Pauline Heister ist die erste Professorin für Tontechnik/Produktion an der mdw. Sie bringt reiche Erfahrung im Bereich der Orchesteraufnahmen und Opernübertragungen mit an die mdw und freut sich auf den verstärkten Austausch der Tonmeister_innen und Instrumentalist_innen im FAL.
In die Zeit der Übersiedlung des Instituts für Komposition, Elektroakustik und Tonmeister_innen- Ausbildung in die neuen Räumlichkeiten des Future Art Lab fiel auch die Übersiedlung von Pauline Heister von München nach Wien. Die ehemalige Cheftonmeisterin des Bayerischen Rundfunks trat im Wintersemester ihre Professur für Tontechnik/Produktion an der mdw an und genoss die Stadterkundungen im coronabedingt touristenleeren Wien, bevor sie sich tatkräftig in die Einrichtung des Instituts in den neuen Räumlichkeiten stürzte. Die technische Infrastruktur, die sie mit ihren Studierenden nun zur Verfügung hat, begeistert sie, außerdem freut sich Pauline Heister über die nunmehrige räumliche Nähe der angehenden Tonmeister_innen zu den Instrumental-Studierenden. „Die Tonmeister_innen sind die Übersetzer_innen zwischen Technik und Musik und ich wünsche mir wirklich, dass wir mit allen Instituten am Anton-von-Webern-Platz näher zusammenrücken.“ Die neuen Studiokapazitäten ermöglichen umso mehr Austausch und die Tonmeister_innen bieten ihren Instrumentalkolleg_innen an, Aufnahmen zu machen – eine Win-win-Situation für die Studierenden der mdw. Die Studierenden im Tonmeister_innen-Fach sammeln dadurch wertvolle Praxis, während die Instrumentalist_innen Gelegenheit bekommen, über ihre Interpretation und den Klang ihres Instruments zu reflektieren. „Da hat die mdw ein tolles Potenzial.“ Praxis sieht Pauline Heister als das Um und Auf ihres Berufs. „Die theoretische Ausbildung ist sehr gut an der mdw – aber auch für Tonmeister_innen ist es wesentlich, zu üben. Das ist wie bei den Instrumenten.“
Was ein Tonmeister/eine Tonmeisterin ist, das musste Pauline Heister als 14-jährige Schülerin erst im Brockhaus nachschlagen: „Ich wollte nie ,nur‘ Musik machen. Mein Instrument war die Querflöte, aber mich hat die Kombination aus Technik und Musik sofort fasziniert.“ Die Vielfalt ihres Berufs, das breite fachliche Spektrum zwischen Musik, Akustik und Naturwissenschaft, begeistert Heister bis heute spürbar . Ihre Herangehensweise an das Unterrichten an der mdw ist von den lebhaften Erinnerungen an die eigene Studienzeit in Detmold geprägt: „Meine eigenen Studienjahre waren eine schöne, intensive Zeit. Ich habe Kammermusik gemacht, Chor gesungen und jede Woche Aufnahmen gemacht. Wir waren Tag und Nacht in den Studios – da konnten wir uns austoben und auch alle Fehler machen.“
Für ihre heutigen Studierenden hat sich die berufliche Realität stark verändert. Pauline Heister weiß um die oftmals prekären Arbeitsbedingungen, mit denen Tonmeister_innen konfrontiert sind. Wo es früher noch einen Tonmeister gab, der die Partitur las, und einen Toningenieur, der die Technik verantwortete, ist dies heute häufig eine One-Man-Show – „der Tonmeister in Personalunion, der seine eigene Technik aufbaut, die Klangeinstellung und Aufnahmeleitung macht. Und dann ist er eigentlich auch noch der Anwärter der Komponist_innen und der Musiker_innen.“ Der Tonmeister? Längst ist es auch die Tonmeisterin. „Als ich studierte, war ich die einzige Frau unter 50 Männern“, sagt Pauline Heister und lacht: „Ich habe das sehr genossen.“ Als junge Aufnahmeleiterin hat Heister unterschiedliche Erfahrungen gemacht: „Ich möchte Claudio Abbado als leuchtendes Beispiel nennen, der mich, ohne mich zu kennen, völlig vorbehaltlos akzeptiert hat.“ Das war toll, aber ich habe es nicht mit allen Herren so erlebt.“ Heister erzählt von Producern, die „solche Angst davor hatten, dass ich als Frau nicht die richtigen Knöpfe finde, dass sie nicht mit mir gearbeitet haben“. Mit Maestro Abbado hingegen hat Heister über einen langen Zeitraum hinweg zahlreiche Aufnahmen produziert – und Heister hat als junge Tonmeisterin in Deutschland eine steile Karriere gemacht: Nach dem Studium ging sie zu Sony Classical nach Hamburg („Damals habe ich viel in Wien gearbeitet und in Grafenegg haben wir Quartette aufgenommen.“) und erlebte die goldenen Jahre des CD-Booms. Kaum 30-jährig war Pauline Heister Recording Producer der Berliner Philharmoniker. „Das als Frau! Das war damals eigentlich nicht normal und ging auch nur, weil ich immer wieder mit Menschen arbeiten konnte, die kein Thema daraus gemacht haben.“
Neben der intensiven Arbeit mit Abbado und den Berliner Philharmonikern entwickelte Pauline Heister als Executive Producer und Leiterin der Abteilung Musikproduktionen beim Bayerischen Rundfunk eine ausgewiesene Expertise im Bereich der Opernübertragung und hat unter anderem über viele Jahre Inszenierungen in Bayreuth und München betreut.
An der mdw möchte Heister ihren Studierenden, Frauen wie Männern, Selbstbewusstsein mitgeben, denn „im Zweifelsfall muss man sich in diesem Berufsfeld auch durchsetzen können“. Als Tonmeister_in sollte man neben einer Grundmusikalität, so Heister, „vor allem ein gutes Gehör mitbringen sowie lange Erfahrung auf mindestens einem Instrument – und man muss das wirklich wollen. Man muss eine Leidenschaft für diesen Beruf mitbringen, stressfest sein, technisch begabt, strukturiert vorgehen und zur Not die Ruhe bewahren können.“
Ihre Absolvent_innen, sagt Heister, müssen ihre Kompetenz im Preiskampf auch gegen eine Konkurrenz, die nicht studiert hat, verkaufen können. Nicht jede_r wird eine Stelle beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk bekommen. „Unsere Herausforderung ist daher, unsere Studierenden auch für die freiberufliche Tätigkeit fit zu machen.“ Gegenwärtig ist das Video-Streaming ein großes Thema im Tonmeister_innen-Berufsalltag – auch schon vor Corona. „Manchmal frage ich mich, wer sich das alles anschaut“, sagt Pauline Heister. „Ich würde die Zeit gerne um 15 Jahre vorspulen, um zu sehen, wie lange sich die Menschen dann noch auf Musik ohne zusätzliches Video konzentrieren können. Wie viele werden sich dann noch zu Hause hinsetzen und eine Mahler-Symphonie nur anhören?“