Innerhalb der letzten zehn Jahre hat die Neue Musik eine wichtige Stelle an der mdw gewonnen. Als Lehrer und Verantwortlicher für die Neue Musik an der mdw und Nachfolger von Peter Burwik habe ich mir als Ziel gesetzt, die Studierenden mit anspruchsvollen Meisterwerken der zeitgenössischen Musik zu konfrontieren und sie bei der Erarbeitung des Repertoires des 20. und 21. Jahrhunderts zu unterstützen.
Im Rahmen des Praktikums Musik der Gegenwart, das alle Konzertfachstudierenden als Pflichtfach absolvieren müssen, gelangen die einstudierten Programme nicht nur in hausinternen Konzerten zur Aufführung, eine gelungene Initiative war und ist, diese Konzerte auch außerhalb der mdw einem interessierten Publikum zu Gehör zu bringen.
Ein kleiner Rückblick: Im Herbst 2008 konnte ich zum 100. Geburtsjahr des Komponisten Olivier Messiaen im Gläsernen Saal des Wiener Musikvereins ein Porträt-Konzert organisieren. Studierende der Konzertfachklassen führten u. a. Schlüsselwerke wie Couleur de la cité celeste und Oiseaux exotiques für Klavier solo und Ensemble mit sehr hoher Professionalität auf. Im Jahr 2010 gab es die erste Kooperation mit dem Arnold Schönberg Center anlässlich eines Festkonzertes zum 85. Geburtstag von Pierre Boulez, bei dem ich als Assistent in einigen Produktionen arbeiten durfte. In Anwesenheit des Komponisten haben wir die beiden wichtigen Werke des 20. Jahrhunderts, Arnold Schönbergs Pierrot lunaire und Pierre Boulez‘ Le marteau sans maître gemeinsam aufgeführt. Weitere Klassiker der Moderne, u. a. Kammerkonzerte von Alban Berg und György Ligeti, Trossova-Lieder von György Kurtág, Mouvement – vor der Erstarrung von Helmut Lachenmann, Sur Incises für Ensemble von Pierre Boulez oder Erwartung von Arnold Schönberg mit KS Deborah Polaski, wurden erarbeitet. Im Jahr 2012 kam auf meine Einladung hin der deutsche Komponist Helmut Lachenmann, der sogar als Sprecher in seiner Komposition Zwei Gefühle – Musik mit Leonardo agierte. In den folgenden Jahren gab es interessante Begegnungen der Studierenden mit den bedeutenden zeitgenössischen Komponisten Tristan Murail, Beat Furrer, Georg Friedrich Haas, Michael Jarrell und Bernhard Lang. Salvatore Sciarrino konnte wegen einer Krankheit leider nicht persönlich zu seinem Schwerpunktkonzert nach Wien kommen.
Ein eigens vom Dekanat eingerichteter Schwerpunkt Neue Musik, der seit 2010 im Studienplan verankert ist, hat sich in den letzten Jahren sehr erfolgreich entwickelt und wurde auch in die neuen Studienpläne integriert. Spezifische Spieltechniken, die in der Neuen Musik einen wesentlichen Bestandteil darstellen und im herkömmlichen Unterricht nicht ausreichend behandelt werden können, werden durch Spezialist_innen von zeitgenössischen Ensembles, vor allemdes Klangforum Wien, für jedes einzelne Instrument gesondert unterrichtet. Die rhythmische Lesbarkeit, das Interpretieren von neuen Klangstrukturen und natürlich das Zusammenspiel sind große Herausforderungen und Bereicherungen für das Instrumentalstudium. Die Zusammenarbeit mit den Musiker_innen des Klangforum Wien zeigt auch in der langfristigen Interaktion bei Besetzung beziehungsweise Neugründung von zeitgenössischen Spezialensembles positive Signale.
