Gender | U  - Interdisziplinäre Online Ringvorlesung


 


Eröffnungsvortrag am 28.10.2024 um 18:15

Insa Härtel: Affekt im Vokabular des Triebs

Interessierte aller Disziplinen sind herzlich zur Teilnahme eingeladen

Die Ringvorlesung findet online statt unter:  https://t.ly/l8jGa

 


Alle weiteren Vorträge montags von 16:15 bis 17:45


04.11.2024

Wiltrud Hackl: Wasserfrauen und Begehren

Künstlerisch-wissenschaftliche Forschung

Das Bild der „Nixe“ ist vor allem in der Literatur der deutschen Romantik geprägt vom Klischee einer affektgeleiteten Entität, die als Mangelwesen und getrieben von der Sehnsucht nach heteronormativer Liebe bereit scheint, sich selbst aufzugeben. Wort für Wort genommen finden sich Phantasmen von Verlust und Angst allerdings eher aufseiten männlicher Protagonisten und entfaltet das Phantasma der Wasserfrau Exit- und Selbstermächtigungsstrategien - auch für Nichtwasserfrauen. Welche komplexen Gefühle entspinnen sich rund um Undine und die schöne Lau? Wen meinen und treffen die Worte der Wasserfrau und welches Begehren entwickeln sie?

Wiltrud Katherina Hackl forscht künstlerisch/wissenschaftlich im Rahmen ihres PhDs zu Konstruktionen von Weiblichkeit am Beispiel europäischer Wasserfrauenerzählungen ab dem 12. Jahrhundert. Sie hat experimentelle Gestaltung studiert und ist aktuell als Universitätsassistentin und Lehrende an der Abteilung Ästhetik und Pragmatik audiovisueller Medien an der Kunstuniversität Linz tätig.

 


11.11.2024

Dagmar Brunow: Home Movies archivieren. Über queere Lesbarkeit, Affekte und Ambivalenzen der Sichtbarkeit

Filmwissenschaft

Wie lässt sich queeres Wissen über Home Movies im Archiv produzieren, bewahren und vermitteln? In all ihrer Performativität sind Home Movies auch Momentaufnahmen queeren Lebens, und damit auch Spuren von Geschichte, Körperlichkeit, Begehren und Emotionen. Doch dieses Wissen, das in den seltensten Fällen im Filmmaterial explizit sichtbar oder hörbar wird, wird üblicherweise nur in einem kleinen Kreis beim gemeinsamen Anschauen produziert – wenn überhaupt. Wie lassen sich diese affizierten Spuren sammeln, bewahren und lesbar machen? Unter welchen Bedingungen lassen sie sich ins kulturelle Gedächtnis einschreiben? Anhand von internationalen Beispielen, z.B. dem Lesbian Home Movie Project (LHMP) und dem Swedish Archive for Queer Moving Images (SAQMI), entwickelt der Beitrag eine Ethik der archivarischen Care-Arbeit. Im Zentrum stehen dabei die Ambivalenzen der Sichtbarkeit des Archivierens in Hinblick auf Metadaten und Zugangsgestaltung.

Dagmar Brunow ist Professorin für Filmwissenschaften an der Linnéuniversität in Växjö (Schweden). Forschungsschwerpunkte: Dokumentar- und Essayfilm, kulturelles Gedächtnis, Zugangsgestaltung zu Filmarchiven, alternative Videopraxis sowie feministische und queere Filmkultur. Ihr Forschungsprojekt „The Lost Heritage“ (2021-24) stellt eine Laborsituation zwischen Filmarchiven zur nachhaltigen Rettung des Filmerbes her. Bücher: Remediating Transcultural Memory. Documentary Filmmaking as Archival Intervention (2015), Stuart Hall. Aktivismus, Pop & Politik (Hg., Mainz: Ventil 2015) und Queer Cinema (Hg. mit Simon Dickel, Mainz: Ventil 2018). Zuvor Literaturübersetzerin, davor Buchhändlerin.

