European Voices III
Instrumentation und Instrumentalisierung des Klanges
Lokale mehrstimmige Musikkulturen und Politiken in Europa
Die Instrumentation des Klanges ist ein fester Bestandteil der Prozesse des Musikmachens in traditionellen Kulturen. Sie ist eng verbunden nicht einfach mit den Kombinationsmöglichkeiten innerhalb eines Musikensembles, sondern viel mehr mit der Gestaltung und Wahrnehmung eines Gesamtklanges, der einer bestimmten Gemeinschaft vertraut ist. Dieser Prozess ist entscheidend besonders bei mehrstimmigen oder - wie sie oft genannt werden - polyphonen Traditionen. Es ist kein Zufall, dass das Zusammengehörigkeitsgefühl ihrer Träger auffallend stark ist.
Mehrstimmige Musiktraditionen sind trotz bisheriger intensiver Forschung kaum aus der Sicht der Klanginstrumentation untersucht worden. Der Gesamtklang eines Ensembles, der vom gleichzeitigen Ertönen mehrerer Instrumente und/oder menschlicher Stimmen hergestellt wird, unterscheidet sich vom Klang jedes einzelnen Ensemblemitglieds. Seine Entstehung und seine Wahrnehmung gehört daher für sich untersucht. Beide Prozesse sowie ihre andauernden Umwandlungen sind eng mit physikalischen, psychoakustischen und kulturellen Phänomenen verbunden.
Die Erforschung der Strategien der Klanginstrumentation der Ausführenden, begleitet von computergestützten Analysen der Klangcharakteristika, wäre einer der Ansätze, um Antworten zum Fragenkomplex zu finden. Besonders aufschlussreich in diesem Zusammenhang sind verwandte musikalische Traditionen von Gemeinschaften, die unterschiedliche Sprachen sprechen und unterschiedlichen Ethnien angehören, eine häufige Erscheinung in grenzüberschreitenden Regionen in Europa.
Untersuchungen zur Klanginstrumentation und ihrer Wahrnehmung werfen unweigerlich Fragen nach den Machtverhältnissen in den Prozessen des Musikmachens und der Musikaufführung auf. Durch diesen Ansatz würden in erster Linie Politiken innerhalb und außerhalb der Gemeinschaft zum zentralen Forschungsgegenstand werden. In diesem Zusammenhang ist das Begreifen der Kommunikation als eine Kategorie, durch die sich Menschen über den Geltungsanspruch von Normen in den Prozessen von Legitimation und Macht verständigen, von entscheidender Bedeutung.
Die Erkundung dieser Fragen würde darüber hinaus eine bessere Perspektive auf allgemein gültige und lokale Auffassungen zur Instrumentation und Instrumentalisierung des Klanges ermöglichen.