„Nach dreißig Minuten Zoom-Unterricht musste ich mich fünf Minuten hinlegen.“ Elisabeth Stein, Lehrende am Institut für Musik- und Bewegungspädagogik/Rhythmik sowie Musikphysiologie, berichtet über ihre Erfahrungen mit Covid-19.
Ihren Unterricht nicht wie gehabt führen zu können, beschreibt die Lehrende für Klavier- und Instrumentalimprovisation als besonders belastend. „Nach gut drei Wochen Krankenstand hatte ich noch immer keine Energie und mit anhaltenden Schwindelattacken zu kämpfen. Anfangs musste ich jede einzelne Stunde von 45 auf 30 Minuten reduzieren, und selbst das war noch sehr anstrengend“, schildert Elisabeth Stein ihre Rückkehr in den Online-Unterricht.
Mit dem Bericht über ihre Erfahrungen möchte die engagierte Pädagogin Bewusstsein für diese Erkrankung schaffen. „Niemand sollte Covid-19 auf die leichte Schulter nehmen, denn die Auswirkungen betreffen nicht nur die Gesundheit, sondern auch die Psyche, das soziale Umfeld und die Berufstätigkeit.“ Im Herbst drei Wochen in den Krankenstand gehen zu müssen, war für die Klavierpädagogin besonders schwierig. „Ich wusste, ich würde Abstriche machen müssen, denn drei fehlende Wochen kann man nicht so leicht wettmachen. Zum Glück haben wir es gut gemeistert, meine Studierenden sind super gewesen, das muss ich an dieser Stelle auch sagen.“
Infiziert hat sich Lizl Stein, wie sie von ihren Kolleg_innen genannt wird, Ende Oktober des vergangenen Jahres – wo bzw. wie ist unklar. „Es ist sehr mysteriös, weil ich keinen Kontakt zu einer nachweislich positiv getesteten Person hatte.“ Trotz höchster Sicherheitsmaßnahmen vermutet sie die Ursache ihrer Infektion in ihrem Arbeitsumfeld. „Eine Studierende, zu der ich keinen direkten Kontakt hatte, ist gleichzeitig mit mir erkrankt. Mein stärkster Verdacht ist daher, dass wir beide von derselben symptomlosen Person infiziert wurden. Mit Sicherheit kann man das natürlich nicht sagen. Ich hätte mich genauso gut im Supermarkt anstecken können.“ Für wichtig hält die Klavierpädagogin die Einhaltung der Maßnahmen trotz allem, denn „hätten wir keine Masken getragen, Abstände eingehalten und regelmäßig gelüftet, wären vielleicht noch viel mehr Personen betroffen gewesen.“
Als besonders belastend beschreibt Lizl Stein nämlich die Schuldgefühle: „Zusätzlich zu der Sorge um die eigene Gesundheit, fragt man sich schnell, wen man angesteckt hat.“ Beim gemeinsamen verlängerten Wochenende mit der Familie schöpft noch keiner Verdacht. „Zu Beginn ist es mir nicht so schlecht gegangen, ich konnte kochen und Zeit mit meiner Familie verbringen. Keiner von uns hat vermutet, dass es eine Infektion mit Covid-19 sein könnte, dafür waren die Symptome zu schwach. Schließlich hat man bei dieser Erkrankung eher das Bild von Intensivstationen im Kopf, als das von Kopfschmerzen oder später leichtem Husten.“ Bevor sie nach dem Wochenende den Dienst an der mdw antritt, lässt sie sich sicherheitshalber bei einer Ärztin testen. „Ich dachte, ich würde mich nur absichern, um anschließend unterrichten zu können. Aber dann war der Test positiv und ich wurde sofort nach Hause geschickt.“ Nachdem sie den ersten Schock über das positive Testergebnis überwunden hat, sorgt sie sich vor allem um ihre Familie und alle, mit denen sie Kontakt hatte. Nach und nach erkrankt die gesamte Familie, insgesamt sechs Personen, an Covid-19.
Ich habe großes Verständnis für dramatische, existenzielle Nöte. Gerade deswegen: Bitte haltet euch an die Maßnahmen! Sie sind ein vertretbarer Preis dafür, im Lockdown Live-Unterricht halten zu können und erste Schritte zurück zur Normalität zu machen.
Das Contact-Tracing an der mdw beschreibt Lizl Stein als gut organisiert. „Das hat super geklappt – leider nur an der mdw, der Rest war ein großes Durcheinander. Meinen offiziellen Quarantäne-Bescheid habe ich erst nach zwei Monaten erhalten.“
Nach einigen Tagen mit milden Symptomen wird der Verlauf schlimmer. „Das hat man schon öfter gehört. Man denkt, man ist schon wieder halbwegs gesund, und dann ist man plötzlich völlig fertig. Der Husten ist schlimmer geworden und ich hatte mit Kreislaufbeschwerden zu kämpfen.“ Das Schwindelgefühl und die Erschöpfung halten beinahe einen Monat an, auch der Husten ist hartnäckig. „Selbst wenn man schon wieder auf den Beinen ist, kann man nirgendwo hingehen, aus Angst, man wäre noch ansteckend. Nach zwei Wochen bin ich das erste Mal alleine und mit Maske draußen spazieren gegangen. Einkaufen konnte ich die ganze Zeit über nicht.“ Nachdem die gesamte Familie erkrankt war, waren sie auf die Unterstützung von Freunden angewiesen. „Es war sehr rührend, wie man sich um uns gekümmert hat.“
Was Elisabeth Stein erstaunt, ist, wie lange es gedauert hat, bis die Testergebnisse ihrer Familie positiv waren. „An dem Tag, an dem ich positiv getestet wurde, waren alle anderen noch negativ. Ein paar Tage später haben es alle bekommen. Und das ist etwas, dessen man sich einfach bewusst sein muss. Der Test ist wirklich nur am selben Tag gültig und man kann schon längst infiziert sein. Meine Familie ist der Beweis dafür.“
An die Vorgaben hält sich Lizl Stein weiterhin akribisch. „Natürlich könnte ich jetzt sagen: ,Ich brauche keine Maske mehr, weil ich immun bin.‘ – Ich habe auch meine Antikörper testen lassen. Aber ich käme nicht einmal auf den Gedanken. Auch wenn man überzeugt davon ist, dass einem das Virus nichts anhaben kann, sollte man die Maske aus Solidarität zu seinen Mitmenschen tragen. Schließlich profitiert man auch von der Gesellschaft und deren Einrichtungen, wie etwa Krankenhäuser oder Schulen. Dann sollte man auch seinen Beitrag leisten und die Maske tragen.“
Ein großes Anliegen ist der Pädagogin zudem die Unterstützung der AG Klimaschutz an der mdw. „Eines ist klar: Diese Pandemie haben wir zumindest auch deswegen, weil wir den Lebensraum der Tiere so stark einschränken, sodass wir auf Erreger stoßen, die uns schaden. Dessen sollte sich jede_r bewusst sein und wir sollten darüber nachdenken, was wir hier noch verbessern können.“