 


18.11.2024

Rachel Etse: Unsichtbare Narben - Schwarze Menschen in Deutschland

Ethnologie

Im Jahr 2020 wurde die erste umfassende Studie namens "Afrozensus" unter Schwarzen, afrikanischen und afrodiasporischen Menschen durchgeführt. Mehr als 90% der Befragten gaben an, dass ihnen nicht geglaubt wird, wenn sie über rassistische Erlebnisse berichten.Dieser Vortrag behandelt die tiefgreifenden Auswirkungen von Rassismus auf Schwarze Frauen und Männer in der deutschen Gesellschaft. Ausgehend von Celina Bostics kraftvollem Song "Nie wieder leise" (2023) werden die Erfahrungen Schwarzer Menschen und die komplexen Emotionen, die mit dem Aufwachsen in einer rassistischen Umgebung einhergehen, beleuchtet. Diese reichen von Gefühlen der Ohnmacht, Wut und Trauer bis hin zur Verzweiflung, Einsamkeit und dem Gefühl des Nicht-Gesehen-Werdens. Dabei wird anhand intersektionaler Perspektiven untersucht, wie diese Erfahrungen das Selbstbild und soziale Interaktionen beeinflussen. Auch spielen koloniale Kontexte eine Rolle, die die Unsichtbarkeit Schwarzer Lebensrealitäten in der deutschen Gesellschaft weiterhin prägen.

Rachel Etse promoviert derzeit in Ethnologie an der JGU Mainz und forscht im Rahmen des DFG-Projekts "Policing als Kategorisierungspraxis" zur Beleidigungskultur im deutschen Männerfußball. Dabei stehen Fangemeinschaften und die Bereitschaftspolizei im Mittelpunkt ihrer Forschung. Nebenberuflich ist sie in der rassismus- und diskriminierungskritischen Bildungsarbeit für Unternehmen sowie für verschiedene Akteure im Fußballbereich tätig. 


25.11.2024

Marietta Kesting: In die Zwischenräume von Affekt und Politik hin(ein) hören

Medien-, Kunst- und Kulturwissenschaft

Spätestens seit Tina Campts "Listening to Images" (2017) und Fred Motens Schriften gibt es vielerlei Ansätze, welche die teilweise in der Rezeption vernachlässigte Soundebene von Fotografien und anderen Bildern mehr beachten. Insbesondere im Umfeld von #Black Lives Matter fallen zahlreiche künstlerische Arbeiten auf, bei denen die Tonebene höchst bedeutsam ist und die visuelle Ebene erweitert, um Affizierungen zu (de-)konstruieren und poetisch-politische Investments mit unterschiedlichen Sinnen, wahrnehmbar werden zu lassen.

Marietta Kesting, promovierte Medien- Kunst- und Kulturwissenschaftlerin, zuständig für Forschung am Institut for Cultural Inquiry ICI, Berlin und Lehrende am Institut für Künste und Medien an der Universität Potsdam. Aktuelle Arbeitsschwerpunkte: Immersion, Postkolonialismus und Medien; KI und Ko-Schreiben mit Maschinen; dokumentarische Methoden, Archive und künstlerische Interventionen. Zuletzt erschien: Human after Man, hg. zusammen mit S. Witzgall, diaphanes, Zürich, Berlin (2023: print in deutscher Sprache und 2024: e-book in englischer Sprache).

 


02.12.2024

Barbara Paul: Queer*ing Laughter. Wissen, Körper und Affekte

Kunstgeschichte 

Lachen beruht meist auf einem denormalisierenden Impuls. Ein Affekt artikuliert sich körperlich und wird wahrnehmbar, Autoritäten werden in Frage gestellt und Ordnungen purzeln durcheinander. Mein Fokus liegt auf einer künstlerischen Praxis, die ich queer*ing laughter nennen und aufgrund radikaler Neu-Aushandlungen als widerständig bezeichnen möchte. Ich frage, inwiefern Lachen, das in und mit künstlerischen Arbeiten evoziert wird, mikropolitisch das komplexe Verhältnis von Affekten, Körpern und eben auch Wissen mitgestaltet und zum queer*enden Verfahren der Kritik, Denormalisierung, Störung, Deterritorialisierung etcetera wird. Queer*ing laughter ist oftmals ambivalent, mitunter auch paradox, und wird anhand einschlägiger Arbeiten, etwa von Antonia Baehr, Lena Rosa Händle und Giegold & Weiß, analysiert. Welche Praktiken verwenden die ästhetisch-medialen Argumentationen? Welche queer*enden Imaginationen stellen sie zur Diskussion? Inwiefern wird der Rationalität als alleiniger Wissensmatrix eine Absage erteilt?

