Holle Münster, Stefan Schweigert, Maria Sendlhofer, Mira Stadler und Alexandru Weinberger-Bara studieren oder studierten Schauspielregie am Max Reinhardt Seminar. Im Gespräch geben sie Einblick in ihre Erfahrungen, ihre aktuellen Projekte und Zukunftswünsche.
„Wenn das Publikum in irgendeiner Form berührt ist, hat man als RegisseurIn schon etwas richtig gemacht. Wenn es mehr als fünf Minuten nach dem Fallen des Vorhangs noch darüber nachdenkt, was die Aussage der Inszenierung gewesen ist, hat man fast gewonnen“, fasst Mira Stadler zusammen. In ihrer Arbeit setzt sich die Regiestudentin bevorzugt mit Körperlichkeit, Bewegung und Tanz auseinander – und profitiert stark vom gemeinsamen Unterricht mit den Schauspielstudierenden, der am Max Reinhardt Seminar fixer Bestandteil des Lehrplans ist. „Erst wenn man selbst etwas auf der Bühne ausprobiert hat, erkennt man, wie schwer es sein kann, eine Anweisung von ,unten‘ umzusetzen. Dadurch erhält man ein viel menschlicheres Verständnis vom Regieführen“, so die Klagenfurterin.
Immer bewusster sei ihr während der Ausbildung geworden, dass es sich dabei um begleitetes Learning by Doing handle: „Man kann ewig darüber reden, aber am Ende muss man es einfach machen. Am schwersten fällt mir noch, darauf zu vertrauen, dass die eigenen Ideen greifen werden.“ Momentan ist Stadler in der Vorbereitungsphase für ihr Diplomstück, das im März 2018 Premiere haben wird. In ihrer Auswahl legt sie stets besonderen Wert auf Werke und Rollen von und für Frauen: „Ich möchte die Tradition der männlichen Narrative wenigstens ein bisschen durchbrechen.“
Alexandru Weinberger-Bara wusste schon als Teenager, dass er Theaterregisseur werden will. „Was mich am meisten fasziniert, ist die enorme Kraft dieses Mediums, abstrakte Ideen vor einem Publikum zu materialisieren. Im Theater können Grenzen überschritten werden, ohne die hauchdünne Matrix, die wir Gesellschaft nennen, zu zerstören“, erläutert der 22-Jährige. Aus seinem Regiestudium – die vier Jahre bei Anna Maria Krassnigg und Martin Kušej hat er bereits absolviert – ist ihm besonders die Vielfalt von Zugängen und Meinungen in Erinnerung geblieben: „Man kann für ein Projekt zwei verschiedene Feedbacks von professionellen TheatermacherInnen bekommen. Für den Lernprozess ist das nicht immer einfach, aber rückblickend betrachtet hat es extrem viel zur Entwicklung meiner Individualität als Künstler beigetragen.“ Seine Diplominszenierung liefert Weinberger-Bara im November mit Foxfinder nach. Die Dystopie von Dawn King (2011) ist in einem totalitären England angesiedelt, in dem Angst, Überwachung und Inhaftierungen auf der Tagesordnung stehen. „Da ich aus einem exkommunistischen Land komme, kann ich sagen, dass das Stück eher mich gefunden hat als umgekehrt“, sagt der aus Rumänien stammende Regisseur. Insbesondere die subtile Figurenzeichnung in Kings Werk sei für ihn ein Auswahlkriterium gewesen.
