus. Überlegenheitsnarrative in Immigrationsabwehr und Rechtspopulismus, Bielefeld (transcript) 2019; zusammen mit Julia Roth (Hg.), Right-Wing Populism and Gender in Europe and Beyond, Bielefeld (transcript) 2020.
09.06.2022
Cornelia Möser
Paradoxien rechter sexueller Politiken in Frankreich. Populismus oder Opportunismus?
Frankreich ist im letzten Jahrzehnt zum ideologischen Stichwortgeber der europäischen radikalen Rechten geworden. Die rechte Rhetorik scheint mit traditionell frauen- und queerfeindlichen Standards zu brechen, was in der Geschlechterforschung zu zahlreichen Analysen und Diskussionen geführt hat. Der Vortrag stellt zunächst einige Eindrücke rechter sexueller Politiken der letzten Jahre in Frankreich vor, fragt nach dem Neuen und nicht so Neuen an diesen Politiken um anschließend die Paradoxien rechter sexueller Politiken darzulegen. Abschließend wird eine feministische Analyse dieser Politiken angeboten: handelt es sich um rechten Feminismus, um eine rechte oder populistische Instrumentalisierung von Feminismus, oder wie können diese Entwicklungen sonst noch erklärt werden?
Cornelia Möser, CNRS, Cresppa-GTM, assoziierte Wissenschaftlerin am Centre Marc Bloch
02.06.2022
Judith Goetz
"Postergirls" und "White-Power Barbies". Zur ambivalenten Sichtbarkeit identitärer Frauen
Zahlreiche Medienartikel sind in den letzten Jahren über Frauen* in den Kreisen der Identitären sowie über einzelne Aktivist_innen veröffentlicht worden. Dabei dominierten in der medialen Berichtserstattung trotz jahrzehntelanger Forschung zu diesem Themenbereich Erstauen und Skandaliserungsversuche. Aber auch kritische Auseinandersetzungen beleuchteten die Thematik bislang meist unterkomplex und blieben meist beim Vorwurf stehen, dass selbige Gruppe durch Sexismus und Antifeminismus sowie der Instrumentalisierung von Frauen* und frauen*politischen Themen auffalle. Dass das Engagement von Frauen* in identitären Kreisen auch die Möglichkeit der Selbstermächtigung mit sich bringt, wurde dabei oftmals ebenso übersehen wie die Modernisierung von Geschlechterbildern im Rechtsextremismus samt ihrer zahlreichen anzutreffenden Widersprüchlichkeiten.
Im Vortrag möchte ich daher diese Leerstelle füllen und aufzeigen, auf welche Art und Weise Frauen* im Kontext der Identitären Sichtbarkeit bekommen. Dafür analysiere ich in einem ersten Schritt, wie identitäre Frauen* in der Öffentlichkeit, allem voran den Medien wahrgenommen werden und versuche darüber hinaus die propagierten Identifikationsangebote für Frauen* in identitären Strukturen zu rekonstruieren. In einem weiteren Schritt soll der Frage nachgegangen werden, über welche politischen Themen Frauen* - sowohl innerhalb der Gruppe als auch in der Außenwahrnehmung - sichtbar werden. Dabei möchte ich anhand des Engagements einzelner Aktivist*innen sowie auch Kampagnen der Gruppe unterschiedliche Formen von Sichtbarkeit aufzeigen. Am Beispiel der gescheiterten Kampagne #120db wird sich dabei einerseits zeigen, dass dies vor allem über die rassistische Adaption von Diskursen rund um die Bedrohung sexualisierter Gewalt durch als migrantisch markierte Männer geschieht. Anderseits wird auch deutlich, dass in der Rezeption des politischen Engagements identitärer Frauen* sexistische Narrative, die Frauen* eher über ihr Äußeres als über ihre politischen Inhalte wahrnehmen und ihnen selbstbestimmtes Handelns absprechen, nicht an Wirksamkeit verloren haben. Abschließend widmet sich der Vortrag daher dem Spannungsfeld der Partizipationsmöglichkeiten von Frauen* bei den Identitären zwischen Instrumentalisierung und Selbstermächtigung.
Judith Goetz ist Literatur-und Politikwissenschafterin, Rechtsextremismusexpertin und Gender-For-scherin, Mitglied der ,Forschungsgruppe Ideologien und Politiken der Ungleichheit' (FIPU) sowie des Forschungsnetzwerks Frauen und ,Rechtsextremismus. Zuletzt hat sie die Sammelbände „Untergangster des Abendlandes. Ideologie und Rezeption der rechtsextremen ,Identitären'" (2017) sowie den vierten Sammelband der Forschungsgruppe Ideologien und Politiken der Ungleichheit „Rechtsextremismus: Band 4: Herausforderungen für den Journalismus" (2021) mitherausgegeben.