Barbara Paul: Professor*in für Kunstgeschichte an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg und stellvertretende Direktor*in des Zentrums für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung, 2013-2016 Sprecher*in des Helene-Lange-Kollegs „Queer Studies und Intermedialität: Kunst – Musik – Medienkultur“ und 2017-2020 Sprecher*in des Forschungsverbundprojekts „Geschlechterwissen in und zwischen den Disziplinen. Kritik, Transformation und 'dissidente Partizipation'“. Publikationen zuletzt u.a.: Betroffenheit. Praktiken der (Selbst-)Politisierung in Kunst und audiovisueller Kultur, Hg. mit Andrea Seier, Berlin, erscheint Juni 2024; Geschlechterwissen in und zwischen den Disziplinen, Hg. mit Corinna Bath und Silke Wenk, 2020; Perverse Assemblages. Queering Heteronormativity Inter/Medially, Hg. mit Josch Hoenes u.a., 2017.

 


09.12.2024 

Stephanie Höllinger: Das emotionale Geschlecht: Vernunft, Gefühl und Weiblichkeit.

Katholische Theologie

Bereits seit einigen Jahrzehnten ringen Forscher:innen verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen um eine neue Verhältnisbestimmung von Vernunft und Gefühl. Dennoch gelten Emotionen der breiteren (Alltags-)Auffassung nach oft weiterhin als Gegenpol, ja mitunter Störfaktor unserer Vernunft. Als a- bzw. irrationale Regungen hemmen sie – so nimmt man gemeinhin an – immer wieder rationale Abwägungen. Mit diesem dichotomen Verständnis von Vernunft und Gefühl verbinden sich im 19. Jahrhundert schließlich auch geschlechtsspezifische Zuschreibungen. Noch 1907 heißt es etwa in Meyers Großem Konversations-Lexikon: „[B]eim Weib behaupten Gefühl und Gemüt, beim Manne Intelligenz und Denken die Oberhand“. Doch wie steht es um diese Zuschreibungen heute – vor allem im Kontext katholischen Denkens? Wie und warum hält sich diese unheilvolle Verbindung von Gefühl und Weiblichkeit hartnäckig in kirchlichen Verlautbarungen? Worauf soll eine solche Dichotomisierung abzielen? Und inwiefern will die damit einhergehende (katholische) Idealisierung des „emotionalen Geschlechts“ umgekehrt ein alternatives Männlichkeitsbild prägen? Diesen und ähnlichen Fragen möchte sich der Vortrag widmen.

Dr. Stephanie Höllinger (*1989) arbeitet seit 2018 als wissenschaftliche Mitarbeiterin (PostDoc) am Lehrstuhl für Moraltheologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Neben ihrer Forschung zu Fragen der Sexualmoral und Beziehungsethik beschäftigt sie sich im Rahmen ihres Habilitationsprojektes mit der Gestalt, Funktion und Bedeutung von Emotionen für die theologisch-ethische Reflexion.

 


16.12.2024

Ulrike Hanstein: Carolee und ich: Anhänglichkeit und Archivarbeit

Kunst- und Medienwissenschaft

Die amerikanische Künstlerin Carolee Schneemann habe ich nie kennengelernt. ‚Carolee und ich‘ – das beschreibt meine leidenschaftliche Verbindung als Fan. In den letzten zwölf Jahren habe ich immer wieder in Archiven arbeitsbezogene Dokumente und persönliche Texte der Künstlerin recherchiert. In meinem Vortrag möchte ich den Zusammenhang zwischen Gender, Gefühlen sowie Ausrichtungen und Gründen des Handelns betrachten. Einerseits soll es um geteilte Gefühle, künstlerische Arbeitsprozesse und feministische Netzwerke gehen, die im Raum der Papiere in Schreibweisen und Texten überliefert sind. Andererseits möchte ich über die Rolle von Vertrautheit und imaginierter Nähe sprechen, die meine Archivrecherchen zu Fanarbeit werden lassen. Welche Wünsche, Empfindungen, Überzeugungen und Objekte der Emotion bilden sich beim Blättern und Lesen, Berühren und Beschreiben, Verknüpfen und Deuten von Archivmaterial? Mein Vortrag erkundet Berührungen und Übertragungen zwischen Texten und Körpern. Die leitende Frage ist, wie die Erlebnisqualitäten, verändernden Intensitäten und repräsentationalen Strukturen von Gefühlen Erfahrungen und Erkenntnisse in Forschungsprozessen formen.

