Reihe 'Biographik. Geschichte – Kritik – Praxis'
Herausgegeben von Joachim Grage, Melanie Unseld und Christian Zimmermann
Köln (Böhlau) 2023
ISBN 978-3-412-52871-3
Mitglieder von Mäßigkeits- bzw. Abstinenzvereinen, die seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum aktiv waren, deklarierten das Trinken als Ursache praktisch aller Übel. Die soziale Ungleichheit, der moralische Zerfall sowie körperliche und psychische Krankheiten wurden fortan durch den Alkoholkonsum erklärt. Von dieser Antialkoholrhetorik blieb die Literatur nicht unberührt. So zeigen sich in vielen Lebensbeschreibungen trinkender Figuren Einflüsse des außerliterarischen Alkoholdiskurses. Oliver Käsermann untersucht solche Lebensbeschreibungen in 13 Novellen – von J. Gotthelf, A. von Droste-Hülshoff, Th. Storm, P. Heyse, A. Schnitzler u.a. – und rekonstruiert daraus ein übergeordnetes Erzählmuster, das er „Biographisches Narrativ der Trinkerinnen und Trinker“ nennt. Mit diesem Narrativ als Schnittstelle kann eine Methode zur Untersuchung des Verhältnisses zwischen literarischen und außerliterarischen Diskursen aufgezeigt und exemplarisch erprobt werden.
Köln (Böhlau) 2020
ISBN 978-3-412-51728-1
Unter dem Pseudonym La Mara veröffentlichte die aus Leipzig stammende Marie Lipsius im Herbst 1867 ihre ersten Artikel: biographische Skizzen über Robert Schumann, Frédéric Chopin und Franz Liszt. Ihre zahlreich folgenden Texte wurden zu populären Medien der Musikvermittlung, doch unter Fachkollegen provozierten sie die Frage, ob Biographien, noch dazu geschrieben von einer Frau, anerkannter Teil der Musikforschung sein könnten. Um Musikwissenschaft als universitäre Disziplin zu etablieren, waren Grenzziehungen nötig, die bis weit ins 20. Jahrhundert Bestand haben sollten: zwischen Werk und Leben, Komponist und Interpretin, Philologie und Kritik, Wissenschaft und Literatur.
Das Buch würdigt erstmals Lipsius’ Arbeit als Biographin, Editorin, Kritikerin und Schriftstellerin. Gleichzeitig öffnet ihre Biographie einen Blick in die Institutionalisierungsgeschichte der Musikwissenschaft.
Band 4
Carola Bebermeier:
Celeste Coltellini (1760–1828). Lebensbilder einer Sängerin und Malerin
Köln (Böhlau) 2015
ISBN 978-3-412-22526-1
Celeste Coltellini war im späten 18. Jahrhundert eine der gefragtesten und bekanntesten Sängerinnen der Opera buffa in Europa. Selbst aus dem gehobenen bürgerlich-intellektuellen Milieu stammend war sie 13 Jahre als Primadonna an verschiedenen europäischen Theatern engagiert, bevor sie 1792 in die wohlhabende neapolitanisch-schweizerische Familie Meuricoffre einheiratete. Illustre Persönlichkeiten der Zeit standen mit ihr in Kontakt und trafen sich in ihrem Salon. Carola Bebermeier setzt sich theoretisch und praktisch mit den Herausforderungen und Fragestellungen der Frauenbiographik auseinander. Als zentrale Quelle dienen ihr die zehn Skizzenbücher Celeste Coltellinis, die deren gleichwertige zeichnerische Begabung erkennen lassen. Mit einem eigenen biographischen Konzept gelingt es der Autorin, Erkenntnisse der neueren Biographikforschung in einer narrativen Form fruchtbar zu machen.
Köln (Böhlau) 2014
ISBN 978-3-412-22276-5
Grundlegende Veränderungen waren ausschlaggebend, um Musiker und Musikerinnen in das kulturelle Gedächtnis aufzunehmen: die Verbürgerlichung und zugleich Historisierung der Musikkultur, vor allem aber die damit verbundene Aufwertung als 'edle Tonkünstler'. So entstand im 18. Jahrhundert die Idee der Biographiewürdigkeit von Musikern und somit die Grundlage, diese durch das biographische Schreiben in die Erinnerungskultur aufzunehmen. Anhand verschiedener biographischer Medien beleuchtet die Autorin zum einen, wie unterschiedlich sich biographische Konzepte dann bis in die Gegenwart ausprägten, und geht zum anderen der ambivalenten Beziehung der Musikwissenschaft zur Musikerbiographik nach.
Band 2
Gesa Finke:
Die Komponistenwitwe Constanze Mozart. Musik bewahren und Erinnerung gestalten
Köln (Böhlau) 2013
ISBN 978-3-412-21082-3
Constanze Mozart entwickelte nach dem Tod ihres Ehemannes Wolfgang Amadé Mozart 1791 ein Selbstverständnis als Komponistenwitwe und machte sich die Nachlassverwaltung, das Sammeln, Bewahren und Vermitteln seiner Musik zur Aufgabe für den Rest ihres Lebens. Sie veranstaltete zunächst Konzerte in Wien, unternahm dann eine Konzertreise durch verschiedene Städte Europas. 1798 begann sie Verhandlungen um eine Gesamtausgabe seiner Werke. 1828 schließlich gab sie eine von ihrem zweiten Ehemann Georg Nikolaus Nissen verfasste Biographie heraus. Aus Sicht der kulturwissenschaftlichen Erinnerungs- und Genderforschung betrachtet die Autorin die Aktivitäten Constanze Mozarts und ihre Bedeutung als Nachlassverwalterin für musikkulturelle Prozesse. Sie beleuchtet dabei auch Aufgaben und Handlungsspielräume von Witwen in historischer Perspektive und zeigt die Veränderungen hin zu einer bürgerlichen Musikkultur um 1800, in der die Erinnerung an Komponisten und ihre Musik eine besondere Rolle spielte.
Köln (Böhlau) 2013
ISBN 978-3-412-20829-5
Auf welche Weise greifen Leben und künstlerisches Schaffen ineinander? Welche Rolle spielt die Persönlichkeit der Schaffenden bei der Vermittlung von Kunst, Musik und Literatur? Welche Funktionen haben Anekdoten in diesem Prozess? Und welchen Einfluss nehmen Künstlerbiographien auf Geschichtsschreibung und Kanonisierung? Die hier versammelten Beiträge aus Literaturwissenschaft, Geschichtswissenschaft, Komparatistik, Altertumswissenschaften, Anglistik, Skandinavistik, Kunstgeschichte und Musikwissenschaft geben unterschiedliche Antworten auf diese Fragen und gewähren dabei Einblicke in die aktuelle interdisziplinäre Biographieforschung.