Nach 52 Jahren verlässt die Filmakademie Wien das geschichtsträchtige Gebäude in der Metternichgasse und findet am Campus der mdw ein neues Zuhause im Future Art Lab. Albert Meisl, Drehbuch- und Regiestudent, gibt einen sehr persönlichen Rückblick auf die Geschichte und den Geist des Hauses.
Dass der Letzte das Licht ausmacht, ist ein Allgemeinplatz. Und trotzdem bin ich dafür noch einmal in die Metternichgasse 12 gekommen, um mit diesem Text zumindest symbolisch das Licht dieses Hauses und seiner – leider nicht immer sehr selbstbewussten – Geschichte auszumachen. Wäre es das Max Reinhardt Seminar, dann wäre es unvorstellbar, dass der traditionelle Standort einfach so aufgegeben wird. War die Filmakademie doch seit 52 Jahren in dem ehemaligen Palais der Adelsfamilie Festetics beheimatet. In den 1970er- und 1980er-Jahren war Metternichgasse 12 sogar Titel einer Sendereihe, in der der ORF – heute undenkbar – regelmäßig Studierendenarbeiten gezeigt hat.
Dass der Abschied von der Metternichgasse überhaupt – und dann auch noch so sang- und klanglos – passiert, zeigt, neben dem lange mangelnden Stolz dieser Institution auf sich selbst, aber auch ihre Stärke. War das Haus doch immer von Bescheidenheit und nobler, uneitler Zurückhaltung geprägt. Eben kein Palast, sondern ein entkerntes Palais der Jahrhundertwende. 1968 wurde es, nachdem es zuvor als brasilianische Botschaft gedient hatte, umgebaut und von der Filmakademie bezogen. Bis zuletzt haben Architektur und Design dieser Zeit den Charakter des Hauses bestimmt. Zeuge der stolzen Vergangenheit war nur das prachtvolle Spiegelzimmer mit seinem stillgelegten Kamin und den wunderschönen, vergilbten Wandtapeten. Scheinbar hat man es damals mit Entkernungen nicht so genau genommen wie heute. Der Rest war geprägt vom öffentlichen Baustil der mittleren zweiten Republik: schlicht, solide und robust – vom Linoleumboden über den mit Holzimitationsfolie ausgekleideten Lift bis zu den Türschildern aus grauen Steckbuchstaben.
Vielleicht liegt es auch an diesem Stil, dass die Metternichgasse 12 einen Geist der Bescheidenheit, des Understatements, der Begegnung auf Augenhöhe verströmt hat. Mit den Jahren hat das Gebäude seine Schrammen und Schrunden bekommen, die es nur um so liebenswerter gemacht haben. So wurde die Metternichgasse 12 für viele Studierende, speziell in den letzten zwei Jahrzehnten viel mehr als ein Unterrichtsort: ein Stück Heimat, ein Ort, an dem man sich spontan und zwanglos treffen und austauschen konnte. Ein Haus, in dem jeder seinen Platz hatte, das einen nicht ausgestoßen hat und in das man immer wieder zurückkehren konnte – um Erfahrungen, aber auch um Frustrationen des Lebens draußen reicher.
Zugleich war die Metternichgasse auch ein beeindruckender historischer Ort, der für die Geschichte des österreichischen Films so zentral war wie kaum ein anderer. Die Zahl der Studierenden, die es durchschritten haben, ist legendär. Darunter Filmkünstler_innen wie Fritz Lehner, Käthe Kratz, Kitty Kino, Ulrich Seidl, Barbara Albert, Michael Glawogger, Martin Gschlacht, Christine A. Maier und Karina Ressler – um nur ein paar stellvertretend für die vielen anderen zu nennen. Und wenn man die Treppen der Metternichgasse 12 hinaufgegangen ist, kam es einem nicht selten vor, diese Menschen dort spüren zu können – ihren Geist, ihre Wünsche und Träume.
Und auch wenn ehemalige Studierende das Haus wieder einmal betreten haben, um Seminare zu geben oder Anneliese Weidinger und Doris Lagler, die guten Seelen der Filmakademie, zu besuchen, waren die meisten erstaunt davon, wie wenig sich dort geändert hat, und wie leicht eine Zeitreise in die eigenen Studententage möglich war.
Das waren dann auch die Momente, in denen man realisiert hat, was die Metternichgasse 12 geschaffen hat: eine Familie. Eine Familie, die trotz aller Differenzen und unterschiedlicher inhaltlicher Ausrichtungen aufeinander schaut, sich gegenseitig Chancen gibt und mit freundschaftlichem Respekt begegnet. Eine Familie, die den österreichischen Film prägt und geprägt hat. Eine Familie, deren Glanz und Qualitäten sich oft und besonders beim zweiten Hinsehen entfaltet – so wie es in der Metternichgasse 12 der Fall war.
Diesen Geist in ein neues, modernes, repräsentatives Gebäude ohne Nischen und anarchische Zwischenräume wie das ÖH-Zimmer, die Raucherterrasse vor dem Schnittraum 313 oder das Foyer, in dem sich nicht nur Studierende, sondern auch Bauarbeiter, Paketboten und Fahrradkuriere getroffen haben, zu retten, wird eine schwere Aufgabe für die Zukunft sein.
Der ÖH-Raum, in dem ich sitze, ist nun ausgeräumt. Die Entrümpelungsfirma holt die letzten Kisten ab. Das Licht ist aus, die Metternichgasse 12 Geschichte. Viele werden ihr keine Träne nachweinen, doch für diejenigen, die hier gelebt, gearbeitet und geträumt haben, wird sie immer da sein – in unserer Erinnerung und in unserer Haltung zum Film und Filmemachen, die nicht geprägt ist von der Gier nach Glanz und Oberfläche, sondern nach inhaltlicher Substanz und einem genauen Blick auf das, was Gesellschaft ist.