Urbane Ethnomusikologie
von Ursula Hemetek
Der urbane Raum als Forschungsfeld hat im Fach noch keine allzu lange Tradition. In der US-Amerikanischen Ethnomusikologie begann man sich erst in den 1970ern mit dem Lebensraum Stadt auseinanderzusetzten. Adelaida Reyes war eine der Pionierinnen dieser Richtung (klanglese 4) Mit der Wahrnehmung der kulturellen Heterogenität und Komplexität von urbanen Zentren ging ein Paradigmenwechsel in der Ethnomusikologie einher, von der Annahme der Homogenität hin zur Wahrnehmung der Komplexität; die Verbindung zur Minderheitenforschung ist evident. Adelaida Reyes beschreibt das so: “in a scholarly realm built on presumptions of cultural homogeneity, there was no room for minorities. These require a minimal pair—at least two groups of unequal power and most likely culturally distinct, both parts of a single social organism. Homogeneity does not admit of such disparate components……The conditions that spawn minorities—complexity, heterogeneity, and non-insularity—are ‘native’ not to simple societies but to cities and complex societies” (Reyes 2007: 22-23). Das Institut verband eines seiner Forschungsprojekte mit einem internationalen Symposium, “Cultural Diversity and the Urban Area” 2006 mit Adelaida Reyes als keynote speaker. Es folgte eine Publikation, in der grundlegende theoretische Positionen festgehalten sind (klanglese).
Am Institut sind die Forschungen zum urbanen Raum einerseits eng mit der Minderheitenforschung verbunden, weil urbane Zentren immer durch Migration entstehen. Im Vordergrund steht die musikalische Diversität Wiens, auch aufgrund des Standortes (Forschung „vor der Haustüre“). Dazu existiert auch eine Fülle von Studierendenarbeiten. Es wurden aber auch Feldforschungen in Salzburg und Innsbruck durchgeführt, in Innsbruck wurden dadurch weiterführende Aktivitäten angeregt (siehe Echos der Vielfalt). Alle rezenten Projekte im Minderheitenbereich haben mit Wien zu tun (siehe Minderheitenschwerpunkt), wobei besondere Expertise zu Communities aus der Türkei, dem ehemaligen Jugoslawien wie auch zur afghanischen Community erarbeitet werden konnte die sich auch in Publikationen und Studierendenarbeiten niederschlägt.
Andererseits liegen im Bereich der Volksmusikforschung Publikationen zur Wienermusik vor, eine Forschung die durch den Institutsgründer Walter Deutsch angeregt und von ihm, Gerlinde Haid und Rudolf Pietsch weitergeführt wurde (Tondokumente). Es existiert eine Reihe von Studierendenarbeiten zum Thema. Ein Forschungsprojekt zur Wiener Balltradition, initiiert von Gerlind Haid und weitergeführt von Else Schmidt führte zu einer Reihe von Dokumentationen (siehe Archiv)