Was heißt Sonnenuntergang auf Finnisch?

Helsinki :p

Eigentlich heißt Sonnenuntergang auf Finnisch “Auringonlasku”, so viel habe ich gelernt.

Mein Semester an der Sibelius Akademie in Helsinki liegt mittlerweile zwei Jahre (WS 2014/15) zurück und doch sind viele Erinnerungen so präsent, als wäre es gestern gewesen. Um die Erinnerungen ein bisschen zu strukturieren, unterteile ich sie in die Kategorien “Studieren an der Sibelius-Akademie – Yliopisto”, “Das Essen – Ruoka” und “Mein Leben in Finnland – Elämäni suomessa”. Dieser Blog richtet sich ja in erster Linie an Studierende, die auf der Suche nach einer geeigneten Erasmusdestination sind.

Zunächst aber kurz zu meiner Motivation, im Wintersemester ins kalte, dunkle Finnland zu ziehen: Ich wollte das Violinkonzert vom finnischen Nationalkomponisten Jean Sibelius lernen. So wie viele wegen Mozart nach Wien oder Salzburg kommen, ging ich eben wegen Sibelius nach Finnland. Zusätzlich wollte auch ich vom hochgepriesenen Bildungssystem profitieren. 😉

Sibelius Denkmal
Sibelius Denkmal

Studieren an der Sibelius-Akademie – Yliopisto

Organisation

Wow. Einfach nur wow. Die Organisation und Bürokratie der Siba funktioniert! Und sie funktioniert so einfach und problemlos, dass man als österreichische Studentin gar nicht weiß, wie einem geschieht. Allein deswegen ist Erasmus in Helsinki empfehlenswert!

Die Siba erstellte zusätzlich schon in den Sommerferien eine eigene Facebook Gruppe, zu der alle Incomingstudents hinzugefügt wurden. Sie war vor allem für die Wohnungssuche hilfreich (und natürlich um ein bisschen zu schauen, wer sonst noch nach Helsinki kommt). Ansonsten erfuhr man während den “Welcome Days” alles, was man über die Siba und Helsinki wissen musste und wurde dann in kleinen Gruppen einer Tutorin/ einem Tutor zugewiesen, der/die dann übers Semester verteilt Treffen organisierte. (Kiitos tuhannesti rakas Sonetta!) Ich habe mich wirklich herzlich empfangen gefühlt.

Üben

Das Semester stand für mich im Zeichen des regelmäßigen und vielen Übens, weil ich in Wien von verpflichtenden Nebenfächern oft zu sehr vereinnahmt wurde. Dementsprechend kam es mir einerseits sehr entgegen, dass das Universitätsgebäude “N-Talo” mit einem elektronischen Schlüssel Tag und Nacht zugänglich ist und ich 200 Meter daneben wohnte. Andererseits kam mir entgegen, dass der Alkohol so teuer war, dass ich gerne ein Semester +/- darauf verzichtete.

Es gibt an der Siba zusätzlich zu den unübertrefflichen Öffnungszeiten ein Online-Reservierungs-System, durch welches man eine Woche im Voraus, 10h pro Woche, ein Übezimmer reservieren kann. Auch das dient dem effizienten, produktiven Üben.

Kauppatori Statue
Moderne Kunst am Kauppatori (ja, die Statue pinkelt ins Meer!)

