Gender Studies
Der Begriff G E N D E R bezeichnet im Gegensatz zum biologischen Geschlecht (S E X) das soziale Geschlecht, welches durch historische Entwicklungen und kulturelle Konstruktionen gebildet wird.
"Gender als das kulturell erworbene und geprägte Geschlecht, das mit Rollenzuweisungen untrennbar verknüpft ist, ist inzwischen eine zentrale historisch-soziale Kategorie, die einen wissenschaftlichen Diskurs über Geschichtsschreibung, über Prozesse von Traditions- und Kanonbildung sowie Einschreibungen in das kulturelle Gedächtnis initiiert hat." Nina Noeske
G E N D E R S T U D I E S (Geschlechterstudien, Geschlechterforschung) sind wissenschaftliche Studien und Forschungsarbeiten,
- in denen die Kategorie Geschlecht/Gender eine zentrale Kategorie der Erkenntnisgewinnung darstellt.
- in denen gefragt wird, wie sich Aktivitäten, politische Maßnahmen, Gesetze, Denkformen auf Lebens- und Arbeitsbedingungen von Frauen, Männern, Homosexuellen, Queer- und Transgender-Personen auswirken bzw. ausgewirkt haben.
- in denen ein besonderes Augenmerk auf das Mit-denken und Mit-reflektieren von Unterschieden (Differenzen) aller Art gelegt wird.
- die oft einen interdisziplinären bzw. transdisziplinären Zugang haben.
Zum Weiterlesen:
Regina Becker-Schmidt, Gudrun-Axeli Knapp
Feministische Theorien zur Einführung, 5. ergänzte Aufl. Hamburg: Junius 2011
Christina von Braun und Inge Stephan (Hg.)
Gender-Studien. Eine Einführung, 2. aktualisierte Aufl., Metzler: Stuttgart, Weimar 2006
Hadumod Bußmann und Renate Hof (Hg.)
Genus. Geschlechterforschung / Gender Studies in den Kultur- und Sozialwissenschaften,
Alfred Körner Verlag: Stuttgart 2005
Nina Degele
Gender / Queer Studies. Eine Einführung, Paderborn: Fink 2008
Claudia Opitz
Um-Ordnungen der Geschlechter. Einführung in die Geschlechtergeschichte, Tübingen: Ed. Diskord 2005
...mehr als "eine" Differenz – der intersektionale Ansatz
Die G E N D E R S T U D I E S verstehen sich als kritische Wissenschaft. Zum Selbstverständnis der Gender Studies gehört, dass es nicht ausreicht, sich auf eine Differenz – die Geschlechterdifferenz – zu beschränken – nicht alle Frauen, nicht alle Männer sind gleich! Es sollte – so eine Forderung der kritischen Gender Studies – selbstverständlich sein, dass – je nach Studiendesign und Fragestellung – neben der Kategorie Geschlecht/Gender andere soziale Differenzkategorien wie Klasse (Herkunft, Schicht, Milieu), Ethnie/Ethnizität (race), Alter, sexuelle Orientierung, Behinderung bei der Wissensgenerierung und -interpretation in die Analyse miteinbezogen werden.
Auf diese Weise können sich neue Sichtweisen auf Probleme eröffnen und zu einer gendergerechten Analyse von gesellschaftlichen Fragestellungen und Machtverhältnissen beitragen.
Dieser intersektionale Ansatz wurde in den G E N D E R S T U D I E S in den letzten Jahren immer virulenter, eine Grundüberlegung der Intersektionalität lässt sich mit dem folgenden Beispiel illustrieren: Was passiert wenn eine Schwarze Frau diskriminiert wird? Ist es wegen des Geschlechts oder wegen der Hautfarbe oder etwas von beidem?
Geschichte
Im Zuge der 1968er Bewegung enstand die zweite – neue – Frauenbewegung. Die alte – erste – Frauenbewegung war zu diesem Zeitpunkt vergessen und musste – wie oft in frauenhistorischen Kontexten – WIEDER-ENTDECKT werden. Im Kontext der Frauensommeruniversitäten der 1970er Jahre entstanden die ersten Arbeiten der deutschsprachigen Frauenforschung, die ab Mitte der 1980er Jahre Geschlechterforschung und ab den 1990er Jahren G E N D E R S T U D I E S genannt werden.
In den USA machte bereits einige Jahre früher der Bestseller Der „Weiblichkeitswahn“ von Betty Friedan Furore. Die französische Philosophin und Schriftstellerin Simone Beauvoir hatte ihr feministisches Standardwerk „Das andere Geschlecht“ bereits Ende der 1940er Jahre vorgelegt. Die Zeit war damals aber offensichtlich für „das andere Geschlecht“ noch nicht reif gewesen. Im Zuge der 1968-Bewegung wurde „das andere Geschlecht“ dann neu-entdeckt. Simone de Beauvoir gilt als eine der Wegbereiterinnen und Mütter des neuen Feminismus.
Prägend für die ersten Jahre der Frauenforscherung – wie die Gender Studies damals noch genannt wurden – waren u.a.m. folgende, nach wir vor empfehlenswerte Texte bzw. Monografien:
Klassikerinnen:
Simone de Beauvoir
Das andere Geschlecht. Sitte und Sexus der Frau. Ins Deutsche übersetzt von Eva Rechel-Mertens (Band 1) und Fritz Montfort (Band 2). Rowohlt, Hamburg 1951; Rowohlt Taschenbuch, Reinbek bei Hamburg 1968 (Le Deuxième Sexe („Das zweite Geschlecht“), 1951)
Betty Friedan
Der Weiblichkeitswahn. Ein vehementer Protest gegen das Wunschbild von der Frau. Rowohlt, Reinbek 1966; Neuausgabe ebd. 1975 (The Feminine Mystique 1963)
Shulamith Firestone
Frauenbefreiung und sexuelle Revolution, Frankfurt am Main: Taschenbuch Verlag 1978 (The dialectic of sex, 1970)
Geschichte-Klassikerinnen:
Gisela Bock, Barbara Duden
Liebe als Arbeit – Arbeit aus Liebe, in: Frauen und Wissenschaft. Beiträge zur Berliner Sommeruniversität für Frauen Juli 1976, Berlin 1977, 118-199
Karin Hausen
Die Polarisierung der „Geschlechtercharaktere“ – Eine Spiegelung der Dissoziation von Erbwerbs- und Familienleben, in: Werner Conze (Hg.), Sozialgeschichte der Familie in der Neuzeit Europas (Industrielle Welt Bd. 21)