Es gibt Komponierende und Interpretierende, die sind besser als andere. Sie gefallen mir nicht etwa besser, sie sind mir nicht näher, sie sind ganz einfach besser in dem, was sie tun. Na gut, vielleicht ist es nicht so schön im Zusammenhang mit Menschen das Wort besser zu verwenden, aber ich wollte zu Beginn bewusst polemisch sein. Etwas freundlicher formuliert: Es gibt Personen, denen gelingt (oder gelang) das Komponieren oder Interpretieren besser als anderen. Und wir MusikerInnnen des 21. Jahrhunderts sollten uns wieder mehr trauen, Musik als gelungen oder nicht so gelungen zu bezeichnen und nach möglichst objektiven Kriterien für unsere Urteile zu suchen.
Ich verstehe Vorbehalte gegen diese Forderung vollkommen. Die Musikgeschichte ist nicht nur voll von heute unverständlichen Fehlurteilen, sie ist auch voll von Personen, die aufgrund ihrer Herkunft oder ihres Geschlechts bereits als lebende Personen und/oder in der Geschichtsschreibung einen schweren Stand hatten. Wir möchten weder von der Nachwelt als ignorant betrachtet werden, noch Gefahr laufen, Personen aufgrund unserer eigenen Scheuklappen zu wenig zu würdigen. Genau deshalb müssen wir unsere eigenen Kriterien für Qualität immer wieder hinterfragen und zur Diskussion stellen. Trotzdem: Ein Restrisiko für grobe Fehlurteile bleibt.
Warum dann meine Forderung nach dem Mut zu (qualifizierten) Urteilen? Es geht dabei weniger um die Einteilung von Personen in gute und schlechte KünstlerInnen, sondern vielmehr um die Fragestellung warum jemand etwas als mehr oder weniger gelungen empfindet. Ein Reflektieren über Kriterien würde uns viele interessante Fakten über das Erleben von Musik in unserer Zeit liefern, es könnte interessante Parallelen und Unterschiede zwischen verschiedenen Kulturen zeigen. Und zuletzt: Es würde viele Situationen, in denen zwangsläufig geurteilt wird (Prüfungen, Wettbewerbe, Auswahl von Konzertprogrammen), für alle Beteiligten erleichtern.
Eine Kolumne der HochschülerInnenschaft der mdw (hmdw)