Desmond Mark (Hg.):
Wem gehört der Konzertsaal?
Das Wiener Orchesterrepertoire im internationalen Vergleich.
Zur Frage des musikalischen Geschmacks bei John H. Mueller.
Schriftenreihe "Musik und Gesellschaft", Band 26
Verlag Guthmann & Peterson, Wien 1998.
Die zunehmende Historisierung des Repertoires der Symphonieorchester wirft eine Reihe von Fragen musiksoziologischer, musikästhetischer und nicht zuletzt auch musikpolitischer Natur auf. Der amerikanische Musiksoziologe John H. Mueller hat diese Thematik in seiner epochalen Arbeit über das amerikanische Symphonieorchester in den Mittelpunkt seiner Überlegungen gestellt, wobei er jene Faktoren dingfest zu machen suchte, welche Entstehung und Veränderung des Orchesterrepertoires beeinflussen, wie Dirigenten, Mäzene, Publikum, Konzertveranstalter, politische Ereignisse etc. In der vorliegenden Studie wird Muellers Methode der Repertoireanalyse auf die beiden führenden Wiener Orchester, die Wiener Philharmoniker und die Wiener Symphoniker angewandt und die dabei ermittelten, auch graphisch dargestellten Tendenzen des musikalischen Geschmacks mit Programmanalysen anderer Orchester in Beziehung gesetzt.
Aus der Darstellung der Werkschicksale von Komponisten im Repertoire, unter denen "Fixsterne" genau so zu finden sind wie "Sterne mittlerer Leuchtkraft", "kleinere Trabanten" und "erloschene Gestirne", ergibt sich ein spannendes Bild von Beständigkeit und Vergänglichkeit der Werke in der Gunst des Publikums. Schließlich stellt sich die Frage, wohin der Weg aus der sich immer stärker abzeichnenden Tendenz zur historischen Versteinerung des Orchesterrepertoires führen wird. Zum besseren Verständnis der Methode Muellers und seines wichtigen Beitrages zur empirischen Musiksoziologie werden bisher in deutscher Sprache unveröffentlichte Studien Muellers zur Musikrezeption und zum musikalischen Geschmack sowie eine provokante Auseinandersetzung mit dem Stilbegriff des Barock vorgestellt.