Vorträge
Oliver Rathkolb
Geschichtspolitische Verhandlungen über den Jahrestag des "Anschlusses 1938" seit 1988
In diesem Referat soll ein Überblick über die Unterschiede, aber auch die Kontinuitäten in der wissenschaftlich-historischen Analyse und Auseinandersetzung mit dem „Anschluss“ 1938 sowie die öffentlich-politische Debatte über diesen Jahrestag seit 1988 gegeben werden. Kurz werden auch die internationalen Einflüsse auf diese Entwicklung gestreift.
In dem Zusammenhang sollen der Stellenwert von ZeitzeugInnen sowie von ZeithistorikerInnen und die Rezeption der allmählich selbstkritischen öffentlichen Reflexion anhand von Meinungsumfragen hinterfragt werden. Dabei kommt musikhistorischen Beispielen wie den Wiener Philharmonikern und der Wiener Staatsoper sowie den Salzburger Festspielen als identitätsstimulierende Erinnerungsorte der II. Republik eine spezifische Bedeutung zu. Als zentrale Grundthese stehen die Auswirkungen der Shoa und des II. Weltkrieges - d.h. die Folgen des „Anschlusses“ 1938 - auf die geschichtspolitischen Verhandlungen über Geschichtsbilder vor dem Hintergrund einer stärker migrationsgeprägten Gesellschaft im Zentrum der Reflexion.
In dem Zusammenhang sollen der Stellenwert von ZeitzeugInnen sowie von ZeithistorikerInnen und die Rezeption der allmählich selbstkritischen öffentlichen Reflexion anhand von Meinungsumfragen hinterfragt werden. Dabei kommt musikhistorischen Beispielen wie den Wiener Philharmonikern und der Wiener Staatsoper sowie den Salzburger Festspielen als identitätsstimulierende Erinnerungsorte der II. Republik eine spezifische Bedeutung zu. Als zentrale Grundthese stehen die Auswirkungen der Shoa und des II. Weltkrieges - d.h. die Folgen des „Anschlusses“ 1938 - auf die geschichtspolitischen Verhandlungen über Geschichtsbilder vor dem Hintergrund einer stärker migrationsgeprägten Gesellschaft im Zentrum der Reflexion.
Oliver Rathkolb ist Professor für Zeitgeschichte an der Universität Wien.
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Michael Haas
Von der Erinnerung zur Geschichte
Bei der Produktion der Decca Aufnahmereihe ‚Entartete Musik‘ sowie der Ausstellungsreihe ‚Musik des Aufbruchs‘ im Jüdischen Museum Wien war der direkte Kontakt zu Zeitzeugen unabdingbar. Im unaufhaltbaren Verlauf der Zeit verlieren wir diese wichtigen Verbindungen. Aber gäbe es nicht auch Vorteile? Können wir nun objektiver mit der Geschichte umgehen ohne von subjektiven Erinnerungen beeinflusst zu werden? Welche Vorteile können wir konkret daraus ziehen? Muss denn Vergangenheit Erinnerung durchwandern bevor sie zur Geschichte wird? Ermöglicht dieses Prozedere einen objektiveren Umgang?
Der Vortrag versucht anhand der eigenen Erfahrungen als Plattenproduzent, Ausstellungskurator und Autor festzulegen, inwiefern Erinnerung die Basis eines objektiven Umgangs der Geschichte bildet.
Michael Haas ist Musikproduzent, Exilmusik-Forscher und ehemaliger Kurator des Jüdischen Museums Wien.
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Irene Suchy
Verbotenes Spielen - Verbotenes Sprechen. Eine kurze Geschichte des Auftritts der NS-verfemten Musik in Ö1
Wann begann im ORF-Radio die Beschäftigung mit NS-Verfemter Musik, seit wann galt der CD-Produktion und Aufführung verfemter Kompositionen besonderes Augenmerk, wie war der Umgang mit Mitläufern oder Opfern und ihrem Schaffen? In welchen Formaten wurde NS-Geschichte betreff Musik- und Kulturinstitutionen thematisiert. In welchem Wechselspiel stand mediale Aufarbeitung und wissenschaftliche Recherche?
In welchem Maße sind die medialen Archive Ausgangspunkt für NS-Forschung, in welchem Maße können Medien und Universität einander unterstützen?
Irene Suchy ist Musikredakteurin bei Ö1, sowie Lehrbeauftragte an der Universität Wien und an der KUG Graz.
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Claudia Maurer Zenck
Das "LexM" - Ein Lexikon nicht nur für die Wissenschaft
Entstehungsgeschichte, Ziele und Präsentation des "Lexikons verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit".
