Zur Namensgeberin des Instituts
Es sind wenige Ausnahmepersönlichkeiten, die mit ihrer Lebensgeschichte die Vielfältigkeit und Grenzenlosigkeit des Musizierens auf so beeindruckende Weise aufzeigen wie die Geigerin Alma Rosé (* 3. November 1906 in Wien, † 4. April 1944 in Auschwitz Birkenau). Die frühe Prägung durch das musikalische Elternhaus der Familie Rosé-Mahler, die Ausbildung am Instrument durch ihren Vater Arnold Rosé, Konzertmeister der Wiener Philharmoniker, und Otakar Ševčík, sowie ein Wiener Debüt im Großen Musikvereinssaal mit internationaler Presseresonanz bezeugen zunächst das Einschlagen eines klassischen Karrierewegs als Violinsolistin und Kammermusikerin. Traditionelle Muster und Strukturen durchbrach Alma Rosé aber rasch und es folgten Engagements unter anderem in der Revue „Alles aus Liebe“ von Karl Farkas, Ernst und Hubert Marischka sowie solistische Auftritte auf bekannten Variétébühnen wie dem Wiener Ronacher. Als Gründerin und Ensembleleiterin des Frauenorchesters „Wiener Walzermädeln“ reihte sich für sie in den 1930er Jahren eine europäische Erfolgstournee an die nächste.
Mit dem Inkrafttreten der Nürnberger Rassegesetze in Deutschland 1935 begann sich der Handlungsspielraum der „Wiener Walzermädeln“ zunehmend einzuschränken, zu dessen Mitgliedern neben Alma Rosé selbst auch weitere jüdische Musikerinnen zählten. Mit dem “Anschluss” 1938 wurde Alma Rosé auch in Österreich als sogenannte „Volljüdin“ verfolgt. Nach einer geglückten Flucht aus Wien ins Londoner Exil, wo sie zunächst versuchte, gemeinsam mit ihrem Vater eine neue musikalische Existenz aufzubauen, kehrte sie aufgrund mangelnder Verdienstmöglichkeiten und finanzieller Schwierigkeiten Ende 1939 für Konzertengagements in die Niederlande zurück.
Ein weiterer Fluchtversuch nach der dortigen deutschen Besetzung scheiterte und sie wurde am 18. Juli 1943 nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Alma Rosé überstand die Selektion nach ihrer Ankunft. Sie wurde als berühmte Geigerin erkannt und SS-Oberaufseherin Maria Mandl setzte sie als Leiterin eines bereits im Lager bestehenden Frauenorchesters ein. An einem Ort wie Auschwitz war Musizieren eine bloße Überlebensstrategie. Zeitzeuginnen wie die Cellistin Anita Lasker Wallfisch berichten dennoch bis heute von Alma Rosés unbrechbarem Willen auch aus den dürftigsten musikalischen Kenntnissen und Fähigkeiten der unterschiedlichen Orchestermitglieder sowie der völlig unzureichenden Ausstattung mit Instrumenten und Notenmaterial etwas Künstlerisches zu formen. „Wenn wir nicht gut spielen, gehen wir ins Gas!“ wird sie vielfach zitiert. Alma Rosé starb am 4. April 1944 auf der Krankenstation in Auschwitz, wahrscheinlich an den Folgen einer Lebensmittelvergiftung.
Familie und Vernetzung
Die künstlerische Vielfalt Alma Rosés musikbezogener Aktivitäten bricht den vermeintlichen Antagonismus zwischen ihrer familialen Herkunft und gesellschaftlichen Vernetzung in der musikalischen Hochkultur einerseits und der Verankerung in den fluiden Genregrenzen der Wiener Unterhaltungskultur andererseits auf. Alma Rosé entstammte einer Künstlerfamilie, die eine herausragende Position im Wiener Kulturleben der Jahrhundertwende einnahm: Sie war die Tochter des Konzertmeisters der Wiener Philharmoniker, Arnold Rosé, der sich zudem durch sein kammermusikalisches Schaffen eine namhafte Stellung verschafft hatte. Gemeinsam mit seinem Bruder, dem späteren Cellisten des Weimarer Hoftheater-Orchesters, Eduard Rosé, gründete Arnold Rosé das erfolgreiche Rosé-Quartett. Mütterlicherseits war Alma Rosé die Nichte von Gustav Mahler. Ihr Bruder, Alfred Rosé, konnte sich insbesondere als Operndirigent etablieren und betätigte sich zudem kompositorisch. Die zwei Generationen der verschwägerten Familien zeichnen sich durch die Vielseitigkeit ihrer künstlerischen wie pädagogischen Berufe aus – Musik, Schauspiel, bildende Künste.
Die Wohnung der Rosés in der Pyrkergasse war einerseits ein Raum, der durch häusliche Musizierpraxis geprägt war, bewies aber andererseits auch eine große Offenheit für die Wiener Kulturkreise. Die Mutter, Justine Rosé, führte einen Salon, in dem Alma Rosé bereits im Kindesalter auf natürliche Weise in freundschaftlichen und professionellen Kontakt mit der kulturellen Elite der Stadt kam. Prominente Musiker:innen wie beispielsweise Rudolf Bing, Carl Flesch, Erica Morini oder Bruno Walter sowie die Familien Korngold, Röntgen, Rostal u.a. gehörten zum alltäglichen Umgang der Familie und bildeten ein stabiles Netzwerk, von dem Alma Rosé noch im Exil in London und Holland profitieren sollte.
In der zeitgenössischen Presse wurde der Name „Rosé“ nicht selten als Qualitätssiegel des künstlerischen Schaffens gehandelt und dem Dasein als Musikerfamilie somit eine besondere Relevanz zugeschrieben. Alma Rosés Wiener Debüt, bei dem ihr Vater sie begleitete, erregte besonderes Aufsehen: „man kann sich keinen schöneren Geigenzwiegesang denken als den zwischen Vater und Tochter“ (Die Stunde, 18.12.1926). Dass die Familienzugehörigkeit auch eine Bürde für die junge Geigerin gewesen sein könnte, wird zuweilen ebenfalls thematisiert. Zeitlebens wurden ihre künstlerischen Aktivitäten in Beziehung zu den Leistungen ihrer Verwandtschaft gesetzt, später auch zu denen ihres Ehemannes, dem tschechischen Geigenvirtuosen Váša Příhoda. In Selbstäußerungen brachte Alma Rosé aber auch ihre Dankbarkeit gegenüber „meinem Vater als Lehrer und der Atmosphäre meines Elternhauses“ (Neues Wiener Journal, 29.1.1930) zum Ausdruck.
Die Umbenennung des Instituts 17 der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien in „Alma Rosé-Institut für Streichinstrumente, Gitarre und Harfe in der Musikpädagogik“ markiert einen wichtigen Schritt, um Alma Rosé zu würdigen. Zeitgleich wurde die jüngere musikwissenschaftliche Forschung auf Alma Rosé aufmerksam: Zwei Dissertantinnen der Universität Wien und der mdw, Anna Rendl und Bettina Schuster, werden sowohl Alma Rosés Erfolge als Solo- und Ensemblekünstlerin in den Fokus nehmen als auch die Relevanz des Familialen in Rezeption und Erinnerungskultur der Künstlerfamilie Rosé untersuchen.