Seit 1. Oktober 2016 gibt es an der mdw ein Career Center, das Studierenden den Weg ins Berufsleben erleichtern soll. Was kann es? Und − braucht es das wirklich? Ein Gespräch mit Vizerektorin Barbara Gisler-Haase und Career Center-Leiterin Susanne Latin.

2015 hat die mdw stolz eine Befragung unter AbgängerInnen präsentiert, laut der sich die AbsolventInnen sehr gut aufs Berufsleben vorbereitet fühlen. Die meisten von ihnen arbeiten als MusikerInnen oder MusikpädagogInnen und sie gaben an, damit glücklich zu sein. Wie sind Sie nun zu der Erkenntnis gekommen, dass es Bedarf nach einem eigenen Career Center gibt?

Barbara Gisler-Haase
Vizerektorin Barbara Gisler-Haase ©Theresa Pewal

Barbara Gisler-Haase (BGH): Das geht einerseits auf Befragungen von Studierenden zurück und andererseits einfach auf die gelebte Praxis. Ich unterrichte seit 40 Jahren Konzertfachklassen in Querflöte und habe sehr viele Menschen über das Ende des Studiums hinaus verfolgt und gesehen, welche Probleme sie haben.

Was meinen Sie damit genau und was sollte man als AbsolventIn der mdw außer dem Instrument noch können?

Susanne Latin (SL): Die Musik ist eine heilige Kunst, hat Hofmannsthal gesagt und er hat recht. Aber die Möglichkeit, diese Kunst auszuüben, ist heute von vielen Fähigkeiten abhängig. Da gibt es das vielzitierte Wort Entrepreneurship, das gerade im Bereich der ausübenden KünstlerInnen ein verhasstes ist. Manchmal wird es als Sakrileg betrachtet, sich mit wirtschaftlichen Dingen auseinanderzusetzen. Doch es ist so wichtig. Das fängt mit Selbstmanagement an, geht über das Verstehen von Sozialversicherung und Steuern bis hin zu rechtlichen Grundbegriffen.

Dafür gibt es doch Künstleragenturen…

SL: Es reicht heutzutage nicht mehr, bei einer guten Agentur zu sein. Eine Agentur bedeutet Arbeit. Ich muss in diesem Markt ganz genau überlegen, wer ich bin, wo ich hin will und wie ich dorthin komme. Man muss unterscheiden zwischen dem nächsten Job als Brotberuf und der Karriere als gesamtheitliches Lebenskonzept. Das verlangt Selbstreflexion.

Es gibt bereits den mdw club, der bietet Workshops an und legt Leitern in die Branche. Ist das nicht ausreichend?

SL: Der mdw club kümmert sich vorrangig um die AbsolventInnen. Das Career Center setzt noch früher an. Nachdem die fixen Stellen im gesamten Kulturbereich immer weniger werden, viele Orchester fusioniert oder wegrationalisiert werden, stehen unsere jungen AbsolventInnen und Studierenden vor einem Problem. Wenn das gewonnene Probespiel eben nicht mehr die Eintrittskarte in eine gesicherte Zukunft ist, brauchen sie ein neues Lebens- oder Berufskonzept.

In den bisherigen Beschreibungen des Career Centers heißt es, es soll den „Übergang vom Studium ins Professionelle erleichtern“ sowie der „Förderung und Unterstützung der Studierenden beim Einstieg ins Berufsleben“ dienen. Das klingt alles schön. Aber was heißt das konkret? Was wird das Career Center leisten?

SL: Das Career Center hat drei Säulen, die erste sind die Kurse. Gemeinsam mit dem Zentrum für Weiterbildung (ZfW) bieten wir Programme für einzelne Berufsgruppen an. Im Februar möchten wir einen Kurs für junge DirigentInnen anbieten, weil die es sehr schwer haben, im Beruf Fuß zu fassen. Dann gibt es ein Angebot für künstlerisches Selbstmanagement und im Sommer soll ein Kurs für herausragende junge KünstlerInnen starten, bei denen es vielleicht zu spät ist, mit 25 Jahren zu lernen, wie sie Lebensläufe schreiben oder sich in Interviews verhalten. Sie glauben nicht, welche Fehler junge KünstlerInnen beim ersten Vertrag machen können, wie sehr sie oft ausgebeutet werden.

Wie viele ECTS-Punkte kriege ich für so einen Kurs?

BGH: Gar keine, denn das sind keine Wahlfächer, sondern ein Zusatzangebot.

Hat es Vorbilder für das Career Center gegeben? Haben Sie sich die Programme anderer Häuser angesehen oder wirklich vom weißen Papier aus konzeptioniert?