Claudia Maurer Zenck ist Professorin für Musikwissenschaft an der Universität Hamburg.
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Wolfgang Schellenbacher
Connecting knowledge – trans-institutional research guides
Die weltweit fortschreitende Digitalisierung von Archivbeständen führt neben neuen Arten der Archivierung auch zu bislang unbekannten Formen der Nutzung von Dokumenten. Der Online-Zugang stellt HistorikerInnen und ArchivarInnen dabei vor enorme Herausforderungen und verlangt gerade in der Holocaust-Vermittlung nach neuen Strategien.
Wie können Online-Präsentationen von Archivmaterialien zu einem derart sensiblen historischen Zeitraum hergestellt werden, die weder eine reine Auflistung der Dokumente noch eine Vor-Interpretation von Archivmaterialien vornehmen? Wie können Inhalte in der Holocaust-Vermittlung kommuniziert werden ohne in gewachsene Archivstrukturen einzugreifen?
Im Zuge des EU-Projekts European Holocaust Research Infrastructure (EHRI) versuchen das Jüdische Museum Prag, Yad Vashem, die Gedenkstätte Theresienstadt und Beit Theresienstadt eine Verknüpfung von fragmentierten Archiv-Sammlungen und deren Findbüchern zu Materialien aus dem Ghetto Theresienstadt vorzunehmen und gleichzeitig die Verbindung zu den Archiven zu erhalten. Der Fokus in dieser Verknüpfung liegt weniger auf der Vereinheitlichung von „traditionellen“ narrativen Beschreibungen von Findbüchern, sondern vielmehr auf der datenbankbasierten Verbindung durch neue für Europa einheitliche Formen von Metadaten (geocoding, keywords etc.)
Der dabei entstehende Theresienstadt Research Guide soll zu einer modernen innovativen Möglichkeit für WissenschafterInnen sowie Nicht-AkademikerInnen ausgebaut werden.
Durch die so vorgenommene neue Beschreibung von Dokumenten können SchülerInnen, Studierenden sowie HistorikerInnen neben einem Überblick zur Geschichte des Ghettos Theresienstadt verschiedene Erzählstränge gleichzeitig angeboten und vermittelt werden.
Wolfgang Schellenbacher ist Historiker am Jüdischen Museum Prag.
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Karin Wagner
"I'll search until my dying day" - Musikalisches Gedenken im Wechselspiel der Generationen
Eine Szene in Oberösterreich verdeutlicht das Ineinander von Vergangenheit und Gegenwart: Das Gelände des ehemaligen KZ-Nebenlagers Ebensee ist ein Ort verwischter Spuren der Geschichte. Das Lager ist als authentisches Zeugnis nicht erhalten. Bereits 1949 wurde auf dem Grundstück mit dem Bau einer Wohnsiedlung begonnen - 1955 beworben als "Stätte des Glücks" -, deren Häuser man heute im Passieren des erhalten gebliebenen KZ-Eingangstores erreicht. Generationenfrage und Generationenkonflikt erscheinen hier drastisch ins Bild gebracht.
Mit dem Generationenwechsel geht die Notwendigkeit einer Neuorientierung in der Holocaustvermittlung und -rezeption einher. Dieser Wechsel bzw. die Auseinandersetzung mit dem Gedächtnis der Generationen äußert sich in musikalischen Aktionen: Man denkt an Adolek Kohn, der mit seiner Familie in Auschwitz tanzt, und an die Auschwitz-Überlebende Esther Bejarano, die mit ihren Kindern und der Band "Mikrophone Mafia" am Podium rappt.
Mit der Oper "Pnima ... ins innere" (UA 2000) setzt Chaya Czernowin einen besonderen Akzent: Das auf dem Roman des israelischen Autors David Grossmann ("See Under: Love") basierende Werk ist das erste Musikstück, welches den Holocaust und das Trauma aus der Sicht der "zweiten Generation" fokussiert. Für die Komponistin selbst das "Thema ihres Lebens". Der Unvereinbarkeit der verschiedenen Kräfte - die heutige Generation und das ungreifbare "Davor" - und der Nichtdarstellbarkeit des Schrecklichen begegnet Czernowin mit Darstellungsstrategien, die das Wort rigoros ausklammern.
Dem gegenüber sucht der in Israel lebende Daniel Galay nach der Kraft des Wortes: Das Erhalten einer Zukunft der Erinnerung baut in seinem Kammermusikwerk "I'll search until my dying day" (2012) auf den Text des israelischen Holocaust-Überlebenden Moshé Liba. Er widmete diese Zeilen dem Gedenken des deportierten Vaters seines Freundes.
Karin Wagner ist Pianistin, Musikwissenschafterin und und Lehrende an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien.
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