DAFA Nina Kusturica
In Nina Kusturicas künstlerischem Forschungslabor (LAFA) entstanden filmische Skizzen, Miniaturen und Experimente sowie Filme. Die Artistic Researchers Ayo Aloba, Ruchi Bajaj, Wilbirg Brainin-Donnenberg, Denice Bourbon, Laura Ettel, Senad Halilbašić, Olga Kosanović, Marius Mertens, Niklas Pollmann, Marie Zahir und Weina Zhao setzten sich mit dokumentarischen, fiktionalen, essayistischen, performativen und hybriden filmischen Strategien auseinander und suchten nach Möglichkeiten, neue Einblicke in gesellschaftspolitische Realitäten und Repräsentationen von Klasse zu gewinnen. Dabei wurde auf die eigene (Autosozio-)Biografie Bezug genommen, Themen wie Familie, Wohnungen, Orte, Erinnerungen, aber auch Erinnerungslücken, fanden Eingang in die künstlerische Exploration.
„Wie können wir von unseren Geschichten erzählen, von unseren Klassengeschichten, in diesem Medium Film, in welchem wir doch ganz stark mit unserem Körper – auch wenn das nicht der Körper im Bild ist, im Picture – präsent sind, durch unseren Blick, durch unsere Position, durch unsere Perspektive, durch unser Voice-Over, das sehr oft zum Einsatz kommt? Wie können wir davon erzählen, aber trotzdem den künstlerischen Ausdruck, die künstlerische Form finden und dabei verhindern, dass es nicht bloß ein Ausstellen der eigenen Geschichte wird? (…) Du bist gleichzeitig Material, im Sinne des Inhalts, und Formende, sozusagen gleichzeitig Objekt und Subjekt, Benennende und Benannte. Es sind sehr unterschiedliche Dimensionen, die da zusammenkommen. Das hat uns beschäftigt, auch im Hinblick auf die Ergebnisse: Mit welchem Projekt möchten wir uns genau beschäftigen? Wenn eine Idee herangereift ist, das Produkt nach außen geht, hinterlässt das auch ein spezifisches Bild von der Person selbst. Und im Medium Film bleibt es fixiert.“
Nina Kusturica
Auch die Frage, ob und wie die Fiktionalisierung im Dokumentarfilm Räume eröffnet, die die Wirklichkeit allein nicht hergibt, wurde im Labor diskutiert. Ein weiteres zentrales Thema der Arbeiten war die Reflexion über die Kameraarbeit und das damit verbundene Machtgefälle im Moment des Filmens. Fragen zur Sprache und ihrer Rolle bei der Definition von Identität und sozialer Klasse drängten sich auf: Wie können wir über Herkunftsmilieus sprechen, ohne in eine negative Abrechnung zu verfallen?
Die Gruppe erarbeitete verschiedene Verfahrensweisen zur Dramatisierung der eigenen autosoziobiografischen Geschichte mit der Herausforderung, persönliche Erlebnisse in allgemeingültige Narrative zu überführen. So betraf eine weitere wichtige Fragestellung im Labor die Möglichkeit der Kollektivierung und Zusammenarbeit in der künstlerischen Produktion. Wie kann eine biografische Erzählung im filmischen Prozess von einer anderen Person in ein Drehbuch verwandelt werden, ohne ihre Perspektive zu verlieren? Welche Formen der Zusammenarbeit sind möglich und wie beeinflussen diese den kreativen Prozess?
Das Digitale Archiv (DAFA) bietet einen Einblick in die Vielfalt und Komplexität der autosoziobiografischen Filmproduktion des Labors für filmische Autosoziobiografien von Nina Kusturica. Zum Einsatz kamen unterschiedliche Filmmaterialien wie Super-8-Film und digitale Formate sowie verschiedene Drehmethoden.
