Angela Melitopoulos

“Crossings”, Preview, 115 min (2017) | “Corridor X”, 30 min from 88 min, 2006 | “Passing Drama”, Video-essay, 61 min (1999)

Kolloquium II – Angela Melitopoulos

18.03.2022, 16-18 Uhr via zoom

 

Das Kolloquium fand per Zoom statt und rückte ein Nachdenken über eine Form von Kollektivität von subjektiven Erzählungen und Perspektiven (auch: Autosoziobiographien), die Melitopoulos u.a. anhand von Begriffen wie Chaosmose (Guattari) beschreibt, ins Zentrum. Auch die Verwendung non-linearer Montage und Techniken multiperspektivischen Erzählens – nicht nur als narratives, sondern politisches/gesellschaftliches Tool (“konstituierende Kraft des Gemeinsamen gegen Machtpolitiken des Gedächtnisses, der Kommunikation und der Vorstellungsräume“) sowie die Praxis der Kartografie wurden eingehend betrachtet. Zwischen den Artistic Researchers des Projekts Confronting Realities. Arbeit an filmischen Autosoziobiografien und Melitopoulos fand ein reger Austausch statt.

 

Leitfragen Vorbereitung:

  • Welche Aspekte von Angela Melitopoulos filmischen Thematiken ziehen euch intuitiv an? Wo würdet ihr inhaltlich gerne mehr wissen?
  • Gibt es formale Elemente von Angela Melitopoulos filmischer Form/ audiovisueller Form, die ihr speziell für (Auto)-Soziobiografie interessant und wichtig findet?
  • Gibt es formale und/ oder inhaltliche Aspekte ihrer Arbeit, die ihr unklar findet oder wo sich Verständnisfragen aufwerfen?

 

Leitfragen Nachbereitung :

  • Wo ist eine Resonanz zwischen Melitopoulos’ Arbeit und meiner eigenen künstlerisch/wissenschaftlichen Praxis entstanden?
  • Was sind die großen Leitlinien ihrer Forschung, die mir hängen geblieben sind?
  • Was hat mich an ihrer Forschung/ Arbeitsweise/ theoretischen Herangehensweise überrascht
    oder herausgefordert?

 

Zu den für mich wesentlichsten Punkten gehörte das Nachdenken über eine Form von Kollektivität von subjektiven Erzählungen und Perspektiven (auch: Autosoziobiographien), die Melitopoulos u.a. anhand von Begriffen wie Chaosmose (Guattari) beschreibt. Ich möchte mir auch nochmal näher anschauen: Polyphonie und somatische Semiotik nach Bachtin und evtl. Ökosophie (Guattari), als Thema das derzeit immer relevanter wird.

Auf der formalen Ebene waren spannend: die Verwendung non-linearer Montage und Techniken kollektiven Erzählens (Weben) als nicht nur narratives, sondern politisches/gesellschaftliches Tool (hier wieder ihr Zitat: “konstituierende Kraft des Gemeinsamen gegen Machtpolitiken des Gedächtnisses, der Kommunikation und der Vorstellungsräume”) sowie die Praxis der Kartografie. Weitere spannende formale Aspekte: verweisende und operative Funktion des Bildes (statt repräsentierend), Vergleich Film und Gedächtnisarbeit.

Interessant fand ich vor allem auch, dass anhand ihrer Arbeit und Reflexionen auch zeitliche und gesellschaftliche Unterschiede im Laufe der Zeit sichtbar wurden – so haben wir z.B. über die Gegenwart der Kunst(branche), von Filmfestivals und akademischer Rezeption gesprochen. Eine für mich wichtige Frage in diesem Zusammenhang war, wie man als künstlerisch Forschende mit der Verantwortung für die erzählten Geschichten und Personen umgeht und welche Verantwortung Kunst im Allgemeinen für die (politische) Geschichtsschreibung hat bzw. haben kann (Stichwort Zeitabdruck). Ebenso wurde sichtbar, wie aktuell ihre älteren Arbeiten heute sind. Ich fand die Vielschichtigkeit ihrer Arbeit sehr inspirierend für uns – also das Zusammendenken von sozialen, ökonomischen, ökologischen, politischen, kulturellen, existenziellen Aspekten in der Autosoziobiografie.

