20. Oktober 2021: Sich ins Auto setzen. Sie habe es spannend gefunden, ‚sich auch selbst ins Auto zu setzen‘, hat Barbara bei einem unserer ersten Projekttreffen gesagt, und ich musste lachen, weil ich es treffend fand. Auch aufregend; als Medien- und Kulturwissenschaftlerin bin ich gewohnt, Dinge zu studieren, die außerhalb meiner selbst sind, Texte, Bilder, Medien; die Vorstellung, sich in einem künstlerischen Forschungsprojekt irgendwann, irgendwie, vielleicht auch selbst ‚ins Auto zu setzen‘, der eigenen Autosoziobiografie nachzugehen bzw. sie zu schreiben, zu erfinden, zu erforschen, hatte was von Nervenkitzel. ‚Sich ins Auto setzen‘, das ist schön, denn es impliziert, dass die Auseinandersetzung mit der eigenen Autosoziobiografie (ich merke, ich zögere dabei, das so hinzuschreiben – es scheint mir falsch, zu denken, man ‚habe‘ eine Autosoziobiografie, man besitze sie, auch Autosoziobiografie hört sich als Substantiv zu starr, zu rigide an; wie findet man Worte für den Prozess des Nachdenkens?) etwas von einer Reise hat; man muss sich auf die Reise begeben, auf den Weg machen, losgehen.

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22. Oktober 2021: Ausgangspunkt autosoziobiografischer Bemühungen scheint mir: sich selbst opak sein, etwas über sich wissen, lernen, erfahren, ergründen wollen – wie bin ich die geworden, die ich bin? Die sozialen, ökonomischen, historischen Bedingungen erkennen wollen, die mich geprägt haben. Ist diese Fragerichtung einer psychoanalytischen gerade entgegengesetzt? Ich habe das Gefühl, dass ich erst in jüngster Zeit Dinge, die Klassenunterschiede und ökonomische Ungleichheiten betreffen, klarer sehe, überhaupt erkenne. Sie waren mir davor verdeckt. Wurden systematisch verdeckt? Wie, wodurch? Und dass ich jetzt mehr zu erkennen meine, womit hat das zu tun?

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Meine klassenmäßig schizophrene Situation.

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Reminder: darüber nachdenken, in welchem Kontext unsere Forschung/Recherche zu Autosoziobiografien stattfindet, die Grenze zwischen dem ‚Innen‘ und ‚Außen‘ der Recherche flexibel halten; inwieweit gehört das vermeintliche ‚Außen‘ dazu? Vgl. das schöne Buch „Menschwerdung eines Affen“ von Heike Behrendt, das eine „Autobiografie“ ihrer ethnografischen Forschung erzählt. Was wäre die Autobiografie meiner Forschung zu Autosoziobiografien?

 

Auszüge Forschungstagebuch von Elena Meilicke