19.05.2022
Drehli Robnik
Demokratiekritik des Populismus <–> Politiktheorie des Films:
Population / Elevation in Jordan Peeles "Us – Wir" (2019)
Ginge es in dieser Film- und Vortragsreihe dem Titel nach um Rechtspopulismus, dann wäre es einfacher: Dieser wäre, als eine Mobilisierungsform anti-egalitärer, sexistischer und rassistischer Politik, "einfach nur" abzulehnen und politisch zu bekämpfen, wohl auch zu analysieren.
Es geht allerdings um Populismus, und der Anspruch der Reihe lautet, ihn zu kritisieren. Da werden die Dinge verwickelter, bzw. fragt sich (auch), was für ein Ding das ist, Populismus, bzw. was "sein Ding" ist, und was für eine Tätigkeit und/oder Sensibilität die Kritik ist, die da mit dem P-Wort zusammengehängt ist. Kurz, es geht um Fragen der Wahrnehmung, der ihrerseits kritischen Wahrnehmung, gegenüber Populismus und den allfälligen Wahrheitsansprüchen und Legitimitätsgrenzen, die mit ihm bzw. in diesem Namen gestellt sind. Und da treten Fragen von Film in den Raum, in den Rahmen, in den Ablauf. (Somit auch einer "Theorie des Films", wie Heide Schlüpmann das nennt.)
Ich möchte zweierlei darlegen und ansatzweise klären: Erstens inwieweit Populismus als politisches Konzept (und "Perzept") ein Feld voller Dynamiken des Verdrehens und Missverstehens eröffnet, ebenso eine Sichtbarkeit (sowie ein Hören von allerlei Geräusch) in Sachen Demokratie, gegenüber ihrem Namen, ihrer Macht- und Ereignisform, ihrem "Abdecken" (im Doppelsinn?) von Gesellschaft und staatlichen Institutionen. Dieses durch Populismus eröffnete Feld ist durch eine Spaltung markiert, durch eine Aufteilung, anhand derer einerseis von Faschismus zu reden wäre, anderseits von radikalisierter Demokratie. (Damit ist auch Radikalität zu verteidigen: Die Hetze der "Querdenker" ist nicht radikal.)
Zweitens inwieweit Filme eine Kritik, eine Perspektivierung-als-Problematisierung, von Populismus, eines Sinns für "Volk in Bewegung", leisten können, mit all dem Horror, der allein schon solchen Ausdrücken (hierzulande) anhaftet. Kann, wie kann, inwieweit kann (oder kann nicht) Film – Spielfilm; Mainstreamfilm; was (auch) im Multiplex läuft – populus in seinen Spannungen zu demos nicht nur zeigen, sondern wahrnehmen lassen, also auch nicht zeigen und das Zeigen und Bewegen von "Volk" so in Frage stellen? Diese und andere Wendungen ermöglicht, finde ich, Jordan Peeles Thriller Us – Wir mit Lupita Nyong´o (2019) mit seinem Oben und Unten, seinen Spaltungen im Zusammengehängten, seinen Easter Eggs und Motivketten und seiner elevation, die voll auf eleven geht, also aufs Unganze.
Drehli Robnik ist Freelance-Philosoph und Essayist in Sachen Film, Geschichte, Politik. Außerdem Edutainer. Er "lebt" in Wien-Erdberg. Jüngste Monografie: Ansteckkino: Eine politische Philosophie und Geschichte des Pandemie-Spielfilms von 1919 bis Covid-19 (Berlin 2020). Jüngste Herausgaben: Klassen sehen. Soziale Konflikte und ihre Szenarien (Münster 2021); Gewohnte Gewalt. Häusliche Brutalität und heimliche Bedrohung im Spannungskino (mit Joachim Schätz; Wien 2022). Die Monografie DemoKRACy zu Siegfried Kracauers Film-vermittelter Politiktheorie sowie ein Buch zu Film und Faschismus(theorie) sind in Fertigstellung.
25.01.2022
Silke Felber
S:Caring Masculinities.