Ulrike Hanstein ist Professorin für Kunst- und Medienwissenschaft an der Kunstuniversität Linz und leitet das VALIE EXPORT Center Linz _ Forschungszentrum für Medien- und Performancekunst. Nach dem Studium der Angewandten Theaterwissenschaft in Gießen promovierte sie an der Freien Universität Berlin. Sie hat in Weimar, Jena, Wien, Leipzig, Köln und Linz gelehrt. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind feministische Film- und Videopraktiken, Performance Art, Konzepte des Dokumentarischen, Theorien der Gegenwartskunst, Künstlerinnen-Archive sowie Modelle und Methoden der Mediengeschichtsschreibung.

 


13.01.2025 

Kea Wienand: Künstlerische Strategien dekolonialer Erinnerungsarbeit

Kunstwissenschaft

In meinem Vortrag bespreche ich das Fotobuch „Das Erbe“ der deutschen Künstlerin Anne Schönharting. Schönharting hat sich in dieser 2020 veröffentlichten Publikation erklärtermaßen kritisch mit der kolonialen Sammlung ihrer eigenen Familie auseinandergesetzt. In meiner Lektüre ihrer künstlerischen Strategien gehe ich der Frage nach, inwiefern es der Künstlerin gelingt, eine dekoloniale Erinnerung zu entwerfen. Bedeutend für Schönhartings Auseinandersetzung mit den Fotografien, Jagdtrophäen bzw. Tierpräparaten und anderen Objekten ist die Reflektion der Rolle, die dieser familiäre Besitz und dessen Repräsentation im halböffentlichen Raum des eigenen Zuhauses für die unterschiedlichen Mitglieder von Schönhartings Familie spielte. Zu diskutieren ist weiterhin, wie das Fotobuch die verschiedenen Dimensionen kolonialer Gewalt, die in den familiären Erzählungen über diese Objekte fast nicht vorkommen, verhandelt und an die Betrachtenden vermittelt. Zusammenbringen möchte ich meine repräsentationskritische und psychoanalytisch inspirierte Lektüre mit affekttheoretischen Ansätzen, um weitergehend über Möglichkeiten und Grenzen künstlerischer dekolonialer Erinnerungsarbeit nachzudenken – wohlwissend, dass meine Perspektive dabei eine begrenzte ist.

Kea Wienand, Kunstwissenschaftlerin, Lehrkraft für besondere Aufgaben an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Seit 2013 Redakteurin der Online-Zeitschrift FKW // Zeitschrift für Geschlechterforschung und visuelle Kultur. Schwerpunkte in Forschung und Lehre: post-/dekoloniale und queerfeministische Theorien, Kunst des 19.–21. Jahrhunderts, Erinnerungskulturen. Jüngste Publikation: Artistically Juxtaposed (Hi)stories: Hiwa K’s View from Above as a Multidirectional Memory Practice, in: Catherine Bublatzky u.a. (Hg.): Entangled Histories of Art and Migration, Bristol: INTELLECT (erscheint voraussichtl. 2024).

