Persönliche Erfahrungen mit dem Erasmusprogramm, Teil 1
Dies ist der 1. Teil meiner Erfahrungen mit dem Erasmusprogramm 2014 – 2017. Hier geht es zum 2. Teil: https://mdw.ac.at/internationalblog/2018/01/03/porto-helsinki/
Die Universität für Musik und darstellende Kunst Wien bekommt und schickt eine große Zahl von Studierenden und Lehrenden in die ganze Welt. Die Mobilität in Europa wird von der EU mit dem Erasmusprogramm finanziert, das von vielen Studierenden genützt wird. Neue Horizonte des Lernens öffnen sich und eine kosmopolitische Art der Denkweise und der Kommunikation wird erworben.
Dank meiner persönlichen Erfahrungen durch Besuche an verschiedenen Europäischen Universitäten kann ich bestätigen, dass dieses Programm eine der besten Ideen ist, die je zur Umsetzung gelangt sind. Sowohl Studierende als auch Lehrende erhalten die Möglichkeit auf zahlreiche Kontakte und können viel dadurch lernen, sei es von KollegInnen oder von Studierenden an anderen Universitäten.

In jedem Land liegen die inhaltlichen Schwerpunkte bei anderen Themen, je nach der jeweiligen kulturellen und musikalischen Tradition des Volkes, der Mentalität, der Fähigkeit des Aufnehmens und dem System des Unterrichts. Ein Talent kann sich nicht von sich aus selbst entwickeln ohne das richtige Umfeld und den passenden Lehrer. Der Gedankenaustausch mit den KollegInnen über technische, musikalische oder pädagogische Themen bereichert das eigene Wissen und gibt Anstoß zu neuen eigenen Ideen.
Durch meine Aktivitäten bei Erasmus konnte ich einige Studierende aus Italien und England animieren, für ein Semester nach Wien zu kommen. Manche davon wollen bleiben, um an der mdw das Masterstudium zu besuchen. Hier möchte ich nun zwei meiner interessanteren Erasmus-Erfahrungen vorstellen:
Kopenhagen, Dänemark, 8. – 15. November 2014
In Herbst 2014 sind wir mit meinem Klassenkorrepetitor und Kollegen Stephen Delaney in Kopenhagen angetroffen. Wir waren eingeladen, eine Woche lang am Königlichen Konservatorium (Det Kongelige Danske Musikkonservatorium) einen Meisterkurs in Gesang zu geben.
Es war ein November mit mildem Wetter, wie die Dänen es beschrieben haben: 12° Celsius, bewölkt, regnerisch und windig. Am Montag früh sind wir von der Abteilungsleiterin empfangen und durch das Haus in die verschiedenen Abteilungen und Konzertsäle geführt worden. Das Gebäude gehörte früher dem Rundfunk – seit dem dem Umzug ins neue Haus wanderte es in den Bestand des Konservatoriums über. Die Konzertsäle sind großartig mit allen möglichen Ausstattungen. Das Aufnahmestudio eignet sich ideal für das Tonmeisterstudium.
Der Meisterkurs
Anschließend lernten wir die Professoren und Studierenden kennen, die am Unterricht teilnehmen wollten. Es gab 24 Anmeldungen von Bachelor- und Master-Studierenden. Die meisten kamen aus den skandinavischen Ländern, aber auch aus anderen Länder Europas, der USA und Kanada. Alle hatten wunderschöne und kräftige Stimmen mit hoher Musikalität und Begabung.

Der Unterricht hat sich auf die Interpretation und Stimmtechnik von Arien aus zehn verschiedenen Mozart-Opern fokussiert. Wir unterrichteten von 10.00 bis 16.00 Uhr. Zu Mittag trafen wir uns mit Studierenden und Lehrenden in der Kantine in einer angenehmen, kollegialen Atmosphäre.
Der Unterricht war sehr intensiv und konstruktiv. Die Studierende konnten unseren Anweisungen gut folgen und ihr Fortschritt in Mozartstil und Interpretation wuchs Tag für Tag.
An zwei Abenden haben wir die Oper besucht und hörten ausgezeichnete Interpretationen von G. Puccinis Tosca und von Schostakowitschs Lady Macbeth. Das neue Opernhaus, ein architektonisches Juwel aus Glas, ist am Meer gebaut. Wunderschöne Foyers mit Bars umranden das Haupttheater, in das Stiegen und Brücken hinein führen.

Vor allem für ausländische Studierende ist es wichtig zu erwähnen, dass es sehr gut möglich ist, das Studium in Kopenhagen auf Englisch zu absolvieren. Das Niveau ist sehr hoch, was mein Kollege und ich nicht nur anhand des Gesangs festgestellt haben, sondern vor allem beim großen Jahreskonzert am 14. November unter Anwesenheit von Königin Margrethe. Das Niveau des Orchesters und der Solisten war sehr professionell.