Politische Männlichkeiten im Kontext von COVID-19
Mit dem Begriff Caring Masculinities hat sich in der Geschlechterforschung ein Gegenkonzept zu herkömmlichen Entwürfen männlicher Macht entwickelt, an das konkrete Hoffnungen auf gesamtgesellschaftliche Transformationen gekoppelt sind. Der Begriff Care beschränkt sich dabei nicht mehr auf die Arbeit rund um die in kapitalistischen Gesellschaften traditionell weiblich konnotierte Versorgung von pflegebedürftigen Menschen. Care wird nun vielmehr im Sinne einer all(e)umfassenden Lebenssorge verstanden.
Wie aber ist es innerhalb der aktuellen Gesundheits-, Sozial- und Wirtschaftskrise um das Verhältnis von Sorge, Geschlecht und Politik bestellt? Oder anders gefragt: Welche Rolle spielen Männlichkeiten innerhalb einer Krisenpolitik, die die Sorge um sich selbst sowie um die anderen in den Vordergrund zu stellen hat? Auf welche Affekte setz(t)en Politiker:innen wie Sebastian Kurz, um die Bevölkerung für einen achtsamen Umgang miteinander zu motivieren? Und inwiefern ist das Konzept des Populismus noch dafür geeignet, die in diesem Zusammenhang in Erscheinung tretenden Diskurs- und Auftrittsstrategien hinlänglich zu analysieren? Diese Fragen bilden das Sprungbrett für einen Vortrag, der Ansätze der theaterwissenschaftlichen Auftrittsforschung mit diskursanalytischen Methoden produktiv verschränkt.
Silke Felber forscht und lehrt an der Schnittstelle von Theater-, Literatur- und Kulturwissenschaft. Sie war Hertha Firnberg Fellow (2016-19) und Elise Richter-Stelleninhaberin (2019-21) des Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF. Lehr- und Forschungsaufenthalte führten sie u.a. an die Universität Bern, die Università di Catania, die Ghent University und an die University of Oxford. Momentan leitet sie an der mdw das FWF-Projekt Performing Gender in View of the Outbreak, das die Performances europäischer Regierender angesichts der aktuellen Krise aus intersektionaler Perspektive beleuchtet.
11.01.2022
Ondrej Daniel
Music of the "Normalized" Far Right Czech Band Ortel and Its Audience
Speaker: Ondrej Daniel (Charles University Prague)
Czech “nationalist rock” band Ortel (“Ordeal”) is a far-right band that remains active today though its output peaked in the mid-2010s. From a long-term perspective, Ortel emerged directly from the scene of far-right skinheads during the first decade of post-socialism. The band’s lead singer, the self-styled Tomáš Ortel (born Tomáš Hnídek) was the former drummer of the neo-Nazi skinhead band Conflict 88. Even in the 2010s, he had close ties with many far-right activists and his performance style retained all the features of militant aesthetics.
Arguably Ortel’s popularity arose from its careful normalization of far-right views that were now scrubbed clean of the racist excesses that had been most visible during the post-2008 economic crisis. Over the last decade, the band, or rather its political classification, has shifted from “Far Right with some neo-Nazi alliances” to “normalized Far Right” and its language has been diligently edited to avoid accusations of hate speech. Thus, Ortel has located itself on the boundaries of the law: it is protected by free speech principles but provides fans with a fantasy of rebellion against the liberal democratic status quo represented by social elites.
Ondřej Daniel (PhD) is working as a historian in the Seminar on General and Comparative History within the Department of Global History at Charles University’s Faculty of Arts. He is a founding member of the Centre for the Study of Popular Culture. His current work examines intersections of class and culture in contemporary Czech society. In 2021, Ondřej Daniel is a visiting scholar at the Department of Music Sociology at the mdw – University of Music and Performing Arts Vienna.
Moderation: Sarah Chaker (Department of Music Sociology)
02.12.2021
Simon Strick
Nach dem Populismus: Memetische Agitation und Faschismus von unten
Input: Dr. Simon Strick (ZeM - Brandenburgisches Zentrum für Medienwissenschaften)
Das Konzept des »Rechtspopulismus« ist unzureichend, um gegenwärtige rechte Akteure und Gruppierungen und ihre Agitationstechniken im Netz zu beschreiben. Amorphe Gruppierungen, neofaschistische Schwärme, algorithmische und memetische Dynamiken kennzeichnen die gegenwärtige Lage, und weniger jene populistischen Parteien, die generell unter dem Label des Populismus gefasst werden. Der Vortrag bespricht die »memetische Kriegsführung« der alternativen Rechten von der späten Trump-Ära bis heute, mit einem Fokus auf ihre digitalen und affektiven Strategien, die über Genderperformance und racial belonging lanciert werden. Diese erfordern, wie argumentiert werden wird, neue Beschreibungs- und Kritikformen, denn sie erschöpfen sich nicht in den groben Antagonismen des Autoritarismus, sondern buchstabieren neofaschistische und ethnonationalistische Ideologien für das Alltagserleben aus: rechte Agitation tritt, insbesondere im digitalen Raum, als alltagsnahe und populärkulturelle Widerstandserzählung von unten auf. Der Vortrag schlägt daher vor, die Populismus- und Extremismusforschung verstärkt mit gender- und medienwissenschaftlichen Methoden zu kombinieren.