 


20.01.2024

Brigitte Bargetz: „Min Kamp“ als affektiver politischer Resonanzraum

Politikwissenschaft

Zwischen 2009 und 2011 veröffentlichte der norwegische Schriftsteller Karl Ove Knausgård das sechsbändige Werk „Min Kamp“, das in kürzester Zeit weltweit zum Bestseller wurde. Es ist ein radikal autofiktionales Werk, in dem sich Knausgård akribisch, detailliert und schonungslos seinem Alltag und den damit verbundenen Kämpfen und Verletzbarkeiten zuwendet. Aus gesellschafts- und geschlechtertheoretischer Perspektive trägt „Min Kamp“ damit zu einem umfassenderen Verständnis männlicher Subjektivierungsweisen und maskulinisierter Gefühlsordnungen bei; es hilft, die komplexen Konfigurationen hegemonialer Männlichkeit zu erfassen und wie diese in die Widersprüchlichkeiten männlicher Gewaltverhältnisse und Verletzbarkeiten eingebunden sind. Doch Knausgårds Ausführungen sind mehr als das. Seine Schilderungen einer Männlichkeit in Schmerz und Scham nähren zeitgleich den aktuellen Diskurs über eine Krise der Männlichkeit und Kämpfe um Remaskulinisierung. Damit können sie auch, so wird der Vortrag argumentieren, einen affektiven politischen Resonanzraum für rechtskonservative und autoritäre Kräfte eröffnen.

Brigitte Bargetz ist habilitierte Politikwissenschaftlerin und Projektleiterin des Forschungsprojekts „Neue Mitleidsökonomie und Affektive Staatlichkeit“ (mit Markus Griesser) an der WU Wien. Sie ist Mitherausgeberin der feministischen politikwissenschaftlichen Zeitschrift „Femina Politica“ und assoziierte Wissenschaftlerin im Netzwerk „MEDUSA Genders in Transition: Masculinities, Affects, and Bodies“ an der Universitat Oberta de Catalunya. Neuere Publikation: Das Persönliche = politisch = männlich? Remaskulinisierung und die paradoxe Neukonfiguration des Androzentrismus. In: Feministische Studien, 2023, 23 (2), 254-272, doi.org/10.1515/fs-2023-0026.

 


27.01.2024 

Cecilia Valenti: Dekolonialer Feminismus: Aktivismus, Archiv, Subalternität

Filmwissenschaft

«Activating the Archive», der Schwerpunkt der achten Ausgabe der jährlichen Eye International Conference im Jahr 2023 in Amsterdam, liest sich als Aufforderung, das Aktivistische und Archivarische zusammen zu denken und dabei das ‹Aktivieren› als transitives Verb zu betrachten, das das Bewegtbildarchiv als Gegenstand gesellschaftspolitischer Interventionen adressiert. Bei dieser Art des Aktivismus, definiert durch ihre Ausübung im Bild-Ton-Archiv, können die Ziele und Themen, für die sich Archivaktivist:innen einsetzen, ganz unterschiedliche sein. Die vielen Facetten eines näher zu bestimmenden aktivistischen Handelns im Bewegtbildarchiv haben jedoch etwas gemeinsam: den Willen zur Veränderung und diesen Willen der Öffentlichkeit durch den Widerstand gegen Regeln einer hegemonialen Archivpraxis auch zu zeigen. Im Zentrum meines Vortrags stehen historische wie aktuelle Schauplätze aktivistischer Archivarbeit zum globalen Filmerbe an der Schnittstelle von Theorie und Praxis. Methodisch knüpft der Vortrag an die Lehre des Feminismus und eines seiner zentralen Konzepte – das der Sorge – an und wendet es archivtheoretisch: Die eigentümliche Zeitlichkeit des Archivs, das Vergangene als Botschaft und Ressource für die Zukunft zu erklären, führt für den Feminismus nicht nur zur Frage, wann, wo und mit welchen Medien er sich und seine Geschichte selbst schreibt, sondern fordert auch dazu auf, den Diskurs der Selbst-Erhaltung, defensiv oder utopisch, erneut lesbar zu machen: im Archiv.

Cecilia Valenti ist Film- und Medienwissenschaftlerin und hat die Juniorprofessur für Filmwissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz inne. Ihre Dissertation Das Amorphe im Medialen: Zur politischen Fernsehästhetik im italienischen Sendeformat Blob ist 2019 im Transcript Verlag erschienen. Forschungsschwerpunkte sind die globalkritische Geschichte von Fernseh- und Filmarchiven, dekoloniale Filmhistoriografien und feministische Ethik. Gemeinsam mit Nikolaus Perneczky arbeitet sie derzeit an dem Sammelband Restitution and the Moving Image: On the Politics and Ethics of Global Audiovisual Archiving (Amsterdam University Press).