Aufgewachsen in einer Stadt ohne Bahnhof (ohne Kino, ohne Bibliothek, ohne Bildungsbürgertum) war der Weg zu meinem Filmstudium in Wien nicht unmöglich – denn offensichtlich war er das nicht – doch aber unwahrscheinlich genug, um genau dieser gewissen Unwahrscheinlichkeit und ihrer Bedeutung nachzuforschen. Ihre soziologische Einbettung, aber auch ihre biografische Spezifität, die sich immer noch häufig in einem Gefühl der „Fremdheit“ in einer neuen akademischen-künstlerischen Welt ausdrückt.

Die Autosoziobiografie beginnt immer bei uns selbst, weswegen sich ein starres Forschungskonzept darauf also schlecht oktroyieren lässt. Nur folgerichtig, dass in Nina Kusturicas Artist-Research-Labor eine methodische Freiheit für uns TeilnehmerInnen im Fokus steht. In individuell-transdisziplinären Zugängen – intellektuell unterfüttert mit fruchtbaren Diskussionsrunden – schälen wir als Artist Researcher langsam heraus, wie wir über unsere eigene Geschichte erzählen wollen – und welche Form dafür die richtige ist.

Soziologisch kann die Autosoziobiografie als Instrument zur (Wieder)aneignung der eigenen Biografie angesehen werden; denn die Übertragungsdistanz zwischen Erlebten und Wiedergegeben ist hier weitestgehend unmittelbar und zudem stärker von strengen Zugangsschranken eines akademischen Duktus befreit, als es bei der etablierten Universitätssoziologie der Fall ist.

Gleichzeitig ist die Autosoziobiografie aber auch ein literarisches Erzählgenre, das sich auch durch den Einsatz (re)fiktionalisierender Stilmittel in unklarer Abgrenzung zum Roman bewegt. Als filmisches „Genre“ ist die Autosoziobiografie bislang kaum erforschtes Terrain – die Übertragung der literarischen Pioniere (Eribon, Ernaux, Baron, Struck etc.) ins Filmische noch am Anfang und über den naheliegenden Ansatz als Essayfilm (The Super 8 Years, Retour À Reims etc.) kaum hinausgekommen

Hier setzt meine eigene Motivation an: Wie lassen sich (neue) Formen der autosoziobiografischen Erzählung filmisch denken? Als Filmschaffender, der an der Schnittstelle zwischen Forschung und Praxis, zwischen Medienreflexion und narrativem Spielfilm, arbeitet, werde ich mich mit intensiv mit der experimentellen Übertragung eines selbst noch jungen literarisch-wissenschaftlichen Hybrids in dessen filmische Adaptierbarkeit beschäftigen – und nicht zuletzt auch damit, was und wie das mit meiner eigenen Geschichte zu tun hat.

Im Labor werden zwei Spielfilmdrehbücher, sowie der transdisziplinäre Entwurf eines essayistischen Rap-Musicals entstehen, als Versuche (in) das Ungewisse der Autosoziobiografie aufzubrechen.

 

© Niklas Pollmann