Dr. Simon Strick ist Genderforscher und Medienwissenschaftler am ZeM Brandenburg. Er hatte Positionen u.a. an FU Berlin, Universität Paderborn und University of Virginia inne. Seine Forschungs- und Lehrtätigkeit konzentriert sich auf Gender- und Rassismustheorien, Populäre Kulturen, Affect Studies, Medien- und Kulturanalyse. Mit Susann Neuenfeldt und Werner Türk gründete er 2009 das Performancekollektiv PKRK. Simon Strick lebt und arbeitet in Berlin.
Für seine herausragende wissenschaftliche Forschung und Publikationsleistung zum Thema Rechte Gefühle. Affekte und Strategien des digitalen Faschismus wurde Simon Strick mit dem Hans Bausch Mediapreis 2021 ausgezeichnet.
24.11.2021
Kulturpolitik – Demokratie – Populismus
Podiumsdiskussion
Kulturkämpferische Rhetorik, politische Angriffe auf Kulturschaffende und die Aushöhlung von Kunst- und Medienfreiheit prägen aktuelle kulturpolitische Auseinandersetzungen in verschiedenen europäischen Ländern. Kulturpolitik berührt grundlegend Fragen des gesellschaftlichen Zusammenlebens, der kulturellen Teilhabe, der Demokratie. In kulturpolitischen Debatten etwa um Fördermodelle oder Ressourcenverteilung stehen immer auch Fragen von Gleichheit und Freiheit sowie unterschiedliche Gesellschaftsbilder zur Diskussion. Ausgehend von Perspektiven aus Journalismus, Kulturarbeit und Wissenschaft lotet dieses Podium solche Zusammenhänge mit Fokus auf rechtspopulistische Argumentationen und Strategien aus. Am Beispiel der AfD und der Fidesz-Regierung in Ungarn thematisiert es kultur- und gesellschaftspolitische Positionierungen der Neuen Rechten sowie damit verbundene Formen des Demokratieabbaus. Was ist an diesen Politiken „populistisch“, woraus speisen sie sich, welches sind ihre Konsequenzen? Gleichzeitig interessieren gegenläufige kulturpolitische Tendenzen und Formen künstlerischer Kritik: Wie reagieren Kunst- und Kulturschaffende auf solche Angriffe und nationalistische Politiken? Was zeichnet eine inklusive, emanzipatorisch ausgerichtete Kulturpolitik aus?
Mit
Katalin Erdödi, Peter Laudenbach, Rachel Mader und Monika Mokre
Begrüßung
Gerda Müller, Vizerektorin für Organisationsentwicklung, Gender & Diversity an der mdw
Moderation
Andrea Glauser, Kulturwissenschaft am IKM an der mdw
Therese Kaufmann, Forschungsförderung an der mdw
Katalin Erdödi ist freie Kuratorin und Dramaturgin mit Arbeitsschwerpunkten in sozial engagierter Kunst, experimenteller Performance und Kunst im öffentlichen Raum. Aktuell forscht sie in Anwendung partizipativer künstlerischer Ansätze zu soziopolitischen Transformationsprozessen im post-sozialistischen ländlichen Raum, mit einem Fokus auf Ungarn. Jenseits des Kunstfelds ist sie in Gruppen und Initiativen aktiv (u.a. Precarity Office Vienna, Sezonieri-Kampagne für die Rechte der Erntearbeiter*innen in Österreich), die sich mit den gegenwärtigen Überschneidungen von Prekarität, Migration und Arbeitskämpfen beschäftigen. Sie lebt und arbeitet in Wien.
Peter Laudenbach ist Berliner Theaterkritiker der Süddeutschen Zeitung, Kulturkorrespondent des Wirtschaftsmagazins brand eins, Mitglied der Jury des Berliner Theatertreffens 2014-2016. Er veröffentlichte in der SZ u.a. Recherchen zum rechten Kulturkampf und Übergriffen auf Kultureinrichtungen und in der taz eine detaillierte Chronik rechter Übergriffe auf NS-Gedenkstätten. Letzte Buchveröffentlichung: An liebsten hätten sie veganes Theater, Interviews mit Frank Castorf 1996-2017 (Berlin 2017).