Großen Wert auf die Charaktere legt auch Maria Sendlhofer. „Eine meiner ständigen Bemühungen liegt darin, Figuren mit Respekt zu begegnen und sie nicht zu einfach zu verurteilen“, analysiert die 1988 geborene Salzburgerin. Ausgehend von der Praxis als Filmregisseurin, sei das Theater zunächst ein Versuch gewesen, der sich während des Studiums schnell als passend herausgestellt habe. In ihrer Arbeit ist es Sendlhofer besonders wichtig, einen Raum aufzumachen, der es allen Beteiligten ermöglicht, sich einzubringen. „Teamarbeit ist der beste Weg zu einer starken, vielschichtigen Inszenierung, hinter der am Ende alle stehen können. Ich meine damit nicht Harmonie wahrende Kompromisse. Ich bin für respektvolle, konstruktive Konflikte.“
Für ihre Diplominszenierung, die am 13. Dezember Premiere hat, hat sie Henrik Ibsens Die Frau vom Meer (1888) ausgewählt. Im Zentrum der Geschichte steht die Leuchtturmwärtertochter Ellida, die in einem norwegischen Küstenstädtchen lebt. Ihre Ehe mit dem Arzt Wangel erlebt sie als wenig glücklich. Zunehmend findet sie sich zwischen ihrem Mann und einem geheimnisvollen Matrosen hin- und hergerissen. In der momentanen Entwicklungsphase sei sie noch dabei, zu entdecken, was sie genau erzählen wolle, sagt Sendlhofer. „Es wird auf jeden Fall ein Abend, der sich damit auseinandersetzen wird, wie man aus Mustern, Routinen und Normen ausbrechen und einem selbstbestimmten Weg folgen kann.“
Bereits voll im Berufsleben steht die Regisseurin Holle Münster, die ihr Studium am Max Reinhardt Seminar 2012 abgeschlossen hat. Auch sie erinnert sich noch gut an den gemeinsamen Unterricht mit den Schauspielstudierenden. „Jeder Regisseur und jede Regisseurin hat seine bzw. ihre eigene Probenpraxis, da wurden uns keine Vorgaben gemacht. Aber durch die Zusammenarbeit mit den SchauspielerInnen konnte ich leichter meinen eigenen Modus finden, der sich natürlich bis heute weiterentwickelt.“
Seit 2011 ist die 34-jährige Brandenburgerin Teil des deutschen Regiekollektivs Prinzip Gonzo, das sowohl im Stadttheaterbetrieb als auch in der freien Szene tätig ist. Über ihre MitstreiterInnen sei sie sehr glücklich, betont Münster: „Es ist ein Beruf, in dem man sich mit Einsamkeit auseinandersetzen muss, weil man viel unterwegs ist. Der Arbeitsalltag besteht ja nicht nur darin, sich lustige Ideen für den Hamlet auszudenken, sondern es ist tatsächlich ein ganzes Leben, das man mit dem Theater gestaltet.“
Am 13. Oktober hat Münsters Inszenierung von Vereinte Nationen im Volx/Margareten in Wien Premiere. Clemens J. Setz’ Stück handelt von einem Paar, das mit Internetvideos über den Alltag seiner siebenjährigen Tochter Geld verdient. Bald jedoch verlangt die Community nach Ausgefallenerem – und Grenzen werden überschritten. Eine surreale Form erscheint Münster als das richtige Mittel, um den Horror abzubilden, der hier in einer scheinbaren Normalität sein Haupt erhebt. „Was ist Menschlichkeit und wo hört sie auf? Diese Fragen werden uns auf der Bühne beschäftigen.“
Essenziell Menschliches in einem privaten Rahmen ist ebenfalls Thema der Diplominszenierung von Stefan Schweigert (Premiere: 24. Jänner). Der gebürtige Deutsche, der vor dem Studium Erfahrungen als Regieassistent gesammelt hat, hat sich für Anatol entschieden. Arthur Schnitzlers Einakter-Zyklus setzt sich mit der Beziehungsunfähigkeit, den verdrängten Ängsten und leeren Idealen des Titelhelden auseinander und erscheint Schweigert hochaktuell. Das Gefühl von Einsamkeit, das Infragestellen von Werten und Orientierungslosigkeit seien auch Themen seiner Generation.
Den grundsätzlichen Mehrwert von Theater sieht der 26-Jährige in der Identifikation des Publikums mit dem, was auf der Bühne passiert: „Das ist etwas, das durch eine gewisse Art von Schnelllebigkeit immer mehr verloren geht. Dass man sich Zeit nimmt, sich etwas anschaut und sich wirklich auf Themen und Gefühle einlässt. Dadurch, dass es live und direkt passiert, kann das Theater die Sehgewohnheiten brechen, auf die wir so getrimmt sind.“
Ein langfristiges Ziel ist eine eigene Intendanz: „Als Ensemble repräsentiert man eine Art und Weise, wie Menschen zusammen leben möchten. Im Theater herrschen teilweise extreme Respektlosigkeit und brutale Hierarchien. Meiner Meinung nach müssen Entscheidungen nicht von oben heruntergeprügelt werden. Das ist auch etwas, wofür diese Schule steht: der Ensemblegeist, den ich sehr wichtig nehme.“
Aktuelle Inszenierungen finden Sie auf der Website des Max Reinhardt Seminars.