Nach Milan Kundera verdankt die Weltkultur Europa den Roman und die Symphonie. Einen Roman zu lesen ist kein Problem, das kann jede_r selbst. Aber eine Symphonie braucht ein Orchester, um erklingen zu können. Es war ein jahrhundertelanger Weg der Entwicklung bis zu den klassischen und romantischen Orchesterapparaten mit immer mehr Instrumentalist_innen. Und diese Entwicklung dauert weiterhin an. Egal ob es sich um ein Blas- oder Streichorchester oder um eine Big Band handelt, alle brauchen Instrumente, die erst einmal erzeugt werden müssen. Da steckt viel Erfahrung, Wissen, Können, Denken, Handarbeit, Kreativität etc. drinnen. Ohne Instrumente kann kein Orchester eine Symphonie spielen. Es gibt aber auch noch andere Voraussetzungen für das Funktionieren eines Orchesters: Logistik, Management, Marketing, Architektur, Kulturpolitik etc. Noch bevor auch nur ein Ton zu hören ist, hat ein Orchester schon sehr viel Geld gekostet. Und dann kommen noch die Musiker_innen dazu, die mit ihrem Können nach vielen Proben die Symphonie erklingen lassen. Dafür wurden sie jahrelang ausgebildet, was wiederum vielen Musiklehrer_innen Arbeit garantiert hat.
Das Orchester ist in seiner ganzen Komplexität ein gutes Beispiel für den gesamten Kulturbetrieb. Es scheint in Politik und Gesellschaft die Tendenz vorzuherrschen, alles unter dem Aspekt der Ökonomie zu betrachten. Das bekommt auch ein Orchester, eine Musikuniversität oder der Musikbetrieb insgesamt zu spüren. Viele lassen sich auf diese Tendenz ein und rechtfertigen sich dann mit dem Argument der Umwegrentabilität oder der Wertsteigerung einer Marke. Natürlich sind wirtschaftliche Überlegungen wichtig, aber sie können nicht alles sein. Viel wichtiger als der finanzielle ist doch der kulturelle Wert.
Orchester mitsamt der dazugehörigen Infrastruktur sollte sich eine Gesellschaft, die sich als eine europäische versteht, auf jeden Fall leisten. Investitionen in Orchester und in die künstlerische Ausbildung sind Investitionen in die Zukunft einer Gesellschaft, in deren Vielfalt und Einheit zugleich. Ein Orchester gibt genau in diesem Punkt ein Sinnbild der Gesellschaft, denn es verkörpert Vielfalt und Einheit in einem: Jede Stimme zählt, doch wer nicht mitspielt, wird auch nicht gehört.