Rachel Mader ist Professorin für Kunstwissenschaft an der an der Hochschule Luzern – Design & KunstKunstwissenschaftlerin, und dort seit September 2012 Leiterin des Forschungsschwerpunkts ›Kunst, Design & Öffentlichkeit‹. Sie studierte Kunstgeschichte, Philosophie und Geschichte an den Universitäten Bern, Basel und Genf. 2009-2014 Projektleitung ›Die Organisation zeitgenössischer Kunst. Strukturieren, Produzieren und Erzählen‹ an der Zürcher Hochschule der Künste (erscheint 2021 bei diaphanes). Sie forscht und publiziert zu Kunst und Politik, Ambivalenz in der Kunst, künstlerische Selbstorganisation und Kulturpolitik, dem performativen Paradigma als neuer Form künstlerischer Forschung, feministischer Kunstgeschichte und dem Selbstverständnis von Kunsthochschule.
Monika Mokre ist Politikwissenschaftlerin und als Senior Research Associate am Institut für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, sowie als Privatdozentin tätig. Lehraufträge am Institut für Kulturmanagement und Gender Studies der Universität für Musik und Darstellende Kunst, im Lehrgang »Cross-Disciplinary Strategies« der Universität für angewandte Kunst und an der Webster University Vienna. Forschungsschwerpunkte: Demokratietheorie, Kulturpolitik, Asyl- und Migrationspolitik, Kulturelle Übersetzung, Gender Studies.
29.10.2021
Musik und Populismus
Workshop mit Mario Dunkel und Reinhard Kopanski
Während die Bedeutung von Musik bei der Verbreitung rechtsextremer und linksextremer Ideologien in der Vergangenheit bereits ausgiebig diskutiert wurde, hat sich in den letzten Jahren ein neues Phänomen in der politischen populären Musik etabliert: Mainstream-Sounds mit populistischen – und in vielen Fällen nationalistischen – Botschaften haben sich weit über die Grenzen extremistischer Kreise hinaus verbreitet und erfreuen sich trotz (oder aufgrund?) der oftmals enthaltenen reaktionären Positionen großer Beliebtheit. Das empirische Forschungsprojekt „Popular Music and the Rise of Populism in Europe“ (Universität Oldenburg/VolkswagenStiftung) untersucht diese Verknüpfung von populärer Musik und Populismus.
In diesem Workshop möchten wir in unterschiedlichen Formaten (z.B. World-Café, Gruppenarbeit) nicht nur einen Einstieg in den schwer zu fassenden Themenkomplex populäre Musik und Populismus liefern, sondern auch gemeinsam mit den Teilnehmer*innen anhand exemplarischer Beispiele (z.B. Songs, Videoclips, diskursive Materialien) erarbeiten, in welchen Formen sich Versatzstücke populistischer Diskurse bei unterschiedlichen, deutschsprachigen Mainstream-Musiker*innen und -Bands niederschlagen und ob und inwiefern diese Versatzstücke mit Verweisen auf andere Diskurse wie etwa Nationalismus und Nativismus in Verbindung stehen. Die dabei angeschnittenen Themenbereiche beinhalten u.a. ein patriarchales Verständnis von Geschlechterdifferenz, unterschiedliche Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Verschwörungstheorien. Auf diese Weise hoffen wir, den Teilnehmer*innen einen kritisch-differenzierten Blick auf den Nexus von Populismus und populärer Musik zu eröffnen und möglicherweise Anregungen für die universitäre Lehre und den schulischen Musikunterricht zu geben.
Mit
Mario Dunkel, Institut für Musik an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Reinhard Kopanski, Bonn, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt „Popular Music and the Rise of Populism in Europe“
Organisation:
Ralf von Appen, Institut für Popularmusik der mdw
Sarah Chaker, Institut für Musiksoziologie der mdw
28.10.2021, 18 Uhr
Popular Music, Populism in Europe, and the Politics of Critique
Lectures/Podium discussion
While music has often been discussed as an effective medium for the propagation of extreme-right and extreme-left ideologies, in recent years a new form of political popular music has emerged: increasingly mainstream sounds with populist – and in many cases nationalist – messages have gained widespread popularity beyond the confines of extremist circles. This recent phenomenon of commercially successful and widely received popular music promoting populist and nationalist agendas, we argue, has been instrumental in the growing success of specific varieties of populism in Europe. The empirical research project “Popular Music and the Rise of Populism in Europe” (VW Foundation) explores this nexus of popular music and populism in Hungary, Austria, Italy, Germany, and Sweden from a comparative perspective.
