Kulturbetriebs- und Musikwirtschaftsforschung
Kulturbetriebslehre steht an der Schnittstelle von mehreren sozialwissenschaftlichen und wirtschaftlichen Disziplinen wie Kunst-, Kultur- und Organisationssoziologie, Politikwissenschaften, Kulturökonomik, Betriebswirtschaftslehre und Kulturmanagement. Als Inter-Disziplin verfolgt die Kulturbetriebslehre das Ziel, den Kulturbetrieb „als historisch gewachsene, gesellschaftliche Organisationsform der Konzeption, Produktion, Distribution, Vermittlung, Rezeption, Konservierung und Erhaltung spezifischer Kulturgüter“ (Zembylas 2004, S. 13) bzw. die Produktion kultureller Leistungen sowie ihrer Transformation zu Waren zu untersuchen (Hasitschka et al. 2005; Zembylas und Tschmuck 2006, S. 7-14; Zembylas und Kirchberg 2010). Einschlägige Forschung in diesem Bereich findet an der mdw sowohl am Institut für Musiksoziologie als auch am Institut für Kulturmanagement, Kulturwissenschaften und Gender Studies statt (siehe auch Hasitschka 2018; Tschmuck 2020):
Den Kunstbetrieb als das Ergebnis des Zusammenwirkens mehrerer Instanzen analysiert Tasos Zembylas seinen in Publikationen. Dabei legt er den Fokus auf a) Recht und Politik, b) Markt, c) Ausbildungsinstitutionen, d) Berufsfeld und Professionalisierung, e) mediale Öffentlichkeit inkl. Kunstkritik sowie e) Institutionen der Präsentation, Vermittlung und Konservierung von Kunst (z.B. Zembylas 1995; 1997). Konsequenterweise plädiert er für situativen und kontextsensiblen Analysen (Zembylas 1996; 2001; 2004, S. 71-96, 135-146; Zembylas und Dürr 2009, S. 63-90). Zembylas ersetzt gängige interaktionistische, strukturalistische und funktionalistische Ansätze zu Gunst eines interdisziplinären und praxistheoretischen Zugangs (Zembylas 2004, S. 221-275; 2005a; 2005b; 2013; 2021).
Wertbildungsprozesse im Kulturbetrieb stellen ein weiteres Forschungsschwerpunkt. Mit einer musiksoziologischen Perspektive verbindet Michael Huber (2018) die Kulturbetriebslehre und Musikwirtschaftsforschung. Dabei argumentiert er, dass Beobachtung und Interpretation von sozialem Handeln, das zu Wertschöpfung führt, eine soziologische Perspektive auf Musikwirtschaft sei, ebenso wie die Frage nach der Wirkung von Regeln und Ressourcen auf die Entstehung, Entfaltung und Veränderung von musikwirtschaftlichen Praktiken, Institutionen und Wertungen. Tasos Zembylas untersucht ebenfalls die Rolle von Marktakteur*innen, Kunstkritiker*innen, Kurator*innen und Jurymitglieder im Kontext der öffentlichen Kunstförderung auf Wertbildungsprozesse (siehe z.B. Zembylas 1996; 1997; 2004, S. 205-219; 2019).
Für die institutionelle Verankerung der Kulturbetriebslehre war Tasos Zembylas mehrere Jahre im Vorstand des Fachverbands Kulturmanagement (https://www.fachverband-kulturmanagement.org/) tätig und wirkte als Mitherausgeber des Jahrbuch für Kulturmanagement bzw. später im Editorial Board der Zeitschrift für Kulturmanagement und Kulturpolitik/Journal of Cultural Management and Cultural Policy.
Literatur
Hasitschka, Werner (2018): Kulturbetriebslehre – Zur Dialektik von Kultur und Organisation, Wien: Locker.
Hasitschka, Werner/Peter Tschmuck/Tasos Zembylas (2005): “Cultural Institutions Studies: Investigating the Transformation of Cultural Goods”, in: The Journal of Arts Management, Law and Society, Vol. 35, Nr. 2, S. 147-158.
