Rosa Reitsamer und Katharina Liebsch (Hg.), Musik, Gender, Differenz. Intersektionale Perspektiven auf musikkulturelle Felder und Aktivitäten, Münster: Westfälisches Dampfboot 2015 (Forum Frauen- und Geschlechterforschung 44), 282 S.
Der vorliegende Sammelband, der aus einer Konferenz an der mdw im Jahr 2013 hervorgegangen ist, beschäftigt sich mit im weitesten Sinne sozialgeschichtlichen und soziologischen Fragestellungen aus dem Bereich Musik und Gender. Die 15 Beiträge decken thematisch und historisch zahlreiche Felder ab, von Gesangskastraten in der Frühen Neuzeit bis zum Anteil weiblicher Mitglieder in österreichischen Orchestern. Die Schwerpunkte liegen aber deutlich im Bereich populärer Musikphänomene des 20. und 21. Jahrhunderts und reichen hier vom amerikanischen Jazz der 1920er-Jahre bis zu männlichen Rappern im Wien-Ottakring der Gegenwart.
Vielfältig sind die Perspektiven, ernüchternd teils der Blick auf die noch immer affirmativ reproduzierten Geschlechterstereotype in weiten Teilen des popmusikalischen Mainstreams. Die (Selbst-)Sexualisierung der String Divas im Crossover-Bereich im Beitrag von Alenka Barber-Kersovan oder die weibliche Selbstoptimierung in E-Gitarrenlehrbüchern im Aufsatz von Sarah Schauberger zeigen kaum zu überwindende, an konventionellen Männlichkeits- und Weiblichkeitsbildern orientierte Marktmechanismen auf. Weniger kommerziell orientierte Genres funktionieren etwas anders. Aber auch hier bleiben die Ergebnisse ambivalent: Martin Winter etwa sieht im Punkrock sowohl eine Ablehnung „tougher“ Männlichkeit als auch eine unterschwellige männliche Vergeschlechtlichung in Abgrenzung zu anderen Musikgenres. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt Nadine Sanitter, die im medialen Diskurs um das Musikgenre Indie eine hierarchische Geschlechterordnung hergestellt sieht.
Der im Titel des Bandes präsent positionierte Begriff der Differenz spielt in den Aufsätzen auf theoretischer Ebene weniger eine Rolle als unterschiedliche Konzeptionen von Männlichkeiten und Weiblichkeiten – die Beiträge zu Männlichkeit beziehen sich vielfach auf Raewyn Connells Idee der „hegemonialen Männlichkeiten“, die Beiträge zu Weiblichkeit häufig auf Angela McRobbies Konzept der „Top Girls”. In dieser Binarität ließe sich vielleicht auch eine interessante „Differenz“ in den Forschungszugängen erkennen. Insofern sind nicht nur die Beiträge im Einzelnen erkenntnisreich, sondern auch die Zusammenschau, in der sich aktuelle Befunde über die gegenwärtigen Debatten zum Thema Musik und Gender widerspiegeln.
Die Rezension ist in einer kürzeren Fassung zuerst in Weiberdiwan (www.weiberdiwan.at) erschienen.
Hinweis:
Weitere aktuelle Publikationen finden Sie unter www.mdw.ac.at/wissenschaft/publikationen
Erratum: In der gedruckten Ausgabe des mdw-Magazin ist uns im Titel zur Rezension leider ein Fehler unterlaufen – der Titel des Buches lautet korrekt: Musik, Gender, Differenz. Intersektionale Perspektiven auf musikkulturelle Felder und Aktivitäten.