In their presentation, representatives of this research project with a focus on Hungary (Emília Barna, Ágnes Patakfalvi-Czirják), Austria (André Doehring, Kai Ginkel), and Germany (Mario Dunkel, Anna Schwenck) will give insight into their studies. The researchers wish to inspire a discussion with the audience by offering theoretical and methodological considerations and giving an impression of the intricacies and overall complexity of researching this vast phenomenon from a transnational perspective. Moreover, they would like to emphasize the importance of reflexive positionality in the practice of “critiquing” populism. The presentation will be followed by an extensive panel discussion.
With
Emília Barna, Ágnes Patakfalvi-Czirják, André Doehring, Kai Ginkel, Mario Dunkel
Moderation and organization
Sarah Chaker, Institut für Musiksoziologie an der mdw
Ralf von Appen, Institut für Popularmusik an der mdw
24.06.2021, 18 Uhr
Leonida Kovač
Incidental Evil. Art and the Undoing of Hate in Zagreb’s Urban Space
Onlinevortrag
am Margherita-von-Brentano-Zentrum für Geschlechterforschung der Freien Universität Berlin, in Kooperation mit den mdw-Gender Studies
For a discussion on effects of the growing right-wing populism in Europe with a focus on the country where I live, I chose to appropriate a title of one art project. Incidental Evil is a title of recent research project of artist Tanja Dabo who documented, analysed and contextualized hundreds of graffiti written or drawn on building walls in Croatian capital Zagreb. It is a matter of graffiti that contain explicit Ustashi or cryptographed Nazi symbols, as well as different expressions of hate speech. The issue of my presentation is structural patriarchal violence inseparable from nationalism, that in Croatia has been normalized since 1990, from the moment when the first free elections took place. I will talk on the examples of misogynist, racist and homophobic discourse that culminated in so called »conservative revolution« that overtly happened immediately after Croatia became a member of EU in 2013. Accordingly, most of cases of hate crimes remain legally not sanctioned. I will contextualize art projects of Tanja Dabo titled Corrected Constitution of Republic of Croatia, Collection for Remembrance and Incidental Evil with such state of affairs.
Moderation: Susanne Lettow, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Margherita-von-Brentano-Zentrum für Geschlechterforschung und Privatdozentin am Institut für Philosophie der Freien Universität Berlin.
Leonida Kovač is an art historian and theorist, curator and professor at the University of Zagreb, Academy of Fine Arts. Her work focuses on contemporary art, feminist and critical theories.
20.05.2021, 18 Uhr
Arne Vogelgesang
Gamification von rechts. Spiel und Unterhaltung als politische Werkzeuge rechten Kulturkampfs"
Onlinevortrag
Wir sprechen von "Spielifizierung", wenn typische Elemente von Spielmechaniken genutzt werden, um in spielfremden Kontexten motivationssteigernd zu wirken. Während diese Strategie ökonomisch genutzt wird, um Kundenbindung und Mitarbeiterproduktivität zu erhöhen, ist sie auch zu einem zunehmend wichtigen Teil politischer Kultur geworden. Insbesondere internetaffine Communities verwenden Spielelemente und spielnahe Unterhaltungsformate, um ihre Beziehung zur Realität zu gestalten und zu strukturieren – und damit auch ihre politische Praxis.
Der Vortrag beleuchtet die Spielmetapher als legitimierenden und verbindenden Rahmen jüngerer reaktionärer und rechtsextremistischer Szenen im englisch- und deutschsprachigen Internet und stellt beispielhaft Bestrebungen vor, Teile des politischen Diskurses zu “gamen”, als Unterhaltung umzudeuten und auch die eigene Mobilisierung zu spielifizieren.
Moderation: Evelyn Annuß, Gender Studies am IKM, mdw
Arne Vogelgesang ist Autor und Medienkünstler. Mit dem Theaterlabel internil und unter eigenem Namen realisiert er seit 2005 freie Theaterprojekte, die mit verschiedenen Zusammensetzungen von dokumentarischem Material, neuen Medien, Fiktion und Performance experimentieren. Außerdem hält er Vorträge und gibt Workshops zur Ästhetik radikaler Internet-Propaganda & schreibt gelegentlich einen Text.
14.04.2021
Martin Reisigl
Argumentieren gegen rechts
Personalentwicklung – Zentrum für Weiterbildung der mdw
Online-Workshop
Argumentationsweisen von rechts kennen und kontern zu lernen, ist Gegenstand dieses Workshops.
