Gedanken zu forschungsgeleiteter Lehre am Institut für Popularmusik

Das Bekenntnis zur Erschließung der Einheit von Forschung und Lehre am Institut für Popularmusik der mdw gründet sowohl auf einem diskursiven Umgang mit Wissen und Prozessen seiner Generierung als auch auf dem regen Austausch zwischen Akteur_innen aus dem künstlerischen Bereich, Forschenden und Studierenden. Die Rückbezüge der Forschung auf Erfahrungen der Lehre korrelieren mit Erkenntnissen der Lehre, die aus der Entwicklung der Forschung stammen. Die Koexistenz von Wissenschaft und künstlerischer Ausbildung am ipop ermöglicht nicht nur forschungsgeleitete Einblicke im Rahmen der künstlerisch-pädagogischen Ausbildung, sondern auch Forschungsaktivitäten, die in engem Bezug zu Praktiken im Kontext populärer Musik entstehen.

Forschende fungieren als Akteur_innen in der universitären Bildung als Form der Ausbildung beruflicher Professionalität durch Wissenschaft. Gerade der Grundsatz einer verantwortlichen Haltung von Wissenschaftler_innen in Hinblick auf den Erwerb und die Vermittlung von Wissen in und durch die Lehre verleiht der Universität ihre Unverwechselbarkeit (Brinckmann et al. 2002). Als zentralen Stellenwert für die Anwendung von forschungsgeleiteter Lehre können wir Vorgänge der Konzeptualisierung von der Vermittlung von Wissen respektive von Forschungserkenntnissen betrachten. Eine Abwendung vom traditionellen Modell der Beziehung zwischen Lehre und Forschung ist tendenziell zu beobachten. Hierarchische Organisationsstrukturen dominieren diese Modellbildung, Fragen der gesellschaftspolitischen Relevanz oder auch der Verantwortung des Subjekts im Prozess der Forschung und der Vermittlung von Wissen werden kaum thematisiert. Die Funktion von Studierenden beschränkt sich vorwiegend auf die Rolle passiver Empfänger_innen von scheinbar objektiv existierenden Wissensinhalten und Erkenntnissen.

Als eine der Grundlagen für die forschungsgeleitete Lehre gilt es, Studierenden eine forschende Grundhaltung zu vermitteln. Studierende werden im eigenen wissenschaftlichen Arbeiten durch vorgegebene Problemstellungen und kooperationsorientierte Aufgabenstellungen angeleitet, und zugleich in Forschungsaktivitäten des jeweiligen Instituts eingebunden (Brinckmann et al. 2002; Brew 2006). In Anlehnung an Mick Healey (zitiert nach Jenkins et al. 2007) lässt sich forschungsgeleitete Lehre entlang von zwei Achsen wiederum vierfach typisieren. In der forschungsvermittelnden Lehre erfolgt die Weitergabe von Forschungsinhalten und Ergebnissen. Im Zentrum der forschungsorientierten Lehre steht die Vermittlung etablierter Forschungshaltungen und Methoden. Das Curriculum der forschungsbegleitenden Lehre unterstützt und leitet die Forschungsarbeit von Studierenden, im Rahmen der forschungsbasierten Lehre werden Studierende aktiv in Forschungsprojekte eingebunden.

Studierende dazu zu ermutigen, sich kritisch mit Forschungsaufgaben auseinanderzusetzen und Studierenden Einblicke in eigene „Forschungswerkstätten“ zu gewähren, vermittelt ihnen Ansätze zu konkreter Planung, Konzepterstellung, Umsetzung und Nachbereitungen und bietet die Möglichkeit, praxisorientiert im Forschungsteam zu arbeiten. Studierende setzen sich kritisch mit dem eigenen Wissensstand auseinander, überprüfen diesen in weiterer Folge und wenden Methoden der Selbstreflexion an. Neben problemorientierter Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Fach bzw. der jeweiligen Disziplin mit Perspektiven auf historisch gewachsenes und situiertes Wissen und damit verbundenen hegemonialen Strukturen werden Studierende ermutigt, sich mit interdisziplinären Zugängen und Dimensionen der Differenz, Differenzierung und Intersektionalität zu beschäftigen. Zu den Möglichkeiten forschungsgeleitete Lehre an der Universität zu verankern (Brew 2006), zählen unter anderem Workshops an Fakultäten und Fachbereichen, Veranstaltungen zu (disziplinübergreifenden) Forschungsthemen und die Implementierung von Arbeitsgemeinschaften.

Das ipop versteht sich als Ort der Auseinandersetzung mit der historischen Entwicklung von Musikströmungen in Österreich in Forschung und Lehre, dies findet im aktuellen Studienjahr beispielsweise im Rahmen des Moduls Wien Pop statt. Obgleich im kollektiven Geschichtsgedächtnis vorrangig an männliche Musiker erinnert wird, werden Studierende angeleitet, sich wissenschaftlich mit der nicht unbeträchtlichen Anzahl an weiblichen Musikerinnen auseinanderzusetzen. Die geschichtliche Aufarbeitung dieser Protagonistinnen sowie eine kritische Reflexion über Ausschlussmechanismen in Bezug auf weibliches und queeres Musikschaffen weist in der popularmusikalischen Forschung noch erhebliche Lücken auf. Protagonist_innen aus der aktuellen Szene werden an die Universität eingeladen, so fungierten im Studienjahr 2018/19 in der Vorlesung Ausgewählte Kapitel aus Theorie und Geschichte der Popularmusik (Leitung: Magdalena Fürnkranz/Michael Huber) unter anderem Mira Lu Kovacs und die Band Dives als Diskussionspartner_innen. Vice versa kann der Rückgriff auf die Möglichkeiten, universitäre Lehre auch außerhalb von universitären Räumen zu positionieren, für die Beteiligten neue Perspektiven eröffnen. Das Erproben und Umsetzen von bis dato unbekannten, alternativen, gegebenenfalls widersprüchlichen Herangehensweisen ermöglicht neue Denkräume. Gerade das Bereitstellen solcher Orte, neuer Möglichkeiten bzw. forschungsbasierter „Proberäume“ sollte im Kontext forschungsgeleiteter Lehre zu den zentralen Aufgaben universitärer Lehre zählen.

 

Weiterführende Literatur:

Brew, Angela (2006). Research and Teaching. Beyond the Divide. New York: Palgrave McMillan.

Brinckmann, Hans / Garcia, Omar / Gruschka, Andreas / Lenhardt, Gero / Zur Lippe, Rudolf (2002). Die Einheit von Forschung und Lehre. Über die Zukunft der Universität. Wetzlar: Büchse der Pandora.

Gibbons, Michael / Limoges, Camille / Nowotny, Helga / Schwartzman, Simon / Scott, Peter / Trow, Martin (1994). The new production of knowledge. The dynamics of science and research in contemporary societies. London: Sage.

Jenkins, Alan / Healey, Mick / Zetter, Roger (2007). Linking teaching and research in disciplines and departments. York: HEA.

Muckenhuber, Johanna / Schmidinger, Thomas / Tieber, Claus (Hrsg.) (2010). Die Kunst der Lehre: Hochschuldidaktik in Diskussion. Berlin: LIT Verlag.

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