2012 ist die Neue Musik zum Joseph Haydn Institut der mdw übersiedelt und mit einem eigenen Budget für die verschiedenen Projekte und Workshops sowie für den Ankauf von fehlenden Instrumenten dotiert worden. In diesem Kontext sind die alljährigen Komponist_innen-Schwerpunkte entstanden, wobei international bekannte Komponist_innen für zeitgenössische Musik mit den Studierenden eine Woche lang ihre Werke erarbeiten, die anschließend in einem Konzert an der mdw und einem Konzert im Arnold Schönberg Center aufgeführt werden.
Im Jahre 2016 wurde an der mdw sowohl eine Professurfür Neue Musik als auch der Master für Neue Musik eingerichtet. Als neu berufener Professor für Neue Musik bin ich für die Leitung der Abteilung Neue Musik und die künstlerische Betreuung des Masters Neue Musik Ensemble verantwortlich. Die zentralen Aufgaben bestehen darin, die Neue Musik an der mdw weiterzuentwickeln und mit dem Aufbau des Webern Ensemble Wien einen kontinuierlichen Klangkörper für die Interpretation von zeitgenössischer Musik durch Spezialist_innen zu schaffen. Ein erster gelungener Start dieses Ensembles fand in diesem Jahr statt: Das Webern Ensemble Wien mit elf Studierenden spielte in einem Kooperationsprojekt mit dem Shanghai Conservatory of Music an zwei Abenden in Schanghai jeweils chinesische und österreichische Komponist_innen mit großem Erfolg.
Weitere Auftritte, u. a. bei Wien Modern, mit einem avantgardistischen Programm mit Werken von Dieter Schnebel, Klaus Huber, Bruno Maderna, Cornelius Cardew und Harrison Birtwistle im Odeon Theater in Wien sind in Arbeit.
Durch enge Kooperationen und den Austausch mit anderen Instituten für Neue Musik an anderen Musikuniversitäten beziehungsweise Hochschulen können die Studierenden ihre Kontakte und ihr Repertoire erweitern.
Das internationale Projekt LOLA führte beispielsweise im Dezember 2017 zu einem außergewöhnlichen Konzert mit Live-Stream der in London spielenden Musiker_innen des Royal College of Music, die gleichzeitig mit den in Wien spielenden mdw-Studierenden neue Werke von österreichischen und englischen Kompositionsstudierenden aufführten.
Weiters ist auch die institutsübergreifende Zusammenarbeit mit dem Institut für Musikleitung zu erwähnen. Die Dirigierstudierenden haben die Möglichkeit, die von mir und meinem Kollegen Jaime Wolfson einstudierten Ensemblestücke regelmäßig im Rahmen ihrer Lehrveranstaltung Neue Musik am Institut für Musikleitung (Leitung Simeon Pironkoff) zu erarbeiten.
Bei der mdw-Veranstaltung Auftakt im ORF RadioKulturhaus gab es mehrmals Aufführungen mit Neuer Musik in enger Zusammenarbeit mit dem Institut für Komposition, Elektroakustik und TonmeisterInnen-Ausbildung, als eine wichtige Plattform für junge Kompositionsstudierende zur persönlichen Profilierung.
Das Ludwig van Beethoven Institut für Klavier und Cembalo in der Musikpädagogik (Leitung Johannes Marian) organisiert jedes Jahr im Februar die Wiener Tage der zeitgenössischen Klaviermusik, einen Interpretationskurs, verbunden mit einem alle zwei Jahre wiederkehrenden Kompositionswettbewerb für Klavier.
Auch bei der isa, der Internationalen Sommerakademie der mdw (Leitung Johannes Meissl), gibt es die Sparte Contemporary Music mit Interpretationskursen Neuer Musik für Instrumentalist_innen und auch für bestehende junge Ensembles für zeitgenössische Musik im Zusammenhang mit dem Kompositionskurs. Auf meine Einladung hin wirken dort prominente Solist_innen von verschiedenen bedeutenden europäischen Ensembles für Neue Musik als Dozent_innen.
Veranstaltungshinweis
Jean-Bernard Matter wird bei Wien Modern am 27. November 2018 mit dem Projekt „Harakiri“ vertreten sein.