Vertreibung von Lehrenden und Studierenden 1938

Bereits wenige Tage nach dem ‚Anschluss‘ Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland setzte an der mdw (damals Staatsakademie für Musik und darstellende Kunst in Wien) die Verfolgung und Vertreibung von Lehrenden und Studierenden ein: Am 15. März 1938 wurden der bisherige Leiter seines Amtes enthoben und erste Lehrkräfte vom Haus entfernt. Im Zuge der Nazifizierung verlor etwa ein Drittel der Lehrenden die Anstellung und ungefähr 13 Prozent der Studierenden mussten spätestens mit dem Ende des Sommersemesters 1938 das Haus verlassen.

Zwei Lehrende – die Pianistin Erna Kremer und der Schriftsteller und Kulturhistoriker Erwin Weill sowie zwölf Studierende wurden Opfer der Shoah: Isydor Bernklau, Klara Birn, Edith Blau, Abraham Arje Ehrlich, Ida Friedmann, Renée Hait, Felicitas Pauline Ichheiser (verh. Winter), Wilhelm Leiter, Otto Pollak, Karl Porges, Alfred Stein und Gerold Weisz.

Chronologie der Vertreibung

Am 13. März 1938 wurde im damaligen Hauptgebäude in der Lothringerstraße eine Nachrichtenabteilung der SS einquartiert, der Unterricht eingestellt und erst gegen Ende des Monats wieder aufgenommen. Der ab dem 15. März neu eingesetzte Leiter, Alfred Orel, nahm noch am Tage seines Dienstantritts die ersten Beurlaubungen jüdischer Lehrkräfte vor und begann mit Erhebungen über die Mitglieder des Lehrkörpers – sowohl im Hinblick darauf, ob sie selbst jüdischer Herkunft oder mit einer Jüdin oder einem Juden verheiratet waren, als auch hinsichtlich deren politischer Haltung.

Parallel zur Überprüfung der Lehrenden wurden Erhebungen zu den Studierenden unternommen, wobei das bei der Inskription angegebene Glaubensbekenntnis den einzigen Anhaltspunkt bot. Obwohl jüdischen Studierenden im Sommersemester 1938 der Besuch des Unterrichts noch erlaubt war, meldeten viele – nicht zuletzt, weil es ihnen nicht mehr möglich war, die Studiengebühren zu bezahlen – ihren Austritt bzw. blieben der mdw in der Annahme fern, am Haus nicht mehr erwünscht zu sein.

Mit Erlass des Ministeriums für innere und kulturelle Angelegenheiten vom 15. Oktober wurde die Zulassung jüdischer Studierender zum Unterricht untersagt und kurz darauf (21.10.) mit Erlass des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung auch die Einschreibung von sogenannten ‚Mischlingen‘ nur mehr unter dem Vorbehalt eines Widerrufs gestattet.

Die letzten Pensionierungen jüdischer Lehrender erfolgten mit Ende November 1939. Die betroffenen Personen waren bis dahin suspendiert bzw. hatten zu diesem Zeitpunkt bereits das Land verlassen.

 

Literaturhinweis

Erwin Strouhal, Zur Verfolgung von Angehörigen der mdw* im Nationalsozialismus, in: Klingende Zeitgeschichte in Objekten. Die mdw* im Austrofaschismus, Nationalsozialismus und Postnazismus. Beiträge zur Ausstellung an der mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien), online unter: https://repo.mdw.ac.at/klingende-zeitgeschichte/s/de/item/86