Internationales Bruno Walter Symposium Wien 2012

Universität für Musik und darstellende Kunst Wien | 11. - 12. Dezember

 

 

Dr. Fritz Trümpi
Fritz Trümpi, Dr. phil. (* 1974 in Glarus/CH), studierte Allgemeine Geschichte, Philosophie und Musikwissenschaft in Zürich, Wien und Berlin. Er war Doktoratsstipendiat des Schweizerischen Nationalfonds und lebt und arbeitet als Zeithistoriker und Journalist in Wien. Er ist Lehrbeauftragter an diversen in- und ausländischen Universitäten und arbeitet derzeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter im FWF-Projekt „Eine politische Geschichte der Wiener Oper 1869-1955“ mit. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen Faschismusforschung und Kulturpolitik. Im April 2011 erschien von ihm „Politisierte Orchester. Die Wiener Philharmoniker und das Berliner Philharmonische Orchester im Nationalsozialismus“ im Böhlau Verlag.


Die Autorität des Dirigenten oder
Orchester im politischen Wandel

Die Position des Dirigenten ist eng mit der Organisation und der Repräsentation von Orchesternverknüpft. Im Verlauf der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden diese – zumindest im europäischen Kontext – immer stärker von den sich rasch wandelnden politischen Rahmenbedingungen beeinflusst und geprägt: Die politische Durchdringung der musikalischen ‚Hochkultur’, als deren Vertreter die Orchester in hohem Maße fungierten, wuchs beständig an. Die Gründe dafür sind vielfältig. Einerseits hing die verstärkte Politisierung von Musik ab dem Ersten Weltkrieg insbesondere in Österreich und Deutschland mit einem neuen nationalstaatlichen Selbstverständnis und entsprechenden Veränderungen derinnen- und außenpolitischen Interessenslage zusammen. Andererseits wirkten sichdie Inflations- und Wirtschaftskrisen der 1920er Jahre destabilisierend auf die Orchester aus, was mitunter zu massiv erhöhten Abhängigkeiten von staatlichen Zuschüssen und damit einhergehend zu staatlicher Einflussnahme auf die Orchesterleitung führte. In der anschließenden Phase des Faschismus und des Nationalsozialismus wurde die politische Kontrolle des Musikbetriebs schließlich zur Staatsdoktrin erhoben. Dennoch kann nicht von einer einseitigen Instrumentalisierung der Orchester zugunsten politischer Interessen gesprochen werden:Mehrere bedeutende Klangkörper Deutschlands und Österreichs strebten eine Einordnung in staatspolitische Kontexte geradezu an.
Diese Entwicklung der politischen Funktionalisierung von Orchestern hatte beträchtliche Auswirkungen aufFunktion, Bedeutung und Autorität des Dirigenten.Nachdem dieser seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert als zentrale Instanz für Orchesterleistungen und deren Interpretationsgehalt galt, wuchsseine Bedeutung im Laufe der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts über rein künstlerische Funktionen hinaus: Der Dirigent wurde zunehmend zum maßgeblichen Faktor für die Repräsentationswirkung der Orchester, an die in vielen Fällen eine Art Markenbildungsprozess anknüpfte, der bis heute wirksam geblieben ist.

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