Librarian's Choice Archiv 2019
LC # 55 | Institutionalisierung im Musikbereich
LC # 54 | Clara Schumann zum 200. Geburtstag
LC # 53 | Kunst als gesellschftskritisches Medium
LC # 52 | Musik im Spannungsfeld von Autonomie und Heteronomie
LC # 51 | Sie wünschen, Sie spielen
LC # 50 | Publikumslieblinge
LC # 49 | Ungehörtes–Unerhörtes
LC # 48 | Geburtstag im Hause Usher
LC # 55 | Dezember 2019 | Student’s Choice
Institutionalisierungen im Musikbereich: Wien um 1900
Hierarchien – In-/Exklusion – Konkurrenz und Kooperation – Veränderungen und Anpassungen – Wechselwirkungen mit der Gesellschaft: All dies sind Merkmale von (Musik-)Institutionen, die sowohl als Organisationen als auch immateriell verstanden werden können. Beispiele für immaterielle Institutionen im Musikbereich sind etwa Applaus, Auftrittsgesten oder Kleidungsgebote.
Die Vielfalt musikalischer Institutionen unterschiedlichster Genres in Wien um 1900 war, zumal im Vergleich mit heute, enorm. Einige von ihnen waren äußerst kurzlebig, während sich andere nachhaltig in die musikalische Topographie der Stadt einschrieben, und wenige bis heute existieren.
Als Alternative zum Repertoirebetrieb gründete Arnold Schönberg 1918 seinen Verein für musikalische Privataufführungen, in dessen Zentrum zeitgenössische Kompositionen jenseits persönlicher Geschmäcker stehen sollten.
Venedig in Wien, eine Theater- und Vergnügungsstätte im Wiener Prater, wurde im Mai 1895 vom Theatermacher Gabor Steiner im Stil der venezianischen Architektur eröffnet und bot ein breites Kulturangebot für die Sommermonate an.
Die Konzertsäle von Klavierfabriken, wie zum Beispiel jene von Bösendorfer und Ehrbar, wurden im Gegensatz zu den Sälen des Musikvereins für Solo-, bzw. Kammermusik konzipiert, welche auch für das Marketing der jeweiligen Firma benutzt wurden.
Das strenge Regiment Gustav Mahlers als Hofoperndirektor führte zu vielen institutionellen Veränderungen, die von tiefen Eingriffen in die Personalstruktur ebenso gekennzeichnet waren wie von der Durchführung von Spielplanreformen und der Darbietung von Modellaufführungen und Interpretationszyklen.
Das Ronacher hat sich im Laufe von zwei Jahrhunderten als äußerst standhaft und zugleich wandelbar erwiesen und es geschafft, mehreren Schließungsperioden zu trotzen und sich stets an die gesellschaftlichen und auch bürgerlichen Bedürfnisse anzupassen.
Die Studierenden Luise Adler, Miyuki Kawaguchi, Hanna Mikschicek, Marlene Olbricht und Lukas Zeuner verfassten diesen Student’s Choice im Rahmen eines Seminars bei Ass.-Prof. Fritz Trümpi.
LC # 54 | November 2019
Clara Schumann zum 200. Geburtstag
"Sie spielt nicht nur gut, sie spielt auch nur Gutes", so Eduard Hanslick in seiner Kritikensammlung Aus dem Concertsaal über Clara Schumann***. Im Gegensatz zu den "oktavendonnernden", selbstkomponierenden Klaviervirtuosen, hatte sie sich schon früh auf eine als versachlicht wahrgenommene Interpretation eines erlesenen Kanons an Meisterwerken etwa von Bach, Beethoven, Chopin, Brahms und natürlich Robert Schumann festgelegt.
Freilich, dieses Attribut einer "streng nachschaffenden" Künstlerin entsprach auch dem zu ihren Lebzeiten und darüber hinaus geltenden Geschlechterverständis. War die Rolle des Lebemannes und Frauenhelden etwa für Liszt durchaus förderlich, so hätte wohl Clara Schumann mit einem ähnlichen Verhalten keine Chance gehabt. Keuschheit, Zucht und Strenge, sowohl im privaten wie auch im künstlerischen Leben, waren da für eine Frau oft die einzigen Möglichkeiten, Raum in einer männerdominierten Branche für sich zu gewinnen.
So ist es auch zu verstehen, dass Clara Schumann als Komponistin*** weder zu Lebzeiten noch bis in die jüngere Vergangenheit herauf gebührend wahrgenommen wurde. Erst gegen Ende des 20. Jarhhunderts wurde ihr eigenes Schaffen wieder entdeckt. Die ub.mdw verzeichnet mehr als 40 Bände mit ihren Kompositionen, darüberhinaus den österreichweit größten Bestand an Literatur über Clara Schumann.
