GASTVORTRAG BRUNO NETTL (USA)
Musik der nordamerikanischen Ureinwohner als Forschungsgegenstand
und immer wieder kehrende Fragen
In Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Nationalkomitee im ICTM und
dem Institut für Volksmusikforschung und Ethnomusikologie
an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien
Donnerstag, 28. Mai 2009
Beginn: 14.30 Uhr
Fanny Hensel-Mendelssohn-Saal
an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien,
3., Anton-von-Webern-Platz 1
Die Musik der nordamerikanischen Ureinwohner als Forschungsgegenstand durchzieht die Fachgeschichte der Ethnomusikologie von ihren Anfängen an. Jesse Walter Fewkes machte 1889 Tonaufnahmen und die Studie von Carl Stumpf „Lieder der Bellakula-Indianer“ entstand 1886. Die Attitüde der Forscher war damals von Eurozentrismus und Exotismus geprägt. Die Zugänge haben sich bis heute wesentlich gewandelt, was den Veränderungen im Fach aber auch der Bürgerrechtsbewegung der Native Americans zuzuschreiben ist. Bruno Nettl, der u.a. bei George Herzog studierte, wurde schon sehr früh in seiner studentischen Laufbahn mit dem Thema konfrontiert und hat sich seither kontinuierlich damit auseinandergesetzt.
Dieser Vortrag beschäftigt sich mit drei Fragestellungen, die für die ethnomusikologische Beschäftigung mit der Musik der Ureinwohner der USA von Anfang an relevant waren. Jede einzelne wird aus der persönlichen Erfahrung des Vortragenden heraus behandelt.
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Interpretation von Rhythmus und sein Verhältnis zur Form: Dazu werden Beispiele eines Araphao Wolf Tanzes und eines Peyote Liedes der Kiowa präsentiert.
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Indigene Konzepte zur Entstehung von Musik und Liedern: Hier wird der zentrale Mythos der Blackfoot als Illustration verwendet.
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Der Begriff Authentizität: Die Rekonstruktion der Geschichte eines interkulturell verwendeten Liedes in der 2 Hälfte des 20. Jahrhunderts dient hier als Beispiel.
Bruno Nettl ist eine der wichtigsten Persönlichkeiten des Faches weltweit. Er wurde 1930 in Prag geboren und flüchtete mit seiner jüdischen Familie 1939 in die USA. 1953 beendete er seine Dissertation über die Musik der „American Indians“ in Nord-Mexico. Seit 1964 lehrt er an der University of Illinois in Urbana-Champaign, seit 1992 als Prof. emeritus. Er ist der Träger zahlreicher Ehrendoktorate und hat an über 75 Universitäten weltweit unterrichtet.
Als wesentlicher Impulsgeber hat er die Geschichte des Faches mitgeprägt, außerdem fungiert er als Zeitzeuge. Seine Definitionen haben das Verständnis von Ethnomusikologie mehrer Generationen von Studierenden beeinflusst. Seine Publikationen sind Pflichtlektüre weltweit.
Es ist uns eine große Ehre, einen Doyen des Faches in Wien begrüßen zu dürfen.
Ursula Hemetek