Wir diskutieren anhand von Text- und Diskursbeispielen aus medialen und politischen Kontexten, wie diskriminierende, rechtspopulistische und fundamentalistische Argumentationsmuster sowie rhetorische Strategien formal, inhaltlich und funktional strukturiert sind und was diesen Mustern und rhetorischen Techniken entgegengesetzt werden kann.
Die Teilnehmenden werden zu schlüssigem Argumentieren angeleitet und mit guten Praktiken vertraut gemacht. Neben Verfahren der gewaltfreien Kommunikation und widerständigen Diskursintervention werden ihnen argumentative Regeln vermittelt.
Martin Reisigl ist Assistenz-Professor für angewandte Sprachwissenschaft am Institut für Sprachwissenschaft der Universität Wien. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehören unter anderem die Argumentationsanalyse, die Analyse von politischer Kommunikation (insbesondere von nationalistischer und rechtspopulistischer Rhetorik) und der Zusammenhang von Sprache und Diskriminierung.
25.03.2021, 18 Uhr
Online-Vortrag
Gabriele Dietze
Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien der Humboldt-Universität zu Berlin
Rechtspopulistische Weiblichkeitsmodelle zwischen Re-Traditionalisierung und alternativer Geschlechter-Moderne
Im fortschrittlichen Lager ist man sich einig: Rechtspopulismus hat Frauen wenig zu bieten, er will sie in antiquierte Rollenbilder zurückversetzen, deshalb wählen weniger Frauen die entsprechenden Parteien. Diese Vorstellung geht davon aus, dass ein bestimmtes Emanzipationsmodell – weibliche Berufstätigkeit, Chancen- und Lohngleichheit, aushäusige Kinderbetreuung und familiäre Arbeitsteilung – gesellschaftlich akzeptiert und allgemein gewünscht ist. Nun zeigen Konzepte wie ‚Neue Mütterlichkeit‘ (Momism im angloamerikanischen Raum) und die Tradwive-Bewegung (ein positiv besetztes Hausfrauen-Muttermodell, das ausdrücklich die Vormacht und das Versorgungsprivileg des Ehemanns anerkennt) eine gewisse ‚Emanzipationsverdrossenheit‘. Dennoch machen ihre Propagandistinnen deutlich, dass sie sich nicht als rückgewandt, sondern als neue Geschlechtsrollen-Alternative verstehen. Ergänzt werden Modelle einer akzeptierten geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung durch selbstbewusste aushäusige Führungsfiguren, wie Alice Weidel und Marie LePen, oder in rechtskonservativen Superkarrieren wie jene der siebenfachen Mutter und soeben gewählten Verfassungsrichterin Amy Coney Barrett. Das Ziel des Vortrags ist es, eine Landkarte dieser rechten geschlechterpolitischen Alternativ-Moderne zu entwerfen und über Möglichkeiten von Gegenstrategien nachzudenken.
21.01.2021
Julia Roth
Gender als Affektbrücke und Arena.
Rechtspopulistische Muster der Vergeschlechtlichung und intersektionale feministische Reaktionen
Online-Vortrag am Margherita-von-Brentano-Zentrum für Geschlechterforschung (MvBZ) an der
Freien Universität Berlin
Studien zu Rechtspopulismus sind inzwischen etabliert und vielfältig.
Eine systematische Betrachtung der Verflechtungen von Rechtspopulismus und Geschlecht steht jedoch noch aus, obwohl Gender-Aspekte in rechten Diskursen allgegenwärtig sind: etwa in Form der Auslagerung/Projektion von Sexismus und Homophobie auf migrantische (oft: muslimische) Andere (sog. “Ethnosexismus”), maskulinistische “Affektgemeinschaften” im Internet, oder den verstärkten Allianzen zwischen religiösen und politischen Akteur*innen gegen eine vermeintliche “Gender-Ideologie” (aka als “Anti-Genderismus”), die Papst Franziskus jüngst als “ideologische Kolonisierung” bezeichnet hat.
Der Vortrag geht deshalb von der Annahme aus, dass die Intersektionalität von Gender, Race, und Klasse für radikale rechte Diskurse konstitutiv ist. Immer häufiger kombinieren rechte Diskurse ein vordergründiges “Emanzipationsparadigma” – etwa die Verteidigung von Frauen- oder LGBTQ-Rechten – mit einem Retraditionalisierungsparadigma. Deshalb reicht die Verengung auf einen bloßen konservativen “Backlash” nicht länger aus, um diese komplex gewordenen Dynamiken zu beschreiben, zu analysieren und erfolgreich widerlegen zu können.