*** Der Zugriff auf lizenzierte Inhalte ist nur innerhalb des mdw-Netzwerkes bzw. über eine VPN-Verbindung möglich
(STM/ub.mdw)
LC # 53 | Oktober 2019
Kunst als gesellschaftskritisches Medium
Kunst als Projektionsfläche, Kunst als Ausdruck, Kunst als Gesellschaftskritik: Die Beitragenden eines kürzlich im transcript-Verlag erschienenen Bandes reflektieren unterschiedliche Dimensionen und Spannungslinien des Verhältnisses von Kunst und Kritik und untersuchen dabei das künstlerische Gestaltungs- und Inszenierungspotenzial aus interdisziplinärer Perspektive. Mit der Verflechtung von wissenschaftlichen Beiträgen und Kunstperformances erschließen sie eine Bandbreite an unterschiedlichen Bedeutungszusammenhängen und Entwicklungsdynamiken von zentralen Diskursen der Kunstlandschaft unter Berücksichtigung u.a. architektonischer, philosophischer, kunsthistorischer, musikwissenschaftlicher und aktionistischer Aspekte.
(Klappentext/Verlag)
Buchpräsentation
15. Oktober 2019, 18.00 Uhr
Lesesaal der ub.mdw
Kunst als gesellschaftskritisches Medium, hg. von Michaela Bstieler et.al.
transcript-Verlag, Bielefeld 2018
LC # 52 | Juni 2019
Musik im Spannungsfeld von Autonomie und Heteronomie
Musik ist – von Platon bis Adorno – immer auch ein Gegenstand philosophischen Nachdenkens gewesen. In den letzten rund zehn Jahren haben sich philosophische Stellungnahmen zur Musik auffällig gehäuft und damit auch die Diskussion zwischen musikwissenschaftlichen und philosophischen Perspektivierungen neuerlich angeregt. Fachliche Reibungsflächen treten besonders deutlich hervor, sobald die Frage nach musikalischer Autonomie verhandelt wird. Denn während die Musikphilosophie die Musik zumeist im Singular denkt, findet in den aktuellen Debatten der Musikwissenschaft die Betrachtung von Musiken in ihrer historischen und kulturellen Pluralität breitere Zustimmung.
Der Band Von der Autonomie des Klangs zur Heteronomie der Musik versammelt Überlegungen aus verschiedenen musikwissenschaftlichen Fachbereichen, welche die philosophischen Denkangebote aufnehmen, weiterdenken, hinterfragen und die Debatte um ästhetische Autonomie immer wieder in Bezug zu konkreten musikalischen Phänomenen bringen.
(Text: Nikolaus Urbanek/imi)
Buchpräsentation
24. Juni 2019, 17.30 Uhr
Lesesaal der ub.mdw
Von der Autonomie des Klangs zur Heteronomie der Musik. Musikwissenschaftliche Antworten auf Musikphilosophie, hg. von Nikolaus Urbanek und Melanie Wald-Fuhrmann, Stuttgart 2018 (Abhandlungen zur Musikwissenschaft)
LC # 51 | Mai 2019
Sie wünschen, Sie spielen
Die ub.mdw nimmt gerne Ankaufsvorschläge entgegen, die den Bibliotheksbestand um interessante Werke ergänzen. Wünsche können jederzeit per Email oder über das Wunschbuch an uns herangetragen werden Zur Erweiterung des Notenbestandes für vier Klarinetten hat neulich das Klarinettenquartett The Clartists beigetragen. Gegründet 2017 an der mdw, betreut von Petra Stump-Linshalm und Christoph Zimper, sind The Clartists u.a. bereits im Palais Niederösterreich, im Alten Rathaus und im mumok aufgetreten. Das Repertoire ist breit: "Wir spielen so ziemlich jede Stilrichtung, die uns vor die Füße fällt. Populäre Unterhaltungsmusik, klassische und zeitgenössische Kunstmusik, Jazzstandards." Die ub.mdw hat sich bemüht, die Notenwünsche des Quartetts zu erfüllen. Außerdem sind wir Bibliothekar_innen neugierig, wie diese neu angekauften Noten klingen.
Hörprobe mit The Clartists im Rahmen der Veranstaltung "Sie wünschen – Sie spielen" am 9. Mai 2019
(Text: HUI/ub.mdw)
LC # 50 | April 2019
Publikumslieblinge
Seit etwas mehr als 20 Jahren erfasst die ub.mdw ihre Bestände in einem elektronischen Katalog, seit mehr als 15 Jahren werden auch die Ausleihen elektronisch verbucht. Damit lässt sich nun gut nachvollziehen, welche Bücher oder Noten wie oft ausgeliehen werden.
Zur 50. Ausgabe des Librarian's choice wollten wir nun genauer wissen was eigentlich Ihr "choice" ist und haben die 50 meist ausgeliehenen Titel ermittelt.
Wenig überraschend: die ub.mdw wird überwiegend als Notenbibliothek genützt. Fast 80 % der Ausleihen der letzten 15 Jahre waren Notenbände. Fast die Hälfte davon sind unterschiedliche Ausgaben der Vokalmusik - gewissermaßen ein bibliothekarischer Nachhall der Gründungsidee unserer Anfang des 19. Jahrhunderts als "Singschule" eingerichteten Universität.