Nina Kusturica wurde aufgrund der im Rahmen des Projekts angesammelten Expertise von Drehbuchforum Wien als dramaturgische Beraterin für einige Projekte mit auto(socio)biographischen Bezügen engagiert sowie bei Mentoring Programmen von fc gloria und dem Bundeskanzerlamt für Kultur engagiert. Die meisten Filme davon sind in Produktion.
Neben den eingeladenen Artist Researchern wurde von Kusturica außerdem eine Ausschreibung innerhalb der Filmakademie gemacht. Daraus resultierend wurden drei Studierende der Filmakademie Teil der Gruppe. Sie können sich diese Teilnahme als ECTS Punkte anrechnen lassen.
Table of Contents
Ayo Aloba
Artistic Researcher
Ayo’s Investigation
Stills aus der Videoarbeit © Ayo Aloba, Laura Ettel
Ayo Aloba verbindet die Suche nach dem Ort der Human Exhibition, welche Ende des 19. Jahrhunderts im Prater stattfand, aber nirgends ausgewiesen wird mit seinen eigenen Erfahrungen als Kind in Wien. Die Arbeit verhandelt Fragen des Blicks: Wie will ich gesehen werden? Will ich gesehen werden? Will ich angestarrt werden?
Als ich ein Kind war, besuchte ich ein Internat das etwas abgelegen von der Stadt war. Ich gewöhnte mich Schritt für Schritt gerade an die ländliche Umgebung und die Kultur, nachdem ich zwei Jahre zuvor aus Nigeria angereist bin ...
Die Hände meiner Mutter
Text von Ayo Aloba
Der Text entstand im Zuge der künstlerischen Anleitung, einen Beitrag über "Die Hände deiner Mutter" zu entwickeln und verwirklichen.
Artificial Intelligence
Diese Arbeiten thematisieren den Zugang zu Kunsthochschulen.
Wer hat Zugang zu welchen Räumen? In welchen Räumen ist man Fremdkörper? In welche Räume wird man eingeladen?
Ogun’s Toil
© Ayo Aloba
Lagos is a bustling city that thrives on its own frenetic cadence and pandemonium tempo.
Ruchi Bajaj
Artistic Researcher
Der Lieblingsplatz meiner Jugend
Videoarbeit 1min03 © Ruchi Bajaj
Entstanden aus der Anleitung, einen künstlerischen Beitrag zu "Einer meiner Lieblingsorte" zu machen.
Manche bekommen ihre Socken jährlich zu Weihnachten. Ich bekomme sie monatlich ...
Socken
Text von Ruchi Bajaj
Der Text entstand im Zuge der künstlerischen Anleitung, einen Beitrag über "Die Hände deiner Mutter" zu entwickeln und verwirklichen.
Anyhow Anything Can Happen
Filmstills aus der Videoarbeit "Anyhow Anything Can Happen"
Denice Bourbon
Artstic Researcher
Meine Erinnerung an das Silvester 1989/90
Foto und Audioaufnahme © Denice Bourbon
Hervorgegangen aus der künstlerischen Anleitung: "Mein Silvester 1989"
between the weeds and the wheelbarrow
Filmstill und Zitate aus dem Off-Text der Videoarbeit "between the weeds and the wheelbarrow" © Denice Bourbon
... She lights another cigarette and struggles to hold on to it between her crocked fingers. Smoking is the only thing that brings her any kind of joy nowadays, they had told me. Needlework, crocheting, knitting; all of it impossible because of her claw hands ...
Cheers!
Stories of a Fabulous Queer Femme in Action
Autobiografie von Denice Bourbon, 2013
Für mich war das immer selbstverständlich, dass ich mich auf meine Biografie beziehe, wenn ich arbeite, überall in meiner Arbeit.
Audionotiz, Reflexion
Notiz, Reflexion © Denice Bourbon
Und ich glaube, wahrscheinlich war das, weil ich auf so viele Punkte neben der Norm oder benachteiligt, oder gekämpft habe.
Die Erinnerung an das Silvester 1989/1990: it‘s exactly the new years which I CAN‘T remember.