Besonderheiten der Siba

  • Die Mensa:
    In der Mensa bekommen Studierende um € 2,60 das Mittagsmenü, das einen Teller einer Hauptspeise und unbegrenzt Brot mit Butter und Salat vom Salatbuffet umfasst. Dazu darf man sich ein Glas mit einem besonderen Getränk nehmen (die Finnen trinken zum Essen gerne Milch oder ein spezielles Getränk namens Kotikalja) und ein zweites Glas für Wasser. Ihr merkt schon – gesunde, ausgewogene Ernährung ist in finnischen Bildungseinrichtungen fest verankert. Süße Hauptspeisen existieren in Finnland (zumindest in öffentlichen Mensas) nicht.
  • Die Englischkenntnisse:
    Es gibt ausgeschilderte Kurse, die in Englisch gehalten werden. Ich habe mich interessehalber dennoch für einen Solfègekurs angemeldet, der offiziell auf Finnisch hätte sein sollen. Nachdem die Professorin aber herausfand, dass ich kaum etwas verstehe, wechselte sie auf Englisch, fragte die anderen Studierenden kurz, ob es “eh ok” sei, wenn sie auf Englisch vorträgt und hat den Rest des Semesters souverän auf Englisch unterrichtet. Auch in anderen Situationen habe ich immer wieder erfahren, wie gut die Finnen Englisch können. Nichtsdestotrotz habe ich einen Finnischkurs besucht und mir die Basics angeeignet. Das Klischee, dass Finnisch eine wahnsinnig schwierige Sprache ist, die sogar den Status “unerlernbar” hat, konnte auch ich nicht widerlegen. Viel Glück beim Probieren und beim grammatikalisch richtige Sätze bilden! 😉
  • Sauna:
    Ja, auch im Musiikkitalo, einem Universitätsgebäude und Konzerthaus, gibt es eine Sauna, die auch Studierende benützen dürfen.
Dom am Senatsplatz
Der traumhaft schöne Dom am Senatsplatz in Helsinki

Das Essen – Ruoka

Fremdes Land – fremdes Essen. Fremd heißt aber nicht automatisch schlecht. Ich habe während dieses Semesters Lachs und andere frische Fischsorten lieben gelernt. An frisch gefischtem Fisch kann nicht mal Fischers Fritz was aussetzen.

Und hier noch meine Top 5 der finnischen Spezialitäten:

  1. Dallaspulla ist ein süßes Gebäck mit einer Art Vanillefüllung, das meiner Meinung nach die heimischen (österreichischen) Backwaren in den Schatten stellt. Unbedingt probieren!
  1. Mämmi ist ein malzhaltiger Brei, der vom Aussehen entweder ein bisschen nach Schokolade oder einer anderen, eher stinkenden Substanz aussieht, im Geschmack aber überzeugt es. Die Finnen essen es mit Milch oder Schlagobers und ein bisschen (wirklich nur ein bisschen) Zucker. Gegessen wird Mämmi nur um die Osterzeit. Ich hatte dank einer Tiefkühlversion das Glück, Mämmi auch schon vor Weihnachten probieren zu können.
  1. Glögi ist die finnische Version von Glühwein und schmeckt richtig gut!
  1. Karjalanpiirakka (ja, lies es genau und versuch es auch auszusprechen und dir zu merken!) ist ein typisch finnisches Gebäck, das einen sehr neutralen Geschmack hat. Es ist nicht süß, aber auch nicht wirklich salzig. Es hat aber eine feine Konsistenz und schmeckt gut. Die Füllung besteht aus ungesüßtem Milchreis. Dazu wird oft Eibutter gegessen.
  1. Ruisleipä ist steinhartes, komplett trockenes Roggenbrot und gehört eigentlich nicht auf diese Liste. Da es jedoch neben Kartoffeln das Grundnahrungsmittel der Finnen zu sein scheint, fühle ich mich verpflichtet, es zu erwähnen. Zugegeben, an die Härte des Brots gewöhnt man sich mit der Zeit und geschmacklich ist es schon fein! 😉

Desserts

Mein Leben in Finnland – Elämäni Suomessa

Ich habe die vier Monate in einer sehr lieben, internationalen Musiker-WG gewohnt, gemeinsam mit einem italienischen Stefano, einem portugiesischen Antònio und einer schwedischen Sunniva. Mein Zimmer war nicht mehr als eine Abstellkammer ohne Fenster und ohne Tür, aber mit Regal an der Wand alias Kleiderschrank, einem Bett und einem Vorhang statt Tür. Das Gute am fensterlosen Zimmer war, dass ich mich am Morgen nicht daran stören konnte, dass es draußen ja noch dunkel war und einfach aufstand, sobald der Wecker klingelte. Viele Studierende beschwerten sich, dass es ihnen so schwerfällt, aufzustehen, obwohl sie eh schon Vitamin D-Tabletten schluckten. Der finnische Winter zieht wirklich nicht spurlos an einem vorbei, aber für mich war die Zeit dort zu kurz, als dass ich an Heiterkeit verloren hätte.

