Am 23. August jährte sich Ernst Kreneks Geburtstag zum 120. Mal. Ernst Krenek (geb. 1900 in Wien, gest. 1991 in Palm Springs, Kalifornien) zählt zu den bedeutendsten und facettenreichsten Komponisten des 20. Jahrhunderts. Er war nicht nur ein herausragender Musiker und Denker, sondern ein ebenso großer Literat und Pädagoge.

Ernst Kreneks langer und merkwürdiger Weg durch beinahe ein Jahrhundert Musikgeschichte begann – von ein paar durchaus anerkennenswerten präludierenden Früh-Entwicklungen abgesehen – an jener historischen Wiener Institution, die heute als mdw –Universität für Musik und darstellende Kunst bekannt ist. Mit einer Suite für Klavier in F-Dur stellte sich der 16-jährige Krenek Franz Schreker vor, der ihn – der Erinnerung Kreneks nach – mit einem genuschelten „ganz nett“ in seine Klasse an der k.u.k. Akademie aufnahm. Um seine Schulausbildung fortsetzen zu können, wurde eine Sonderregelung getroffen, und er wurde von Nebenfächern wie Gehörbildung, Dirigieren und Korrepetieren befreit und konzentrierte sich ganz auf die von Schreker geleiteten Kontrapunktstudien. Wie Kreneks erhaltene Zeugnisse mitteilen, war sein Fleiß in diesem Gegenstand „ausdauernd“ und seine Leistungen „vorzüglich“.

Ernst Krenek Portrait, ca. 1916 © Historisches Museum Wien

Von den Kanons, Fugen und Doppelfugen, die er für die Absolvierung des Faches komponierte, nahm er die letzte Doppelfuge in C-Dur als Opus 1a in sein Werkverzeichnis auf. Sein Klassenkollege Felix Petyrek spielte sie in einem Klassenkonzert am 14. Mai 1918. Stilistisch erweist sich die kleine Komposition als Spiegel der charakteristischsten Merkmale, die damals in Wien als modern galten und die auch die Tonsprache eines Lehrers prägten: spätromantische Harmoniestruktur und gelegentliche Andeutungen von impressionistischen Klängen ergeben sich aus Kreneks eleganter und sicherer Demonstration kontrapunktischer Handwerkskunst.

Nicht nur musikalisch, sondern auch geographisch folgte er seinem Lehrer, nämlich 1920 an die Staatliche Musikhochschule in Berlin, wo er alsbald von einem progressiveren Verständnis von musikalischer Moderne zu einem befreiten Umgang mit Dissonanzen im Hinblick auf eine Maximierung expressionistischer Ausdrucksmöglichkeiten inspiriert wurde. Die von Schreker und dem bürgerlichen Publikum etwas skeptisch aufgenommenen, dafür aber von den Befürwortern der musikalischen Avantgarde gefeierten, frühen Streichquartette und Symphonien lenkten große Aufmerksamkeit auf den gerade 20-jährigen Krenek, der in Musiklexikonartikeln und in musikjournalistischen Beiträgen bereits zu den wichtigen Beiträgern der zukünftigen Musikentwicklung gezählt wurde.

Kurz nach diesen ersten atonal-expressionistischen Erfolgen führte die Erfahrung von Strawinsky, Honegger und dem Pariser Musikleben zu einer Abkehr von einer nur sich selbst genügenden musikalischen Moderne. Das Schaffen von Neuer Musik positionierte Krenek in einem kulturellen und gesellschaftlichen Kontext und damit in Beziehung zu den (Unterhaltungs-)Ansprüchen des Publikums. Der handwerklich so wandlungsfähige Krenek kehrte zu einer harmonisch moderateren Tonsprache zurück, spielte mit neoklassizistischen Formen und integrierte – als Beobachter seiner musikalischen Gegenwart – auch Elemente der populären amerikanischen Modetänze in seine Werke. Diese Entwicklung führte zur Oper Jonny spielt auf, die mit beispiellosem Erfolg die Bühnen Europas in den letzten Jahren der „Goldenen 20er“ eroberte.

Dieser Erfolg erwies sich als äußerst ambivalente Erfahrung und in mehrfacher Hinsicht als entscheidender Wendepunkt in Kreneks Leben und künstlerischer Entwicklung. Von den jubelnden Massen und Theatermanagern genauso irritiert wie von den sich abwendenden Befürwortern der musikalischen Avantgarde zog sich Krenek wieder nach Wien zurück, um sich in der vergleichsweise beschaulich-ruhigen und für Krenek heimatlichen Atmosphäre neue künstlerische und kompositorische Orientierung zu suchen. Die künstlerische Integrität von Karl Kraus oder von Arnold Schönberg und seinem Schülerkreis ließ Krenek seine publikumsorientierte Haltung überdenken und er richtete seine kreativen Energien fortan entlang einer kompromisslos auf künstlerische Kriterien bedachten Einstellung aus. Er gab seine als Sackgasse empfundene „Neo-Romantische“ Tonsprache auf, und eignete sich im Selbststudium das Komponieren mit Zwölf nur aufeinander bezogenen Tönen an.

Ernst Krenek am Klavier, Jahr unbekannt
© Ernst Krenek Institut Privatstiftung

Deutsch-nationale und nationalsozialistische Intrigen in Österreich verhinderten 1934 die Uraufführung von Kreneks erster Zwölftonoper Karl V., die er im Auftrag der Wiener Staatsoper komponiert hatte. Für Krenek war dies nicht nur eine mehr als enttäuschende Erfahrung, sondern auch ein bedrohliches Anzeichen aufkommender politischer Entwicklungen, die ihn 1938 in die Emigration zwangen. Aus finanzieller Notwendigkeit nahm Krenek in den USA mehrere Lehrpositionen an unterschiedlichen Colleges und Universitäten an und entdeckte eine auch für ihn unerwartete Freude am Unterrichten.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs versuchten mehrere deutsche und österreichische Musikhochschulen Krenek für ihre Institution zu gewinnen, darunter auch die Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien. Deren damaliger Präsident, Hans Sittner, machte Krenek zwischen 1949 und 1954 mehrfach Angebote für eine dauerhafte Lehrstelle, die Krenek allerdings (wie auch Angebote anderer Institutionen) nicht motivieren konnten, seinen Lebensmittelpunkt wieder zurück nach Europa zu verlegen. Zu unsicher schien ihm die nochmalige Aufgabe seiner mittlerweile stabilen und vertrauten Verhältnisse im Exilland, dessen Staatsbürger er bereits 1945 wurde.

Die Bemühungen Sittners führten aber immerhin zu einem Kurs, den Krenek im Sommersemester 1956 über Probleme der Reihenkomposition hielt. Und auch in den kommenden Jahren fanden sich Gelegenheiten für Gastvorträge und Festveranstaltungen für runde Geburtstage von Krenek. Zum 60er wurde er zum Ehrenmitglied der Akademie ernannt, was den langen Weg des einstigen Studierenden zumindest symbolisch wieder zurück an die Institution führte, an der er seinen Weg begonnen hatte.

https://www.krenek.at/ernst-krenek

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