(Christina)

 

 

Ein für mich wichtiger Punkt, der mit meiner künstlerischen Praxis in Resonanz ging, war ihr intuitives Vorgehen was das filmische Bild angeht, also eine gewisse Offenheit, die sich während des Arbeitens und Forschens verändern, anpassen und ver/formen darf. Viel Recherche und Theoriearbeit sowie konzeptuelle Arbeit passiert im Vorfeld. Ich hatte das Gefühl, dass sie mit diesem Rucksack an Vorbereitung ins Feld geht und dort eine Freiheit
und Offenheit hat auf das zu reagieren was vor Ort passiert. In der Postproduktion verbindet sie beide Aspekte und arbeitet sich minutiös durch das gedrehte Material. Hier hat sie die sehr arbeitsintensive Zeit des Schnitts hervorgehoben, wo sie an jedem Detail arbeitet.

Auch ihre Antwort auf meine Frage warum sie sich gerade für das audiovisuelle Medium/Film entschieden hat, fand ich sehr interessant – sie kam eigentlich aus der Musik und der Film ist ihr im Grunde passiert, er hat sich aus der musikalischen Praxis ergeben und war das passende Medium für ihre Fragestellungen. Sie denkt nun auch darüber nach, ob das audiovisuelle Bild für sie nun noch das passende Medium ist. Das fand ich spannend, diese Offenheit, sich informiert leiten zu lassen und Veränderung zuzulassen.

Wahrscheinlich sind das auch die großen Leitlinien, die mir von ihrer Arbeit hängen geblieben sind- multi-perspektivisches Erzählen, Verweben von zeitlichen, örtlichen und historischen Perspektiven. Die Landschaft als Einschreibung von Geschichte zu verstehen, die Verformung von Landschaft durch den Menschen als Abdruck von dieser Geschichte zu verstehen und der tiefe Wunsch nicht-dominante Erzählungen ans Licht zu bringen, also fast eine Art kulturelle, archäologische Arbeit. Auch das explizite Erstellen von Erinnerungs-Kartografien im audiovisuellen Medium fand ich sehr wichtig. Sie verbindet das in jeder
Konsequenz – in der Konzeption, in der Arbeitsweise, im Schnitt, in der Verformung und Veränderung vom Bild selbst und schafft es dadurch emotionale Räume in eine Bildsprache zu übersetzen und auch so etwas wie eine bildlich/ filmische Erinnerungssprache zu entwickeln. Die Kollektivität ihrer Arbeit – sei es die Arbeit im Kollektiv über Kontinente und Zeiten hinweg, aber auch die Arbeit innerhalb des Bilds, fand ich wichtig und sind mir hängen geblieben.

Ich würde auch gerne ihre Arbeiten in der intendierten Form – also der Installation im Raum mit dem passenden Audio – sehen und hineinspüren was dann mit den Arbeiten passiert. Ich hatte das Gefühl, dass die Bildschirmform nicht ideal ist. Hier ist für mich schon auch eine Frage der Rezeption und des Publikums aufgeworfen – für wen diese Arbeiten gemacht sind und an wen sie diese Erzählungen herantragen will. Ich hatte das Gefühl, dass sie das gegen Ende der Diskussion auch angesprochen hat, dass sie nicht sicher ist, ob sie heute noch dieselbe Karriere wie damals machen könnte, weil die Sehgewohnheiten sich so verändert haben. Diese Offenheit fand ich sehr erfrischend und wichtig in Bezug auf ihre Arbeiten.

(Barbara)

 

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