Visualitäten von Geschlecht in deutschsprachigen Comics
Projektleitung: Susanne Hochreiter
Projektteam: Naomi Lobnig, Marina Rauchenbacher, Katharina Serles, Marlene van der Werf
Fördergeber: FWF
Volumen: 57.215 Euro an der mdw
Forschungsstätten: Universität Wien & mdw - Universität für Musik und darstellende Kunst Wien
Website: https://gendercomics.net/
Ein Grundlagenforschungsprojekt, das die Bedingungen, Eigenschaften und Strukturen von Visualitäten von Geschlecht untersucht. Es ist die erste systematische Analyse deutschsprachiger Comics in diesem Umfang.
Repräsentationen von Geschlecht sind in Comics vielfältig und zeigen die substanzielle Bedeutung von Geschlecht als Strukturkategorie auf. Häufig wird bei diesem Thema etwa an Jerry Siegels und Joe Shusters idealisierten Kraftkörper Superman sowie an sexualisierte Weiblichkeitsdarstellungen des Superheld*innen-Genres wie Wonder Woman oder Catwoman gedacht. Das vorliegende Projekt widmet sich allerdings den zahlreichen Beispielen aus dem deutschsprachigen Raum: von Anke Feuchtenbergers und Katrin de Vries’ sich stets (de)formierenden Körpern der Hure H (1996–2007), über Ulli Lusts Kritik an Geschlechterrollen in Heute ist der letzte Tag vom Rest deines Lebens (2009), bis hin zu Regina Hofers abstrahierenden und verfremdeten Körperformen etwa in Blad (2018). Comics arbeiten mit etablierten Konzepten von Geschlecht bzw. arbeiten sich daran ab und weisen Körper als Träger kultureller Einschreibungen aus. Anhand von Einzeldarstellungen setzt sich die Comicforschung mittlerweile intensiv mit diesem Themenfeld auseinander; eine strukturierte Sammlung und Untersuchung der ‚Visualitäten von Geschlecht‘, auch um ihre soziokulturelle Produktivität genau fassen zu können, steht allerdings aus.
Das vorliegende Projekt leistet hierin zentrale Grundlagenarbeit, indem es die Bedingungen, Eigenschaften und Strukturen von Visualitäten von Geschlecht in deutschsprachigen Comics untersucht und durch seine Verortung an der Universität Wien und der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien zur Entwicklung der österreichischen Comicforschung beiträgt.
Der theoretische Referenzrahmen umfasst Literatur- und Bildwissenschaften, Visual Culture Studies und Gender, Queer und Intersektionalitäts-/Interdependenz-Forschung. Die Leitfragen lauten: Wie erzählen Comics, Geschlecht, Körperlichkeit, Sexualität und Begehren? Welche theoretischen, politischen und ästhetischen Traditionen verfolgen oder dekonstruieren sie? Wie (re)produzieren und stabilisieren sie binäre Geschlechternormen? Welche Möglichkeiten der Subversion oder des Bruchs solcher Normen bieten sie?
Susanne Hochreiter, Marina Rauchenbacher, Katharina Serles und Naomi Lobnig widmen sich diesen Fragen korrespondierend mit den drei zentralen Zielen des Projekts: Deutschsprachige Comics mit explizitem Gender-Bezug werden gesammelt und beschlagwortet. Die Ergebnisse werden erstens kommentiert und als Open Access-Datenbank einer breiten, internationalen Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Dabei werden interdisziplinäre Themencluster aufbereitet und ein Glossar wichtiger Begriffe verfasst. Zweitens werden in qualitativen, theoretisch geleiteten Einzelanalysen exemplarisch Auswertungen des Materials vorgenommen. Eine meta- und selbstreferenzielle Ebene wird eingezogen, um eine vertiefte und aktualisierte Theorie des Mediums Comic zu bieten sowie bisherige Comicforschung kritisch zu reflektieren. Drittens werden in einer Buchpublikation theoretische wie künstlerische Beiträge versammelt, um inhaltlich und formal innovative Zugänge einer deutschsprachigen Comicforschung zur Diskussion zu stellen. Der Ansatz des Bandes entspricht der engen Verflechtung von wissenschaftlicher und künstlerischer Arbeit in den Comics Studies und bietet ein innovatives Handbuchkonzept, das interessierte Leser*innen auch jenseits der Akademia gewinnen möchte.