Opernsängerin und Pornoproduzentin – zwei Berufe, die man so gut wie nie bei ein und derselben Person im Lebenslauf findet. Adrineh Simonian beweist das Gegenteil. Warum die Mezzosopranistin nach 15 Jahren die Opernkarriere an den Nagel gehängt hat und sich nun der Pornografie widmet, erzählte die ehemalige mdw-Studierende dem mdw-Magazin.

Adrineh Simonian
Adrineh Simonian ©Michele Pauty

„Ich wollte nie etwas anderes machen als singen und fühlte mich auf der Bühne sehr wohl“, mit diesen Worten beschreibt Adrineh Simonian ihre Zeit als Opernsängerin, die sie großteils auf den Bühnen der Wiener Volksoper und der Wiener Staatsoper verbrachte. In Teheran geboren und in Wien aufgewachsen entdeckte sie schon im Kindesalter ihre Liebe zum Klavier. Sie lernte aber zunächst – wenngleich „sehr ungern“ – Geige und machte ihrem Geigenlehrer das Leben schwer.

„Ich war faul und habe nie daheim geübt. Ich mochte es einfach nicht“, erzählt Simonian. Das Klavierspielen hat sie sich dann selber beigebracht und zunächst studierte sie auch Instrumental- und Gesangspädagogik (IGP) Klavier an der mdw. Sie erinnert sich an „einen der schönsten Abschnitte meines Lebens“. Ihr Klavierprofessor Manfred Wagner-Artzt sei ein großartiger Pianist und Pädagoge gewesen, aber auch ihm habe sie das Leben schwergemacht! Sie spielte zwar viel Klavier, aber eben nicht das, was sie hätte üben sollen. „Ich war schon immer ein Mensch, der sich nichts sagen lässt.“

Nach ein paar Jahren änderte sie die Studienrichtung und inskribierte IGP Gesang; im Anschluss daran absolvierte sie die Opernschule am Konservatorium in Wien und im Jahr 2000 gab die Mezzosopranistin schließlich ihr Bühnendebüt in der Johann-Strauss-Operette Eine Nacht in Venedig an der Wiener Kammeroper. Es folgte eine erfolgreiche Opernkarriere in Wien mit zahlreichen internationalen Gastengagements. „Diese Jahre waren sehr schön, aber auch sehr schwer“, erzählt die Sängerin. Der Beruf sei faszinierend, aber es gab immer wieder Phasen, wo sie die Vorschriften und Regeln nur schwer ertragen konnte. „Ich habe selten Regisseure und Dirigenten getroffen, die wirklich mit mir zusammengearbeitet haben“, so Simonian. Wenn dies aber doch passiert sei, war dies ungemein befriedigend. Dabei entstanden die unglaublichsten Gespräche und Simonian konnte ein gutes Psychogramm der Rolle entwickeln – damit habe sie sehr viel Zeit verbracht: Welche Entwicklung macht die Rolle in der Oper? Welche Körpersprache muss diese Figur haben und wie kann man die Emotionen darstellen, sodass das Publikum diese auch erkennt?

Ein Gespräch am Nebentisch in der Kantine der Volksoper über Pornografie hat das Leben der 44-Jährigen dann vollkommen verändert. Das Thema ließ sie nicht mehr los. Simonian fragte sich, was denn Pornografie wirklich sei? Das, was man gratis auf YouPorn sehen kann? Sie suchte nach etwas anderem und wurde bei einer weltweilt wachsenden Nische feministischer Pornoregisseurinnen, wie etwa Erika Lust oder Petra Joy, fündig. Simonian stellte sich schließlich die Frage, was sie denn drehen würde, und damit war der Beginn ihrer zweiten Karriere gelegt. „Ich war so Feuer und Flamme, dass ich mir alle technischen Sachen selbst beibrachte und letztendlich den Sängerinnenberuf an den Nagel hing.“ Vor rund einem Jahr ging ihre Website Arthouse Vienna online, die einen neuen, feministischen und ästhetischen Zugang zur Pornografie verspricht und über die sie ihre eigenen Produktionen vertreibt. „Feministische Pornografie bedeutet für mich, dass ich das Ganze aus der Sicht einer Frau zeige und dass man jede Sekunde respektvoll mit den DarstellerInnen umgeht und sie nie zu etwas zwingt“, so Simonian.

Ein großartiger Feminismus-Fan war sie davor eigentlich nie. Simonian wuchs in den 1980er Jahren mit Feministinnen wie Andrea Dworkin oder Catharine MacKinnon auf, die Pornografie per se als Vergewaltigung ablehnen. „Natürlich waren sie für ihre Zeit sehr wichtig. Aber vieles hat sich weiterentwickelt“, sagt Simonian. Die klassische Mainstream-Pornografie, die nur den männlichen Aspekt zeige, interessiere sie nicht und auch von strengen Dogmen am Set hält sie nichts; sie wolle vor allem ausloten, was sie „Psychologie der Sexualität“ nennt. Genauso wie sie für ihre Opernrollen ein Psychogramm erstellt hat, geht sie auch jetzt vor. „Die Authentizität ist mir irre wichtig. Die Körperlichkeit, die Körpersprache. Wie drückt sich der Körper aus?“ Vieles von dem, was in ihrem Filmen passiert, ist die Entscheidung der DarstellerInnen. Simonian arbeitet Großteils mit Laien und experimentiert mit besonderen Settings. Die Künstlerin geht vollständig in ihrer neuen Berufung auf. Sehnsucht nach der Bühne habe sie keine. Was sie jungen KünstlerInnen am Beginn ihrer Karriere rät? Bescheiden bleiben!

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