SL: Vom weißen Papier aus macht man es nicht. Wir haben uns natürlich angesehen, was die anderen machen und tun das auch
immer noch.
BGH: In Wirklichkeit arbeiten alle mit den gleichen Inhalten und Werkzeugen. Manche integrieren es in den Lehrplan, bei manchen muss man sogar dafür bezahlen. Man muss das mit Gefühl ans eigene Haus anpassen.

Es gab ja bisher schon berufsspezifische Wahlfächer an der mdw, in denen Selbstmanagement erlernt werden konnte. Diese wurden aber nur spärlich genutzt. Unterschätzen die Studierenden diese Dinge?

BGH: Womöglich. Und zwar so lange, bis sie der Ernst des Lebens etwas anderes lehrt.
SL: Es setzt langsam ein Umdenken ein. Sobald Studierende öfter auftreten, machen sie sich Gedanken: Wie komme ich an Konzerte? Wie spreche ich potenzielle Geldgeber an? Wie präsentiere ich mich?

Was uns zur zweiten Säule des Career Centers bringt…

SL: Wir arbeiten an einer Online-Plattform, um besonders gute Studierende oder AbsolventInnen zu präsentieren. Damit helfen wir ihnen, sich bei Agenturen und Veranstaltern zu bewerben. Die können Bilder und Lebensläufe der MusikerInnen einsehen sowie Szenen von Konzerten und Interviews. Eine zweite Plattform richtet sich an angehende MusikpädagogInnen. Da wird es ein „Schwarzes Brett“ geben, an dem sich jede/r, die/der eine/n MusiklehrerIn sucht, bedienen kann. Die dritte Säule sind Auftrittsmöglichkeiten. Von denen gibt es jetzt schon viele. Die, die einen Schritt aus dem Uni-Betrieb rausgehen, betreffen auch das Career Center – wie Kooperationen mit renommierten externen Veranstaltern, wie dem Musikverein, dem Brucknerhaus oder Ö1.

Susanne Latin
Susanne Latin, Leiterin des neuen Career Center der mdw ©Theresa Pewal

Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang das neue Chamber Orchestra?

BGH: Das ist auch ein Schritt aus der reinen Lehre hinaus. Es gibt im Haus einen enormen Bedarf an Orchestern für Opernaufführungen, öffentliche Diplomprüfungen für DirigentInnen, die wir mit unseren eigenen MusikerInnen füllen können. Dafür werden sie auch mit einer nicht handelsüblichen, aber durchaus vertretbaren Gage bezahlt. Im mdw-Chamber Orchestra darf, soll und muss man sich wie ein/e engagierte/r Orchester-musikerIn mit Rechten und Pflichten fühlen.

Es gibt an der mdw auch ein Programm für hochbegabte Kinder und Jugendliche. Verstehen Sie sich als Komplett-anbieter, der die MusikerInnen vom Kindergarten bis zum Philharmonikervertrag begleitet?

BGH: Tatsächlich ist in der sogenannten Nachwuchsförderung jetzt beides vereint: Der Vorstudienbereich, der spezielle Betreuung braucht und das Aus-dem-Studium-Hinauswachsen in die Berufswelt. Dazwischen steht ein sechsjähriges, intensives Studium.

Würde es nicht Sinn machen, besagtes Angebot, als integrativen Teil der Ausbildung zu führen? Dass sie nicht in zusätzlichen Kursen, sondern im Studium selbst behandelt werden?

BGH: In den neuen Studienplänen kommen diese Dinge unter dem Titel Kulturbetriebslehre/Musikmanagement vor. Und zwar so, dass die Studierenden je nach Interessen auf unterschiedliche Angebote zugreifen können – etwa wie ich eine Musikschule leite oder wie ich mich Orchestern präsentiere. Da wollen wir die Basis legen und danach in ein anwählbares Kursprogramm gehen. Alles, was im Studienplan stattfindet, läuft Gefahr, nur absolviert zu werden, weil es eben gerade sein muss. Das heißt aber nicht, dass das Thema die jungen KünstlerInnen erreicht hat. Außerdem würde manches den Rahmen eines Studienplans sprengen. Unsere Studien tendieren ohnehin schon dazu, überfüllt zu sein.

Ist die eingeschlagene Richtung die, dass die Universität die Studierenden bis zum ersten Arbeitstag begleitet? Wann kommt der Zeitpunkt, an dem die Hochschule sagen muss: Wir haben unseren Teil getan, ihr müsst jetzt ohne uns weitergehen?

BGH: Den Punkt gibt es schon, wir schieben ihn nur ein wenig hinaus. Bisher war es mit der abschließenden Prüfung vorbei. Oft haben die Lehrenden danach ihr Bestmögliches getan, die AbsolventInnen zu vernetzen. Jetzt werden diese Initiativen verstärkt. Wir sind ja auch stolz auf diese Leute. Wir wollen ja, dass alle sehen, dass sie bei uns Qualität bekommen.

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