Ähnlich wie der Begriff der Nachhaltigkeit in all seinen Facetten, ist auch das Wort „Digitalisierung“ in aller Munde und ein Zeichen unserer Zeit. Doch was bedeutet Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit der Digitalisierung, und kann umgekehrt die digitale Transformation zu mehr Nachhaltigkeit führen? Kann die Digitalisierung bewirken, dass Ressourcen nachhaltiger genutzt werden, und was würde das für eine Universität für Musik und darstellende Kunst bedeuten?

An der mdw treffen in diesem Kontext mehrere Positionen und Problemstellungen aufeinander. Doch wie ist der Spagat zwischen der Öffnung der Wissenschaften und dem Schutz von Urheber- und Verwertungsrechten künstlerischer Werke zu schaffen?1 Denn es gilt, sowohl das an der mdw generierte Wissen festzuhalten und für möglichst viele (nachhaltig) zugänglich zu machen, als auch urheberrechtlich geschützte Werke zu archivieren – und somit Teile des kulturellen Erbes zu bewahren und in weiterer Folge auch für ein nicht-wissenschaftliches bzw. -künstlerisches Publikum zugänglich zu machen.*

Als dieser Text entstand, lag die Coronakrise scheinbar in weiter Ferne, die allgemeine Ausgangssperre und damit einhergehende Isolation waren noch unvorstellbar. Wie die Situation aussieht, wenn dieses mdw-Magazin erschienen ist, steht aus heutiger Sicht in den Sternen.

Denn jetzt, Ende März, hat sich auf ungewisse Zeit so gut wie alles verändert – wer kann, arbeitet von zu Hause aus, Kinder werden von den Eltern unterrichtet, Großeltern können nicht mehr um Unterstützung gebeten werden und begeben sich ganz im Gegenteil in Gefahr, wenn sie mit ihren Enkeln zusammen sind. Digitale Tools sind so in kurzer Zeit zur einzigen Möglichkeit geworden, mit der Umwelt in Kontakt zu treten.

Keine Frage, wir sehnen uns nach Zeiten, in denen ohne Sorge Hände geschüttelt wurden und eine herzliche Umarmung scheinbar kein Ansteckungsrisiko barg. Diese Krise ist jedoch, wie viele Krisen, eine Chance, unser Leben und den Umgang miteinander zu reflektieren: Halte ich den nötigen Abstand oder bedränge ich unbewusst andere? Nehme ich die Menschen in meinem direkten Umfeld wahr oder kapsle ich mich (am Smartphone) ab? Die Hoffnung besteht, dass das „digitale Zusammenrücken“ Post-Corona zu einem realen Zusammenrücken führt.

Bei allen coronabedingten privaten Tragödien und Folgen, die heute noch nicht absehbar sind, ist doch eines schon jetzt, nach einigen Wochen der eingeschränkten Mobilität, sichtbar: Die CO2-Werte in unserer Atmosphäre haben sich bedeutend verbessert. Es wäre mehr als wünschenswert, dass wir, wenn wir wieder mobil sein können, nicht zu alten Mustern zurückkehren, sondern reflektieren, ob eine Reise wirklich notwendig ist und ob beispielsweise Online-Konferenzteilnahmen regulär als Zusatzangebot vorgesehen werden, um ein Zeichen für den Klimaschutz zu setzen.

Eine weitere positive Entwicklung ist, dass viele Kulturinstitutionen begonnen haben, Online-Angebote für Kinder und Jugendliche zu schaffen – werden diese beibehalten oder ausgebaut, könnte auch nach der Krise der Zugang zu Kunst und Kultur verbreitert werden und Menschen einbeziehen, für die beispielsweise der Besuch eines Konzertabends bis dahin undenk- oder -leistbar war.

Der persönliche Unterricht, der direkte Austausch z. B. im Rahmen von Workshops, das transitorische Moment von Musik- und Theateraufführungen werden durch Corona nicht verschwinden. Die Digitalisierung dient, in ihrer besten Form, als Erweiterung unseres Repertoires an Werkzeugen für Lehre, Forschung und die Künste. Die aktuelle Situation bestätigt das in bisher ungeahnter Weise.

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* In den letzten Jahren entstanden an der mdw Angebote, die diesen Erfordernissen gerecht werden sollen: das Repositorium der mdw für die Nutzung von Forschungsdaten aller digitaler Formate (Text, Audio, Video, Bilder), der Publikationsserver der mdw archiviert Open-Access-Hochschulschriften von mdw-Angehörigen und soll zur Dissemination von Forschungsergebnissen führen. Schon bald soll außerdem ein Verlag an der mdw gegründet werden, der Publikationen inhouse und damit optimal auf die Bedürfnisse angepasste Strukturen und Publikationsformate möglich macht. Angebote zum Austausch (wie das Forum Forschung Digitalisierung) und zur Weiterbildung sind weitere Aktivitäten, die die Digitalisierung nachhaltig an der mdw verankern sollen.2 Zudem ist eine Digitalisierungsstrategie im Entstehen, die den Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation gewidmet ist.