Huber, Michael (2018): „Die Ökonomie der musikalischen Praxis. Musikwirtschaft als Forschungsgegenstand der (Musik-)Soziologie“, in: Peter Tschmuck/Beate Flath/Martin Lücke (Hg.): Musikwirtschaftsforschung. Die Grundlagen einer neuen Disziplin, Wiesbaden: Springer VS, S. 137-157.
Tschmuck, Peter (2020): Einführung in die Kulturbetriebslehre, Wiesbaden: Springer-VS.
Zembylas, Tasos (1995): „Die Formation des Kunstbegriffs“, in: Kjell Johannessen/Tore Nordenstam (eds): Culture and Value, Kirchberg a. W.: Österreichische Ludwig Wittgenstein Gesellschaft, S. 292-299.
Zembylas, Tasos (1996): „Der Schein des Himmelslichts – eine Untersuchung über die Präsentation und Vermittlung von Gegenwartskunst am Beispiel einer Ausstellung in der Wiener Secession“, in: Mitteilungen aus dem Brenner-Archiv, Nr. 15, S. 61-75.
Zembylas, Tasos (2001): „Der Kontextbegriff als epistemologisches Problem“, in: Beate Burtscher-Bechter/Martin Sexl (Hg.): Theory Studies? Konturen komparatistischer Theoriebildung zu Beginn des 21. Jahrhunderts, Innsbruck: Studien Verlag, S. 233-243
Zembylas, Tasos (2004): Kulturbetriebslehre. Grundlagen einer Inter-Disziplin, Wiesbaden: VS-Verlag für Sozialwissenschaften.
Zembylas, Tasos (2005a): „Kulturbetriebslehre. Versuch einer kritischen Selbstbestimmung“, in Armin Klein/Thomas Knubben (Hg.): Deutsches Jahrbuch für Kulturmanagement 2003/2004, Baden-Baden: Nomos, S. 173-181.
Zembylas, Tasos (2005b): “Epistemology and Cultural Economics”, in: Homo Oeconomicus, Vol. 22/Nr. 3, S. 425-440.
Zembylas, Tasos (2013): „Die Bedeutung des Praxisbegriffs für die Kunstsoziologie“, in: Christian Steuerwald/Frank Schröder (Hg.): Perspektiven der Kunstsoziologie: Praxis, System, Werk, Wiesbaden: VS-Verlag, S. 149-163.
Zembylas, Tasos (2019): „Zur Kontextualisierung von Bewertungsprozessen“, in: Stefan Nicolae/Martin Endreß/Oliver Berli/Daniel Bischur (Hg.): (Be)Werten. Beiträge zur sozialen Konstruktion von Wertigkeit, Wiesbaden: Springer-VS, S. 171-194.
Zembylas, Tasos (2021): „Ludwig Wittgenstein und die soziologischen Praxistheorien: Versuch einer Interpretation“, in: Gregor Bongaerts/Christian Meyer/Rainer Schützeichel (Hg.): Praxistheorien in der Diskussion: Kontroversen, Kontraste und Konturen (5. Sonderband der Zeitschrift für Theoretische Soziologie), Weinheim: Beltz/Juventa, (im Erscheinen)
Zembylas, Tasos/Claudia Dürr (2009): Wissen, Können und literarisches Schreiben. Eine Epistemologie der künstlerischen Praxis, Wien: Passagen Verlag.
Zembylas, Tasos/PeterTschmuck (Hg.) (2006): Kulturbetriebsforschung. Ansätze und Perspektiven der Kulturbetriebslehre, Wiesbaden: VS-Verlag für Sozialwissenschaften.
Zembylas, Tasos/Volker Kirchberg (2010): „Introduction – Arts Management as a Sociological Inquiry”, in: The Journal of Arts Management Law and Society, Vol. 40, Nr. 1, S. 1-5.