Es gibt eine enge Zusammenarbeit zwischen Königlichen Konservatorium und Oper. Die Gesangsstudierenden haben die Möglichkeit, im Chor aufgenommen zu werden, um Bühnenerfahrung zu sammeln. Die Besten von ihnen bekommen kleine Rollen als Solisten in verschiedenen Produktionen. Viele beginnen so ihre Gesangslaufbahn. Das Königliche Konservatorium und die Oper stehen unter dem Schütz von Königin Margrethe.
Der Meisterkurs endete am Freitag mit einem Probe-Vorsingen. Wir haben die angetretenen Studierenden beurteilt und sie über das richtige und passende Repertoire für die jeweilige Stimme und Persönlichkeit beraten. Musikalische und technische Tipps ergänzten unsere Ratschläge und haben hoffentlich dazu beigetragen, die Studierenden ihren Zielen ein Stück weit näher zu bringen.
Am Samstag hatten wir frei und nützten die Zeit, um Kopenhagen zu besuchen, eine kleine, aber sehr interessante und geschichtsträchtige Stadt. Natürlich durfte auch der Besuch der kleinen Meerjungfrau nicht fehlen.
Triest, Italien, 15. – 22. März 2015
Im März 2015 reisten meine Klassenkorrepetitorin und Kollegin Mami Teraoka und ich zusammen nach Triest. Wir hatten eine Einladung vom Conservatorio di Musica Giuseppe Tartini zu einem Meisterkurs in Lied mit Werken von unter anderem F. Schubert, R. Schumann und J. Brahms.

Die Kollegin und Leiterin der Gesangsabteilung, Frau Rita Susovsky, hat uns vom Flughafen abgeholt und ins Hotel gebracht. Am Abend waren wir bei ihr zum Abendessen eingeladen und haben alle Informationen für den Ablauf des Kurses erhalten.

Am Montag, den 16. März 2015, trafen wir uns mit den Studierenden im Neuklassizistischen Palais des Konservatoriums, welches 1903 gegründet wurde. Zu meiner Überraschung stammten die meisten Studierenden aus dem europäischen Ausland sowie aus Asien – es waren nur sehr wenige Italiener darunter! Aufgrund der Wirtschaftskrise studieren weniger junge Italiener Musik, da die Chancen auf eine Stelle sehr gering sind und ein Theater im Land nach dem anderen zusperren muss. Auch die ehemals großen Orchester lösen sich nach und nach auf.
Der Meisterkurs
14 Studierende aus dem Bachelor- und Master-Studium haben sich für den Meisterkurs angemeldet. Der Unterricht fand jeweils tagsüber mit einem anschließenden Konzert der Teilnehmer statt. Das vorbereitete Repertoire war sehr interessant. Professorin Susovsky, die auch Pianistin ist, wählte dafür hauptsächlich unbekannte Brahms- und Wolf-Lieder aus. Den Schwerpunkt des Unterrichts bildeten die Textdeutung und Aussprache, obwohl Musikalität und Technik nicht zu kurz gekommen sind. Das Abschlusskonzert fand im Barocksaal des Konservatoriums mit großem Erfolg statt. Vom jungen Sänger über die Lehrer bis hin zum Publikum des ausgebuchten Saals haben alle die Darbietung genossen.

Am Mittwoch haben wir einen Ausflug mit Frau Susovsky und einigen Studierenden gemacht. Wir besuchten unter anderem das wunderschöne Palais Miramare, ein Symbol der österreichischen Monarchie, das in die Geschichte des Landes eingegangen ist. Während dieser Zeit stellte Triest den wichtigen österreichischen Hafen am Mittelmeer dar. In einem nahe gelegenen Restaurant am Meer haben wir die italienische Küche mit den verschiedensten Fischspeisen genossen.

Triest bleibt etwas entfernt vom restlichen Italien dank der Mischung aus österreichischer und italienischer Kultur. Dafür ist die Stadt sehr authentisch, fernab vom oftmals üblichen Massentourismus. Es ist eine alte Stadt mit archäologischen Ausgrabungen, vielen interessanten Kirchen und einem wunderschönen Blick aufs Meer.

Es gibt ein Opernhaus, in dem regelmäßig Vorstellungen gegeben werden. Die jungen Musiker haben viele Möglichkeiten, in Kirchen und Konzertsälen Darbietungen zu geben. Um realistische Chancen für eine Karriere zu haben, müssen sie allerdings nach Rom oder Milano gehen, wo sie mehr Möglichkeiten für ihre Entwicklung und Karriere vorfinden.