Doris Ingrisch, Marion Mangelsdorf, Gert Dressel, Hg., Wissenskulturen im Dialog. Experimentalräume zwischen Wissenschaft und Kunst (Edition Kulturwissenschaft 120), Bielefeld: transcript 2017, 270 Seiten, ISBN: 978-3-8376-3698-7.
Das Buch stellt das Dialogische als zentrales Prinzip in den Mittelpunkt des Denkens über Kunst und Wissenschaft. Erst der Dialog – verstanden als Kunst des ergebnisoffenen gemeinsamen Denkens – schaffe einen Möglichkeitsraum, in dem Kunst und Wissenschaft ihre Potenziale entfalten können, um zur Lösung gesellschaftlicher Probleme beizutragen.
Der wissenschaftliche Sammelband ist in drei Themenblöcke gegliedert: Experimentalräume als epistemologische und methodische Herausforderungen, Dialogkulturen erproben und Experimentalräume eröffnen und gestalten. Herstellungslogiken von Wissensgenerierungsprozessen werden hinterfragt, Organisationsformen von Wissen(schaften) und Kunst thematisiert und es wird den jeweils unterschiedlichen „Wirklichkeiten“ und „Wahrheiten“ nachgegangen. Der hegemoniale Modus der Wissensgenerierung, der nach Entweder-oder-Kategorien und bipolaren beziehungsweise dichotomen Trennlinien funktioniert, wird infrage gestellt.
Das Buch zeichnet sich nicht zuletzt auch durch das breit aufgestellte transdisziplinäre Team der Herausgeber_innen und Autor_innen aus: Sozial- und Kulturwissenschaftler_innen, Historiker_innen, Journalist_innen, Erwachsenenbildner_innen, Kunst-Kurator_innen, Genderforscher_innen, Theater-, Medien- und Filmwissenschaftler_innen, Dramaturg_innen, Performance-Künstler_innen und -forscher_innen, Choreograf_innen, Tänzer_innen, Künstler_innen und Kunstfiguren aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und den USA.
Die einzelnen Beiträge sind u. a. auch Ergebnis eines mehrjährigen Experimentierens und Austauschens und der Tagungstrilogie Wissenskulturen im Dialog (Versuchsanordnungen – Umkreisungen – Interferenzen), wobei die Tagungen selbst als experimentelles Forschungsformat und auch methodologisch genutzt wurden. Der klassische Wissenschaftsband setzt an einigen Stellen kreative Gedanken grafisch-bildtechnisch experimentell um und verweist auch mit der Cover-Grafik von Lisette Rosenthal gelungen auf das „Dazwischen“, das Begegnen, das In-der-Schwebe-Halten des Dialogischen zwischen Kunst und Wissenschaft.
Die theoretischen, praktischen und experimentellen Angebote bieten ein großes Potenzial für eine kritische Weiterentwicklung der in die Krise gekommenen Gesellschaft; für das Handling des die Wissenschaft unterminierenden „Postfaktischen“ und gegen die Beliebigkeit des „anything goes“, die auch den Künsten ihren Stachel zu nehmen droht. Das Buch bietet dabei keine simplifizierend-eindimensionalen Handlungsanleitungen, sondern vielmehr eine lohnende Lektüre, Angebote zum Weiterdenken, zum Widersprechen und zum Eintreten in einen Dialog mit Bekanntem und Unbekanntem.