Porvoo
Porvoo, die charmanteste Stadt

Trotz der intensiven Übephase fuhr ich an einem Wochenende mit vier anderen Erasmusstudierenden mit dem Auto quer durchs Land. Wir waren in Porvoo, einer zauberhaft idyllischen Stadt (diese Stadt ist wirklich einen Besuch wert!), in Tampere, einer Stadt, in der Industrie eine wesentliche Rolle spielt, in Turku, wo das Sibelius Museum alle wichtigen Informationen über den finnischen Nationalkomponisten gibt, in Rauma, einer ähnlich süßen, idyllischen Stadt wie Porvoo und in Naantali, wo wir versehentlich in der bereits geschlossenen Moominworld landeten. Und obwohl wir dort nur ein Subway-Sandwich aßen, kann ich behaupten auch in Nokia, der Stadt in der Nokia gegründet wurde, gewesen zu sein. 🙂

Hauswand in Rauma
Hauswand in Rauma

Ein zweiter Tagesausflug führte mich und einen anderen Erasmusstudenten mit der Fähre in 2,5 Stunden nach Tallinn, der estnischen Hauptstadt. Auch dieser Ausflug ist mir in sehr guter Erinnerung geblieben und ich bin froh, dass ich mich an diesem Tag gegen das Üben entschieden habe.

Portrait vor Tor

Zu meiner fixen wöchentlichen Routine gehörte Fußballspielen mit den Clavisleuten am Sonntag (Clavis ist das Studentenheim der Siba. Cool, aber schwer, ein Zimmer zu bekommen) mit anschließendem hauseigenen Saunagang. Was ich sonst noch sehr empfehlen kann ist die UNISport Karte, die durch ihr sehr gutes Preis-Leistungsverhältnis punktet.

Seurasaari
Der weiße Steg von der Seurasaari

Helsinki liegt am Meer, weshalb es auch einen schönen Strand gibt und zwei ganz besondere Inseln ganz in der Nähe. Meine Lieblingsinsel heißt Seurasaari und ist über einen weißen Steg zugänglich. Die zweite berühmte Insel um Helsinki ist Suomenlinna und war ursprünglich eine Festungsinsel. Sie ist mit einem öffentlichen Bootstransport erreichbar.

Suomenlinna
Versteckte Hobbithäuser auf Suomenlinna?

Wenn man sich entschließt, ganz alleine in ein fremdes Land zu ziehen, besteht natürlich die Gefahr, viel alleine zu sein und sich auch so zu fühlen. Ich hatte das große Glück, bereits am ersten Welcome-Tag Marielle kennenzulernen, ebenfalls eine Geigerin und meine allerwichtigste Bezugsperson in diesem Semester. Auf Erasmus schließt man schnell mehr oder weniger oberflächliche Bekanntschaften, woraus nur in seltenen Fällen eine langjährige Freundschaft wird. Ich kann behaupten, mit Marielle eine Freundin fürs Leben gefunden zu haben!

Marielle Besuch
Marielle bei mir zu Besuch in Feldkirch

Auch sehr dankbar bin ich meinen Eltern, meiner besten Freundin Susi sowie Hannah und Lisa, die mich während meines Aufenthalts besucht haben.

Finnland – Suomi

Ich könnte jetzt noch lange über die Natur Finnlands, über die Kälte und Dunkelheit im Winter, die Saunakultur, über Mökki, die finnischen Erdbeeren, über den Alkoholkonsum der Finnen, über Vappu, die Religion, Klischees der Finnen und Identität stiftende Dinge der Finnen schreiben. Auch über Musik, Kunst und Kultur gäbe es noch Erwähnenswertes.

Sibelius Denkmal
Sibelius Denkmal

Um euch aber nicht alles vorzukauen, belasse ich es dabei und hoffe, das Interesse für den Norden geweckt zu haben und dass jeder einmal die Chance hat, dieses besondere Land und Volk kennen zu lernen, das übrigens dieses Jahr (2017) seine 100-jährige Unabhängigkeit feiert.

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