Wer kennt sie nicht: Marta Eggerth und Jan Kiepura, das Traumpaar in Film, Oper und Operette – die Superstars der Mitte des 20. Jahrhunderts? Ihre Stimmen haben die Massen begeistert, haben die Genres miteinander verwoben und Menschen in einer Zeit zur Oper und Operette bekehrt, als man diese schon längst an ihrem Ende wähnte. Ihre Auftritte waren für die Medien wie für die Politik stets ein Ereignis. Man konnte sich dem Charisma und der Ausstrahlung der beiden nicht entziehen. Marta Eggerth und Jan Kiepura haben Menschen auf beiden Seiten des Atlantiks verzaubert und verführt. Ihr einzigartiges Timbre bewegt noch heute.
Gleichwohl waren sie 1938 nach dem „Anschluss“ an Nazideutschland gezwungen, Österreich, das die ungarische Sopranistin und der polnische Tenor zu ihrer neuen Bleibe erkoren hatten, den Rücken zu kehren: Jan Kiepura war im Februar 1938 für ein Engagement an der Metropolitan Opera nach New York gegangen; bei einem Auftritt in Paris im September 1939 (in den Tagen des Überfalls auf Polen und des Beginns des Zweiten Weltkriegs) mussten die beiden aber erkennen, dass eine Rückkehr nach Wien nicht mehr infrage kam. Das verschwundene Österreich und das wienerische Flair nahmen sie aber mit sich nach New York. Ihr Schicksal teilten unzählige Künstler_innen, Librettist_innen, Komponist_innen sowie Musiker_innen. Viele folgten ihnen ins Exil, viele wurden aber auch verhaftet, eingekerkert und ermordet – viele von ihnen fielen der Vergessenheit anheim.
Die Ausstellung Mein Lied für Dich (Eröffnung am 20. Oktober 2020 mit Startenor Ramón Vargas, mdw-Rektorin Ulrike Sych und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka im Franz Liszt-Saal der mdw/Austrian Cultural Forum New York via Live-Stream) zeigt die Bühnen- und Filmkarrieren sowie das musikalische Erbe des Traumpaars Eggerth/Kiepura, weist aber auch auf die Schicksale zahlreicher dem Paar in Freundschaft Verbundener, Gefährt_innen und Kolleg_innen hin, welche ihre Auftritte und ihr Bühnenleben begleiteten und denen es der Nationalsozialismus verwehrte, einen Platz im kollektiven Gedächtnis zu finden.
Marjan Kiepura, der Sohn des Sängerehepaars, hat dem exil.arte Zentrum der mdw eine große Anzahl an Filmprogrammen, Konzertprogrammen, Zeitungsausschnitten zur Opern- und Operettenkarriere zur Verfügung gestellt sowie Fotomaterialien, Gemälde und Kostüme. Auch die Filme von Eggerth und Kiepura werden in der Ausstellung gezeigt.
Aufgrund der vorhandenen Materialien konnte das exil.arte Zentrum mehr als 150 Persönlichkeiten aus dem Umfeld von Eggerth und Kiepura namhaft machen, die auch von den Nationalsozialisten verfolgt und vertrieben wurden. Zu diesen Persönlichkeiten, die ebenso im Rahmen der Ausstellung präsentiert werden, zählen Komponist_innen, Regisseur_innen, Drehbuchautor_innen, Sänger_innen wie zum Beispiel: Paul Abraham (Komponist von Viktoria und ihr Husar und Die Blume von Hawaii, Exil in Paris, Kuba und New York), Carl Alwin (Dirigent an der Wiener Staatsoper, Exil in den USA und Mexiko), Ralph Benatzky (Komponist von Im weißen Rössl, Exil in der Schweiz und in den USA), Robert Gilbert (Komponist, Kabarettist und Autor, Exil in Paris und New York), Fritz Grünbaum (Kabarettist, Schauspieler und Autor, gestorben im KZ Dachau 1941), Maria Jeritza (Kammersängerin an der Wiener Staatsoper und an der MET New York, Exil in Hollywood und New York), Emmerich Kálmán (Komponist der Gräfin Mariza und Die Csárdásfürstin, Exil in Paris und den USA), Charles Kálmán (Sohn von Emmerich Kálmán, Komponist, Exil in den USA), Erich Wolfgang Korngold (Komponist von Opern und Filmmusik, zweifacher Oscarpreisträger, Exil in Hollywood), Lotte Lehmann (Kammersängerin an der Wiener Staatsoper, Exil in New York und Kalifornien), Fritz Löhner-Beda (Librettist u. a. von Franz Lehár z. B. Das Land des Lächelns und Giuditta, ermordet im KZ Auschwitz 1942), Paul Morgan (Filmschauspieler und Librettist, gestorben im KZ Buchenwald 1938), Artur Rubinstein (Pianist, Exil in Hollywood), Mischa Spoliansky (Komponist von Revues und Filmmusik, Exil in England), Billy Wilder (Drehbuchautor und Filmregisseur, Exil in Paris und den USA).