Nicht zuletzt für die Forschung ist die Nutzung digitaler Tools (zur Speicherung, Präsentation und Dokumentation von Forschungsdaten) auch ein Mittel, ihre Sichtbarkeit zu steigern und damit einen Wissenstransfer in die Gesellschaft zu begünstigen. Die Nutzung von Repositorien erlaubt außerdem die Dokumentation des Forschungsprozesses, macht diesen nachvollziehbar und Inhalte sowie Methoden sichtbar. Dies ist beispielsweise für die künstlerische Forschung eine Möglichkeit, Forschungsprozesse abzubilden und so zur Entwicklung oder Erweiterung von Methoden beizutragen. Die gespeicherten Daten sollen nach dem FAIR-Prinzip archiviert werden: Findable – Accessible – Interoperable – Reusable. Um dies zu gewährleisten und gleichzeitig Urheberrechte zu schützen, ist die Vergabe von Lizenzen und das Anlegen von Metadaten essenziell, wobei das Credo „as open as possible, as closed as necessary“ gilt.

Aufgrund der coronabedingten Ausgangssperre arbeitete der Zentrale Informatikdienst der mdw (ZID) in den vergangenen Wochen an der Erweiterung und der Schaffung von IT-Angeboten, um die tägliche Arbeit im Home Office/Classroom optimal zu ermöglichen. Nur so ist derzeit Arbeiten möglich und damit der Erhalt eines (wenn auch eingeschränkten) Universitätsbetriebes gegeben. Unser aller Dank gilt also den Kolleg_innen vom ZID, die dies in so kurzer Zeit geschafft haben und bei Problemen zur Seite stehen!

[quotes quotes_style=“bquotes“ quotes_pos=“center“]Quellen

ALLEA – All European Academies: Sustainable and FAIR Data. Sharing in the Humanities. ALLEA Report, February 2020

Richtlinie des Rektorats zum Forschungsdatenmanagement

Laura Birkelbach, Daniel Preglau, Christian Rammel: White Paper: BNE im Zeitalter der Digitalisierung. Regional Centre of Expertise on Education for Sustainable Development (WU Wien). 2019.

Sonja Fischbauer, Robert Harm, Johann Höchtl: Offene Daten für ein besseres Österreich – Dossier 3, Beitrag #4. In: Werde digital [Blog] 22. 12. 2016, https://www.werdedigital.at/2016/12/offene-daten-fuer-ein-besseres-oesterreich-dossier-3-beitrag-4 (Zugriff 12. 2. 2020)

Heide Hackmann, Dirk Messner (Gastbeitrag): Nachhaltigkeit in einer digitalisierten Welt? In: Frankfurter Rundschau, 22. 9. 2019. https://www.fr.de/meinung/nachhaltigkeit-einer-digitalisierten-welt-13027603.html (Zugriff 12. 2. 2020)

Steffen Lange: Smarte grüne Welt – Digitalisierung zwischen Überwachung, Konsum und Nachhaltigkeit. München: oekom Verlag 2018.

Katja Mayer: DRAFT für die Konsultation bis 19. 4. 2020: Digital Humanities in Österreich. Ergebnisse der Studie „Exploratives Mapping“, Dezember 2019. Wien 2020. https://repository.fteval.at/514/1/DigHumAT%20Report%20Konsultation_preliminary.pdf (Zugriff 5. 3. 2020)

Tilman Santarius und Steffen Lange: Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Triebkräfte für den Wandel? In: Smartopia. Geht Digitalisierung auch nachhaltig? politische Ökologie 155 – 2018. München: oekom Verlag 2018. (S. 20–26)

Sylvia Petrovic-Majer (2017): Eine Hoffnung für den Wandel in der Gesellschaft – Wie das kulturelle Erbe die Zukunft lebendig mitgestalten wird – Dossier 3, Beitrag #8. In: Werde digital [Blog] 1. 2. 2017, https://www.werdedigital.at/2017/02/eine-hoffnung-fuer-den-wandel-in-der-gesellschaft-wie-das-kulturelle-erbe-die-zukunft-lebendig-mitgestalten-wird-dossier-3-beitrag-8 (Zugriff 12. 2. 2020)[/quotes]

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