Vor diesem Hintergrund diskutiert der Vortrag paradigmatische “Muster der Vergeschlechtlichung” in rechtspopulistischen Diskursen, in denen Geschlecht als Arena, als Meta-Sprache und “Affektbrücke” (Dietze) fungiert. Der Vortrag zeichnet nach, wie über solche Muster politische Ziele geordnet und in den öffentlichen Diskurs katapultiert werden, um “legitime politische Gefühle” und “affektive Communities” (Sauer) zu bilden.
Gleichzeitig zu diesen weltweiten Anfechtungen von Frauen- und Geschlechterrechten sind gegenwärtig vielerorts erstarkenden intersektional-feministische Proteste zu beobachten, beispielsweise in Brasilien, Polen und den USA. Der Vortrag beleuchtet daher in einem zweiten Schritt intersektional-feministische Bewegungen als sichtbarste Gegenbewegungen in Hinblick auf ihr hegemoniekritisches Potenzial..
Moderation:
Susanne Lettow, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Margherita-von-Brentano-Zentrum für Geschlechterforschung und Privatdozentin am Institut für Philosophie der Freien Universität Berlin.
Julia Roth ist Professorin für American Studies mit einem Fokus auf Gender Studies und InterAmerican Studies an der Universität Bielefeld. Zuvor arbeitete sie dort mit ihrem Postdoc-Projekt „The Americas as Space of Entanglements“, sowie im interdisziplinären Netzwerk „desiguALdades.net – Interdependent Inequalities in Latin America“ an der Freien Universität Berlin. Als Dozentin unterrichtete sie zudem an der Humboldt-Universität zu Berlin, der Universität Potsdam und der Universidad de Guadalajara, Mexiko. Ihre Forschungsschwerpunkte adressieren Themen der postkolonialen, dekolonialen und Gender Perspektiven, mit einem Fokus auf Intersektionalität und Globale Ungleichheiten, Rechtspopulismus und Gender, Gender und Staatsbürger*innenschaft sowie anti-rassistisch feministisches Wissen der Karibik und der Amerikas. Neben ihrer akademischen Forschung organisiert und kuratiert sie Kulturpolitische Veranstaltungen, wie zuletzt das Theater-Festival „Women/Images of the Americas in Movement“ in Berlin (2010), sowie am Gorki Theater Berlin die Reihen „BE.BOP – Black Europe Body Politics“ mit Alanna Lockward (2014) und „De-Heimatize Belonging“ (2016).
Aktuelle Veröffentlichungen:
Roth, Julia: ¿Puede el feminismo vencer al populismo? Avances populistas de derecha y contestaciones interseccionales en las Américas. Ensayos InterAmericanos. Vol 4. Bielefeld: kipu-Verlag; 2020.
Roth, Julia: "Intersectionality Strikes Back: Right-WIng Patterns of En-Gendering and Feminist Contestations in the Americas". In: Dietze G, Roth J, eds.: Right-Wing Populism and Gender: European Perspectives and Beyond . Gender Studies. Bielefeld: Transcript; 2020: 251-271.
12.11.2020
Birgit Sauer
Rechtspopulismus und maskulinistische Identitätspolitiken
Wahlgewinne autoritärer rechtspopulistischer Parteien in ganz Europa, nationalpopulistische Regierungen in Ungarn und Polen, der Brexit und die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten sind Ausweis sich weltweit nach rechts verschiebender politischer Kräfteverhältnisse. Radikal rechten Parteien geht es um mehr als nur eine restriktivere Migrationspolitik und das Schüren anti-Muslimischer Ressentiments, um Wähler_innenstimmen zu gewinnen: Sie zielen darauf, die Länder der EU anti-demokratisch umzubauen. Geschlechter- und Sexualitätsverhältnisse nehmen in diesem Kampf um kulturelle Hegemonie in Form eines selbsternannten ‚Anti-Genderismus‘ seit der vergangenen Dekade eine prominente Rolle ein. Traditionelle Geschlechterrollen werden durch eine maskulinitische Identitätspolitik verstärkt und ein z.T. aggressiver Maskulinismus soll die männlich-übergeordnete Position absichern. Der Vortrag wird erklären, vor welchem transformatorischen gesellschaftlichen Hintergrund diese traditionell-maskulinistische Politik insbesondere in Österreich und Deutschland erfolgreich ist.
Moderation:
Evelyn Annuß, Gender Studies, mdw, Institut für Kulturmanagement und Gender Studies