„Der Körper macht sehr viel richtig, das Training ist eine ‚helping hand‘“, sagt Aleksandar Acev, seit Oktober Professor für körperliches Basistraining und körperliche Gestaltung am Max Reinhardt Seminar. Die Studierenden lernen die eigenen körperlichen Bewegungen als Mittel der Darstellung wahrzunehmen. „Es geht um die Verkörperung von ‚etwas‘: Emotionen, Empfindungen, Erinnerungen, Wahrnehmungen, Gedanken, Imagination“, erklärt Aleksandar Acev. Die Entwicklung eines eigenen Bewegungsrepertoires der Studierenden zur körperlichen Umsetzung einer Rolle beziehungsweise Figur ist dabei zentral. „In meinem Unterricht ist der Fokus u. a. auf Raumlehre, Artikulation und Musikalität der Bewegung, dem Typ der Bewegungen und Gesten. Diese Inhalte drücken sich manchmal in ganz alltäglichen Tätigkeiten aus: Stehen, Gehen, Sitzen, Fallen, Handshake, Steinwurf usw. Es muss nicht immer etwas Spektakuläres sein“, erläutert Acev. Der Unterricht besteht überwiegend aus praktischen Übungen: „Ich lege zum Beispiel meine Hand auf die Schulter einer Person. Ich wiederhole das mehrmals – einmal mit dem Blick zu ihrem Gesicht, dann mit Blick zum Körper, über ihren Kopf, neben ihren Kopf, mit Blick zum Publikum, zum Himmel, zum Boden, zu meinem Körper usw. Meine Hand lege ich immer wieder auf ihre Schulter, aber mein Blick erzeugt jedes Mal neue Bedeutungen oder Interpretationsmöglichkeiten. Wenn ich noch die Dynamik der Geste verändere, die Atmung oder die Spannung meiner Hand, entstehen neue Nuancen und Bedeutungen mit Wirkung auf die andere Person, auf das Publikum und auf mich selbst. Noch wichtiger als die Aktion ist die Reaktion auf meine Bewegung! Zwei Bewegungen reichen, um eine kleine Geschichte zu erzählen.“

© Hanna Lippmann

Sich und die eigenen Bewegungen (neu) zu entdecken ist im Unterricht maßgeblich. Wobei Aleksandar Acev Erwartungen und vielleicht vorgefertigte Meinungen der Studierenden beiseite schieben möchte. Studierende, die eine „Gebrauchsanweisung“ für den Einsatz des Körpers erwarten, werden enttäuscht. „Das Training ist eine Art Entdeckungsreise, in dem Schauspielstudierende ihre Erfahrungen sammeln und sortieren. Oft ergeben sich durch die Übungen mehr Fragen als Antworten“, sagt er. Interessant ist hierbei weniger, was man kann, als was man nicht kann. Acev dazu: „Die Phase der Entdeckung der eigenen Inkompetenzen kann manchmal sehr unangenehm sein. Die Körperlehre ist ein künstlerischer Prozess, der die Studierenden von der Entdeckung unbewusster Inkompetenz zur bewussten Inkompetenz und von bewusster Kompetenz letztendlich zu unbewusster Kompetenz führt.“

Die Arbeit und Auseinandersetzung mit dem Körper und der Bewegung ist für Schauspielstudierende wichtig, um zu einem authentischen Ausdruck zu gelangen. „Wenn bei der Entstehung und Ausführung einer Bewegung eine eigene Entscheidung oder der Instinkt im Zentrum stehen und sich die Bewegung nicht so sehr auf eine gegebene Form bezieht, gibt es eine größere Chance, dass die Bewegung authentisch wirkt“, erklärt Acev. Das Training soll den Studierenden helfen, sich von Gewohnheiten und Mustern in der Bewegung zu befreien.

Aleksandar Acev selbst hat eine breite künstlerische Ausbildung absolviert. Neben einer Ballettausbildung am Kroatischen Nationalballett in Zagreb nahm er Unterricht in zeitgenössischem Tanz und „Modern Mime“. Die Ballettkarriere verfolgte er nicht weiter, sondern trat als Mime im ehemaligen Jugoslawien auf und wurde auch dank zahlreicher Auftritte im kroatischen Fernsehen einem großen Publikum bekannt. Sein Weg führte ihn schon bald ins Ausland. „Ich hatte das Privileg in 20 Ländern künstlerisch zu wirken. Dieser kulturelle Austausch mit dem Fremden und Unbekannten hat mich sehr geprägt“, erinnert er sich. Zu seiner eigenen darstellerischen Arbeit kamen seine Tätigkeit als Regisseur und später der Wunsch zu Unterrichten hinzu. „Langsam und organisch hat sich eine dreifache Aktivität entwickelt, indem die Darstellung die Regie nährt, Regiearbeit den Unterricht bereichert und der Unterricht die Choreografie nährt“, sagt Acev. Seine Arbeit hat ihn immer wieder an ungewöhnliche Theaterorte geführt, z. B. erarbeitete er in einem Gefängnis in Berlin ein Stück mit den Insassen als Darsteller. „Die Art von Theater an untypischen Orten hat eine Tendenz zum ‚ungewöhnlichen Körper‘ – zu einem Körper gegen die Regel“, so Acev. Seine Aufgabe als Lehrender am Max Reinhardt Seminar sieht er in diesem Zusammenhang ähnlich: „Die Studierenden sollen nicht nur leistungsstarke Persönlichkeiten für den Film- und Theatermarkt werden, sondern ich möchte bei Schauspiel- und Regiestudierenden ihre eigene kreative Freiheit, ihre innere Reife, Selbstständigkeit und Unabhängigkeit fördern. Etwas von diesem rebellischen Körper muss bleiben.“

 

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