Confronting Realities notebook
Denice Bourbon
I remember 90/91 (jönköping with those gorgeous fake nails) and 88/89: first christmas and new years without anne.
Laura Ettel
Artistic Researcher
Olga Kosanović
Artistic Researcher
Lipizzaner
Filmstill „Noch lange keine Lipizzaner“ © April April Filme, Olga Kosanović
Abgrenzung schafft das Gefühl von Identität und Zusammenhalt: Eines starken Wir-Gedankens.
Gelöbnis
Gelöbnis © Olga Kosanović
„Ich gelobe, dass ich der Republik Österreich als getreuer Staatsbürger angehören, ihre Gesetze stets gewissenhaft beachten...“
Poetische Logik
Labor, Tagebuchaufzeichnungen © Olga Kosanović
Das Leben funktioniert viel eher nach einer poetischen Logik...
Nina Kusturica
Artistic Researcher
Niklas Pollmann
Artistic Researcher
Aufgewachsen in einer Stadt ohne Bahnhof (ohne Kino, ohne Bibliothek, ohne Bildungsbürgertum) war der Weg zu meinem Filmstudium in Wien nicht unmöglich – denn offensichtlich war er das nicht – doch aber unwahrscheinlich genug, um genau dieser gewissen Unwahrscheinlichkeit und ihrer Bedeutung nachzuforschen ...
Text für Confronting Realities
von Niklas Pollmann
Das Foto des Vaters mit seinem vierjährigen Sohn. Stolz, wie er auf seinem Schoß sitzt und mehr Automarken aufsagen kann als so mancher Erwachsener. Noch weiß der Vater nicht, dass sich darin eher die Lust am Klang (an der Aufzählung, an den Namen) zeigt, als die nach dem Automobil.
Die Namen
Text für Confronting Realities
von Niklas Pollmann
Marie Zahir
Artistic Researcher
Charasgasse
Still aus dem Super-8-Film "Charasgasse" © Marie Zahir
Was ist eine Erinnerung an ein Ereignis?
Was passiert mit mir wenn ich, nach mehreren Jahrzehnten, den Ort des Ereignisses aufsuche?
Super 8mm Prozesse
Trocknungsprozess © Marie Zahir
Ich habe mich entschlossen, diesen Film auf analogem Super 8mm schwarz-weiß Film zu drehen.
Bei den meisten Super8 Kameras ist die Belichtung automatisch und die Kamera ist so leicht, dass ich mich selbst beim Filmen filmen kann.
Weina Zhao
Artistic Researcher
Reflexionen zur Entwicklung des Essay-Films „Bye bye, nai nai”
Foto aus der Recherche zum Essay-Film „Bye bye, nai nai” © Weina Zhao
Wie spricht man übers Schweigen und wie fährt man nachhause an einen Ort, der nicht mehr existiert?
Reflexionen Beijing
Filmstill aus der Videoarbeit „Reflexionen Beijing“ © Weina Zhao
Es ist das erste Mal seit Covid-19, dass ich wieder nach China einreisen konnte. Ganz Beijing scheint herauspolierter zu sein, aber auch irgendwie verlassen.
Shiyou
Foto „Shiyou” © Weina Zhao
Erinnerung und Träume vermischen sich, das Wudaokou und Shiyou Xueyuan meiner Kindheit und Jugend liegen so lange zurück.
Lichtreflexion Moped
Video „Lichtreflektion Moped“ © Weina Zhao
Ich bin fasziniert von Lichtreflexionen, Schatten, Spiegelungen ...
Fenster
Video „Fenster“ © Weina Zhao
Muscle memory – manche Bewegungsabläufe sind in unseren Körpern so gut abgespeichert, dass wir sie automatisch ausüben, ohne darüber nachzudenken.
Notiz 3
Screenshot „Notiz 3“ © Weina Zhao
Wie spricht man über das Schweigen? Im Flüsterton? Im Traum?