Die internationalen Konzertreisen des WebernKammerchors
Kurz bevor das vielstimmige Aushängeschild der mdw einmal im Jahr zu einer seiner Reisen nach Europa oder Übersee aufbricht, präsentiert Chorleiter Alois Glaßner mit seinem Ensemble das musikalische Programm dem heimischen Publikum unter dem Titel „Farewell“. Aber warum reist der Chor regelmäßig in die Ferne? Und was bringt das den Sänger_innen?
Seit seiner Gründung als Kammerchor der damaligen Hochschule für Musik und darstellende Kunst Wien – heute mdw – durch Herwig Reiter im Jahr 1983 hat sich der Chor einen fixen Platz im Wiener Konzertleben erobert. Er setzt sich aus chorinteressierten Studierenden der mdw zusammen, die sich jeweils für ein Studienjahr zusammenfinden, um sich Chormusik aller Stilrichtungen und Epochen zu widmen. Im Jahr 1999 wurde er in WebernKammerchor umbenannt, analog zum Webern Symphonie Orchester, und seit damals haben ihn Alois Glaßner und Johannes Hiemetsberger, der den Chor von 2011 bis 2016 leitete, sukzessive zu einem eigenständigen Ensemble mit höchstem Qualitätsanspruch aufgebaut. „Ich sehe den WebernKammerchor als qualitativ interessantes und hochkarätiges Angebot im Chorbereich am Haus“, erklärt Alois Glaßner im Gespräch mit dem mdw-Magazin. Die Teilnahme sei in kein Pflichtfach eingebunden, sondern im Rahmen eines freien Wahlfaches für alle Sänger_innen freiwillig. „Wenn man einen guten Chor haben will, den niemand zwingend besuchen muss, braucht man gute Angebote für die Studierenden, die alle sehr beschäftigt sind. Chorarbeit auf einem anspruchsvollen Niveau ist zeitintensiv“, führt Glaßner aus.
Motivierende Aufgaben anbieten
Die dezidierte Entscheidung der Sänger_innen für ihr Mitwirken im Chor, ihre investierten zeitlichen und finanziellen Ressourcen erfordern also seitens der Leitung und Organisation viel Engagement und einige Voraussetzungen, wie etwa interessante Projekte, musikalisch hochwertige Arbeit und ein gutes Probenklima, um im Spannungsfeld zwischen Pflichtfächern im Studium und außeruniversitären Angeboten für gesanglich fortgeschrittene Studierende interessant zu sein und zu bleiben.
Solche attraktiven Projekte sind z. B. die internationalen Tourneen. Ein wesentliches Ziel über die letzten Jahre hinweg war und ist für den Chorleiter, jährlich eine Konzerttournee in Verbindung mit akademischem Austausch zu organisieren. Dafür werden die weitreichenden Verbindungen der mdw zu anderen Kunstuniversitäten und -hochschulen genutzt sowie neue Kontakte geknüpft, um sich die jeweiligen Chortraditionen und Ausbildungen im Fach Chorleitung genau ansehen zu können. Vor allem auch für die Studierenden stellt es eine Bereicherung dar, andere Zugänge und Herangehensweisen kennenzulernen und internationale Freundschaften zu schließen.
Gegenseitiges Interesse wecken
Darüber hinaus soll es im Sinne eines musikalischen Brückenschlages auch gemeinsame Projekte geben, mit der Option, die Ensembles nach Wien einzuladen. „Bereits Johannes Hiemetsberger hat mit dem Chor Austauschreisen unternommen, etwa nach München und Helsinki. Unser Konzept habe ich unter dem Titel Choral Bridges vor einigen Jahren an der mdw eingereicht. Die Universität unterstützt diese ressourcenintensiven Projekte tatkräftig, und so waren wir in den vergangenen drei Jahren bereits fleißig unterwegs“, erläutert Glaßner. Das Ensemble traf in diesem Rahmen bisher mit dem Madrigalchor der Hochschule für Musik und Theater München, den Mississippi Concert Singers (USA), den Chamber Singers der University of Illinois (USA) und Studierenden der ESMUC (Escola Superior de Musica de Catalunya, Barcelona) zusammen – sowohl in deren jeweiliger Heimatuniversität als auch an der mdw. Zuletzt machte sich das Ensemble „auf Bachs Spuren“ nach Deutschland auf und gab im Rahmen dieser Reise Konzerte in Leipzig, Arnstadt, Jena und Weimar. Mit dem Kammerchor der Weimarer Universität für Musik Franz Liszt wurde ein Austauschprogramm gestartet.
Im April 2019 reist der WebernKammerchor auf Einladung zum Internationalen Musikfestival Bogotá, Kolumbien. Im Gepäck hat das Ensemble zwei unabhängige Konzertprogramme – Franz Schuberts Messe in Es-Dur sowie ein anspruchsvolles A-cappella-Programm. Für 2020 ist wieder eine Tournee innerhalb Europas geplant.
Bereichernd Neues entdecken
Die unterschiedlichen Chor- und Ausbildungstraditionen interessieren den Professor für Chorleitung weltweit. Gerade das amerikanische System unterscheidet sich von den europäischen Traditionen erheblich. Universitäten und Colleges investieren viele Mittel in Form von Stipendien in ihre Chöre aus der Erkenntnis heraus, dass Chorsingen über das Musikalische hinaus Potenzial für Team-Building, Society-Building, Identitätsstiftung und die Imagepflege der Universitäten hat. Dies wirkt sich über die intensivierte Probenzeit letztlich auch auf die musikalische Qualität aus. Allerdings sind innerhalb der USA die Voraussetzungen von Bundesstaat zu Bundesstaat unterschiedlich – einem stark ausgeprägten Chorwesen zum Beispiel in Texas stehen eine Reihe von Bundesstaaten gegenüber, bei denen in diesem Bereich kaum Aktivitäten gesetzt werden. In Europa weiß Alois Glaßner vor allem vom skandinavischen und vom englischen Chorwesen, aber auch von unterschiedlichen mittel- und osteuropäischen Chortraditionen zu berichten.
Dem ist nichts mehr hinzuzufügen, und so wünschen wir abschließend dem WebernKammerchor und seinem Leiter noch viele „Farewell“-Aufbrüche zu spannenden und bereichernden Chortourneen.