Sich für das Theater zu entscheiden war, ein großer Schritt für den griechisch-deutschen Theaterregisseur. Sein Motto: Verteidige was du liebst. Heute lebt und arbeitet Sarantos Zervoulakos in Athen und Wien – zwei Metropolen, die auf den ersten Blick kaum gegensätzlicher sein könnten.

Fünf Jahre lang studiert Sarantos Georgios Zervoulakos Medizin und arbeitet nebenbei als Regieassistent, bevor die endgültige Entscheidung für das Theater fällt. „Ich hatte mittlerweile den professionellen Theaterbereich besser kennengelernt und wusste, worauf ich mich einlasse. Heute finde ich, es war der mutigste Schritt, den ich je gewagt habe.“

© Thanassis Stahopoulos

Entfacht wurde seine Leidenschaft schon in frühester Kindheit. Seine deutsche Großmutter, die selbst als Kind Weihnachten nur im Krieg kannte, inszenierte für ihre Enkel Jahr für Jahr ein märchenhaftes Weihnachtfest mit viel Liebe zum Detail. Sarantos war damals das einzige Familienmitglied, das bei den Vorbereitungen „backstage“ dabei sein durfte, und so erlebte er die Freude, etwas vorzubereiten, hautnah. Es war „meine erste Regieassistenz“ – im Alter von fünf Jahren.

Geboren 1980 in Thessaloniki, Griechenland, wächst er zunächst in Deutschland auf. Bereits in der Schule kann er sich auf der Bühne ausprobieren und auch die gemeinsame Arbeit an einer Inszenierung erleben. Eine Erfahrung, die der junge Regisseur als sehr prägend beschreibt.

Als seine Entscheidung für den Theaterberuf steht, fällt die Wahl auf das Max Reinhardt Seminar. Aus verschiedenen Quellen hatte er erfahren, dass das Ausbildungsmodell des Instituts eine klare Zusammenarbeit zwischen den Studienrichtungen Schauspiel und Regie vorsieht und es eine besondere Möglichkeit wäre, um das Wesen der Schauspieler_innen ganz aus der Nähe kennenzulernen. „Da im Zentrum meines Interesses schon immer die Arbeit mit den Schauspieler_innen stand, war das ein ausschlaggebender Grund, um mich am Seminar zu bewerben.“ Eine Woche nach der Aufnahmeprüfung zieht der angehende Regiestudent nach Wien.

Tatsächlich stellte sich später der ständige Austausch mit den Schauspielstudierenden als ein wichtiger Impuls für seine Arbeiten heraus, aus gemeinsam erlebten Momenten entstanden so Ideen für Stücke, Besetzungen und Projekte. Aus seinen Begegnungen setzt er sich ein persönliches Mosaik der Inspiration zusammen. Ihn interessieren die Fehler, die seine Vorbilder machen, besonders dann, wenn sie ein offenes Gespräch darüber zulassen, „denn dann kann man wirklich etwas von ihnen lernen“, erklärt er. Die unkritische Anbetung eines Idols interessiert ihn nicht.

Den Einstieg ins Berufsleben beschreibt er als sehr intensiv, mit einigen Herausforderungen und vielem, was es zu lernen gibt. 2011 wird Sarantos Georgios Zervoulakos für seine Inszenierung von Eine Sommernacht von David Greig und Gordon McIntyre im Vestibül des Burgtheaters für den Nestroy-Theaterpreis in der Kategorie „Bester Nachwuchs“ nominiert. Im Jahr darauf folgt die Nennung in der Kategorie „Bester Nachwuchskünstler“ in der Zeitschrift Theater heute sowie zahlreiche Tätigkeiten in renommierten Theaterhäusern wie dem Residenztheater München oder dem Schauspielhaus Graz.

Als besonderen Passus in den letzten zehn Jahren beschreibt der Theaterregisseur den professionellen Schritt vom deutschsprachigen in den griechischen Theaterraum. Dabei erfährt er die Übersetzung seiner Erfahrungen und der erlernten „Tools“ in seine zweite Muttersprache als Abenteuer und große Freude.

Vor etwa sieben Jahren entwickelt er schließlich seine erste Idee zu einem Format, das er Eteria Filon nennt (aus dem Griechischen übersetzt: Gesellschaft der Freunde). Seit 2016 setzt er sich hier für die Realisierung internationaler und interdisziplinärer Theaterprojekte ein, mit besonderem Fokus auf die Zusammenführung deutsch- und griechisch-sprachiger Künstler_innen und der Überwindung von sprachlichen Hürden. „Mein grundsätzliches Anliegen war und ist dabei, künstlerisch auf die heutige, europäische Lebensrealität zu antworten. Ich bin selbst in einer mehrsprachigen Familiensituation aufgewachsen. Das Zusammenleben von Menschen mit verschiedener Herkunft hat für mich viel mit der Lebensrealität in Europa zu tun und davon möchte ich erzählen. Auf den Theaterbühnen finde ich diese Vielsprachigkeit als Spiegelung einer zeitgenössischen Gesellschaft leider immer noch nicht ausreichend vertreten.“

Diversität hat für den Ausnahmeregisseur einen hohen Stellenwert und beschreibt eine entscheidende Quelle seiner Inspiration. „In dem Umfeld, das mich in der jeweiligen Produktion umgibt, finde ich einen besonderen, persönlichen Zugang zu meinen Arbeiten. Wenn ich etwas über eine internationale, zusammengewachsene, diverse Gesellschaft erzählen möchte – und das möchte ich – brauche ich dieses Umfeld besonders!“

Mit seinem aktuellen Projekt, die Bühnenversion des österreichischen Kinofilms Die Migrantigen, ist Zervoulakos derzeit in den Kammerspielen des Theaters in der Josefstadt zu Gast. Danach geht es wieder für eine Inszenierung nach Athen. „Wien ist und bleibt meine künstlerische Heimat. Aber die griechische Heimat nun auch für meine Arbeit auf der Bühne zu entdecken, das beinhaltet einen großen Reiz. Es sind die Kontraste der beiden Städte, die mich inspirieren.“ Schlussendlich aber ist für den Künstler das Theater wie ein eigenes Land, in dem er sich überall zu Hause fühlen kann.

 

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