Doch wie schaut es im Detail aus? Welches Werk wurde am häufigsten ausgeliehen? Welcher Komponist hat die meisten Hits unter den Top 50? Welche Bücher haben es in die Auswahl geschafft? Gibt es gar ein Buch unter den zehn häufigsten Entlehnungen? Gibt es Unerwartetes?
Sehen Sie selbst, Spot on: Die 50 am häufigsten ausgeliehenen Titel aus den Beständen der ub.mdw
(Text: STM/ub.mdw)
LC # 49 | März 2019
Ungehörtes – Unerhörtes
Tondokumente im Bestand der Bibliothek oder
Die Bibliothek als klingender Gedächtnisspeicher der mdw
Seit über 100 Jahren wird unsere (Um-)Welt zunehmend von medial vermittelten Klängen und Bildern bestimmt. Sie sind wichtig für die Vermittlung von Geschichte, sie markieren besondere Ereignisse und werden mit Gefühlen verbunden; der Bestand digital verfügbarer audio-visuellen Quellen wächst ständig.
Das seit Sommer 2017 bestehende Projekt Telling Sounds macht sich diese Tatsachen zunutze: es hat das Ziel, eine konsequent auf audio-visuellen Medien beruhende (musik-)geschichtliche Darstellung zu entwickeln. Sie verschiebt im Unterschied zu traditionellen Erzählweisen den Schwerpunkt des Erfassens auf das Hören und öffnet musikalische Zeitgeschichte pädagogischer und künstlerischer Vermittlung. Um die audio-visuellen Dokumente so aufbereiten zu können, dass ihre geschichtlichen Zusammenhänge deutlich werden, entwickeln wir entsprechende digitale Werkzeuge in Form einer eigenen Forschungs-Software.
Aus Anlass der im Rahmen des Projekts veranstalteten internationalen Tagung Music//Media//History. Re-Thinking Musicology in an Age of Digital Media von 14. bis 17. März haben wir die Tonträger im Bestand der Bibliothek besucht und dabei so manche erstaunliche Entdeckung gemacht…
Eine Hörprobe aus den Tonbandbeständen der ub.mdw gibt es am Mittwoch, 13. März 2019, 18.00 Uhr im Lesesaal der Bibliothek: 3., Anton-von-Webern-Platz 1
(Text: Cornelia Szabó-Knotik/telling sounds)
LC # 48 | Jänner 2019
Geburtstag im Hause Usher
"I spend my existence in the House of Usher"
Claude Debussy
Am 19. Januar 2019 jährt sich der Geburtstag von Edgar Allan Poe zum 210 Mal. Als Erfinder der modernen Detektivgeschichte sowie als prägender Autor schaurig-schöner Erzählungen und Gedichte ist er den meisten ein Begriff. Seine Poesie, in Europa u.a. rezipiert von Charles Baudelaire, wurde zum Fundament des Symbolismus und lieferte zugleich eine wegweisende Blaupause für (europäische) Dekadenzdichtung. Doch erstreckt sich sein Einfluss auch auf die Musik des 20. und frühen 21. Jahrhunderts. Claude Debussy etwa bekannte einst, „sein Leben im Hause Usher zu verbringen“. Zwei (leider unvollendete) Opern zeugen davon.
An der ub.mdw finden Sie Poe-affines Notenmaterial, etwa von den Komponisten Aribert Reimann, Bernd Richard Deutsch, Joseph Holbrooke, Templeton Strong oder der Komponistin Nancy van de Vate.
Auch der an der mdw lehrende Komponist Periklis Liakakis konnte nicht an Poe vorübergehen und schuf mit USHER_the revenge_of_madeline eine gegen den Strich gebürstete, feministisch aufgeladene „House of Usher“-Paraphrase.
Darüber hinaus bietet unser Suchportal Nachweise von Poes eigenen Werken, Sekundärliteratur wie auch von Tonträgern und Filmen, die Teil unseres Bibliotheksbestands sind.
Seine Biografie selbst erinnert mitunter an jene der von ihm geschaffenen Gestalten: Von Schulden und immer wieder aufflackernder Trunksucht getrieben schrieb er bisweilen gleichsam um sein Leben, um auch dräuender Verarmung zu entgehen. Seinen persönlichen Dämonen entkam er schließlich am 7. Oktober 1849. Die Zahl der Theorien darüber, woran Edgar Allan Poe tatsächlich starb, ist groß: Sie reichen von Selbstmord und Mord über Schäden durch Alkoholismus bis hin zu Tollwut, Cholera und Syphilis. Geboren in Boston, Massachussetts, wurde er schließlich in Baltimore, Maryland, begraben.
Sein Werk hingegen ist unsterblich geworden und nach wie vor – nicht nur in der Popkultur – an manch dunklem Ort präsent. Und natürlich an der ub.mdw,
"… Quoth the Raven: Nevermore!"
Edgar Allem Poe, The Raven
(Text: FRT/ub.mdw)