Postkoloniale Ethnomusikologie
von Javier Silvestrini
Der Forschungsschwerpunkt Postkoloniale Ethnomusikologie des IVE unternimmt eine kritische Auseinandersetzung mit dem historischen Erbe von Kolonialismus und Imperialismus, sowie deren Kontinuität in den vielfältigen Formen von Neokolonialismen und anderen Formen von Hegemonien aus der Perspektive der Ethnomusikologie als Disziplin. Postkoloniale Ansätze durchdringen auch weitere Forschungsschwerpunkte des Instituts, wie Transkulturalität, Migrations-, Flüchtlings- und Minderheitenforschung, da ihnen allen der Ansatz gemeinsam ist, hegemoniale Machtverhältnisse im Hinblick auf die Komplexität von musikalisch-kultureller Praxis zu reflektieren. Musik wird hier oft zu einer Form des Widerstands der politischen Ermächtigung oder der Affirmation kultureller Identität. Durch die verantwortungsbewusste Ethik der Forschung, der dialogischen Wissensproduktion und der angewandten Ethnomusikologie setzt das IVE die Prinzipien der sozialen Verständlichkeit zum Nutzen der Communities, der Forschungspartner_innen und der Forschungsmitarbeiter_innen als eine Priorität der akademischen Praxis ein.
Als Prozess haben die disziplinären Diskussionen über die Verantwortlichkeiten im Umgang mit der kolonialen Vergangenheit fruchtbar zur Erweiterung der Perspektiven des Musikbegriff aus institutioneller Sicht geführt, indem sie die Praktiken und die Reproduktion hegemonialer Vorstellungen von Musik im Bildungswesen und die Hierarchien zwischen nicht-westlicher klassischer Musik und traditioneller Musik kritisch hinterfragt haben. Forschung auf dem Gebiet der postkolonialen Ethnomusikologie bedeutet auch, epistemologische Dekolonialisierung zu praktizieren, insbesondere im Bereich der Lehre an der Abteilung, die darauf abzielt, Mittel der transkulturellen Kommunikation zu schaffen, um einen Austausch von Erfahrungen zu ermöglichen. Als treibende Kraft von Transculturality_mdw leistete das IVE einen Beitrag zur Förderung des postkolonialen Diskurses an der Universität. Im Rahmen des Projekts “The Meeting of Knowledges” hat das Institut eng mit Wissenschaftlern aus Lateinamerika zusammengearbeitet. Dieser vom brasilianischen Anthropologen José Jorge de Carvalho entwickelte Aktionsplan ruft dazu auf, als Alternative zur Dekolonialisierung der Wissenschaft der universitären Lehrpläne in Brasilien nicht-akademische Meister_innen oder Traditionsträger_innen als Lehrende in die Universitätsprogramme aufzunehmen. Ab 2020 arbeitet das IVE im Rahmen des Projekts "The Meeting of Knowledges" an einer neuen Erasmus+ Partnerschaft mit der Universität Brasilia.