Interview des Monats März

 

Ulrike Haffa-Schmidt

geboren 1959 in Nürnberg

derzeit berufstätig als Musiktherapeutin in freier Praxis und auf der Palliativstation/Onkologie des Klinikum Nürnberg

1979 / 2019 (Fotos: privat)

Liebe Ulrike,

Du bist so jung wie die Musiktherapie. Entschuldige bitte die Frage: "Wie fühlt sich das an?"

Das fühlt sich sehr gut an: mit 20 Jahren habe ich in Wien mit der Musiktherapie begonnen und die nächsten 40 Jahre gerne als Musiktherapeutin gearbeitet. Ich glaube, das bleibt weiterhin so – ist doch der allerschönste Beruf der Welt!

Wie ist es eigentlich dazu gekommen, dass Du in Wien Musiktherapie studiert hast?

Von meiner älteren Schwester hatte ich gehört, dass es Musiktherapie gibt und mich sofort angesprochen gefühlt: Musik mit Menschen zu machen, ihnen dabei bei irgendwelchen Problemen (ich hatte keine rechte Vorstellung was das sein könnte) zu helfen und nicht den Schwerpunkt auf fehlerfreies Spielen, Technik und stundenlanges Üben zu verwenden – das hat mich angesprochen, und obwohl ich keine Informationen darüber hatte, war ich absolut sicher, dass das das Richtige für mich ist.

Wenn Du nicht Musiktherapie studiert hättest – was hättest Du stattdessen getan?

Einen Plan B gab es nicht, und wäre ich in Wien nicht angenommen worden, hätte ich mich wahrscheinlich bei irgendeinem Fach an der Uni eingeschrieben (Archäologie, Musikwissenschaft, Spanisch...??) und mich mit Reisen durch Südamerika, Straßenmusik oder Jobs auf die Suche gemacht.

Was bedeutet für Dich "Wiener Schule der Musiktherapie" heute?

Ein paar Stichworte: Paukenpartnerspiele, hohes musikalisches Niveau, Aktive Musiktherapie, Einzel-Lehrtherapie für Studierende, intensive Reflexion über Improvisationen, eigene Haltung und Gegenübertragung, fundierte Ausbildung.

Zu Deiner musiktherapeutischen Arbeit bzw. zu Deinem musiktherapeutischen Handwerk: Gibt es da immer noch etwas, das aus Deiner Ausbildung stammt und sich nie/kaum verändert hat? 

Wir haben während des Studiums sehr viel über Improvisation gelernt, viele therapeutische Improvisationen ausprobiert und das im Kurs und in freien Zeiten mit Freude und Leidenschaft miteinander geübt. Diese Leidenschaft beim Improvisieren ist mir über die ganzen Jahre geblieben.

Und umgekehrt: Was aus Deiner Ausbildung hast du schnell verworfen bzw. was hat sich als nicht alltagstauglich innerhalb Deiner Arbeit erwiesen?

Spontan fällt mir da nichts ein. 1979 war die Musiktherapie noch ein wirklich überschaubares Gebiet: Alle Bücher, die zur Musiktherapie erschienen waren (gefühlt vielleicht 10) hatten wir gelesen und das, was wir lernten war – so sehe ich es jetzt – eine kleine Grundlage, auf der jeder und jede von uns den eigenen Weg und die eigene therapeutische Entwicklung vorantreiben konnte.

Wie ist das in Deiner Ausbildungsgeneration: trifft man sich noch immer, weiß man voneinander oder ist man etwa befreundet?

In unserem Jahrgang 1979 begannen 12 Studierende, von denen 8 den Abschluss gemacht haben. Wir haben noch Kontakt untereinander, treffen uns alle 5 Jahre und freuen uns jedes Mal aufs Singen miteinander.

An welche Anekdote aus Deiner Ausbildungszeit erinnerst Du Dich besonders gerne (oder besonders ungerne)?

Bei Frau Prof. Schneider hatten wir Rhythmikunterricht und auch Praktikum in einer heilpädagogischen Einrichtung. Wir hospitierten bei ihren – wirklich meisterhaft strukturierten und kreativ durchgeführten – Rhythmikstunden und eine nach der anderen sollte nun auch eine Einheit mit meist vier geistig- und körperlich behinderten Kindern durchführen. Hierbei gab es viel zu beachten und vorzubereiten: Begrüßungs- und Abschiedslied, Übungen im Kreis, Verantwortung an die einzelnen Kinder übertragen, das Einführen eines Materials,  der Wechsel von aktivierenden und ruhigen Phasen, etc. ... also für uns alle war das ein Megastress. Ich jedenfalls war glücklich, dass ich die Stunde vor Ostern bekommen hatte und schon mal mit dem Material- ich hatte mit hartgekochte Eier überlegt – keine Schwierigkeiten haben würde. So begann ich mit meinen buntbemalten Eiern die Stunde, doch kaum hatte ich mein „Material“ an die Kinder verteilt, waren sie schon geschält und verspeist und meine Supervorbereitung dahin. Improvisationstalent war in diesen Stunden leider nicht erwünscht sondern es hagelte jede Menge Kritik.

Diese Stunden haben uns noch jahrelang beschäftigt und wir haben Tränen gelacht über die Pannen und Missgeschicke, die jedem von uns passiert sind.

Zurückblickend, wie denkst Du heute über Deine Musiktherapie-Ausbildung in Wien? Würdest Du sie noch einmal absolvieren? Oder würdest Du sogar Deinen Kinder zu dieser Ausbildung raten, wenn sie Dich fragen würden?

Mir hätte nichts Besseres passieren können. Diese Ausbildung mit wenigen Studierenden und persönlichen Kontakten zu unseren Professoren hat mir gut getan. In Wien hatte ich eine intensive Zeit weit weg von zu Hause mit jeder Menge schöner, neuer, verrückter und berührender Erfahrungen und Begegnungen.

Ich habe tatsächlich meiner Tochter zu dem Studium geraten, aber Kinder machen halt nicht immer was die Eltern wollen.

Wie lauten Deine Wünsche an das Geburtstagskind "Musiktherapie-Ausbildung in Wien"?

Herzlichen Glückwunsch zum 60. Geburtstag und ein langes, lebendiges und erfülltes Leben.