Ein interuniversitäres Projekt zum Beethovenjahr
Das Beethoven-Jubiläum inspirierte im Jahr 2020 viele kulturelle Veranstaltungen und musikwissenschaftliche Forschungsarbeiten – auch und gerade in Wien. Zum Ausklang dieses besonderen Jahres gestalteten im Wintersemester 2020/21 achtzehn Studierende des Instituts für Musikwissenschaft der Universität Wien unter der Leitung von Birgit Lodes im Rahmen der Lehrveranstaltung Beethovens Violinsonaten – Entstehung, Analyse, Interpretation mit fünfzehn Interpret_innen der mdw unter der Leitung von Elisabeth Kropfitsch ein gemeinsames, interuniversitäres Projekt. Eine ähnliche Zusammenarbeit hatte bereits Anfang 2020 im Rahmen eines Gesprächskonzerts über Beethovens Klavierkompositionen und ihren Widmungen stattgefunden.
Zu Beginn der Projektplanung war eines klar: Dieses Gesprächskonzert sollte sich um Beethovens Sonaten für Klavier mit begleitender Violine (vulgo heute: „Violinsonaten“) drehen. Nach ausführlichen Recherchen kristallisierte sich ein Leitfaden und ein Titel für die anstehende Koproduktion heraus: Wissenschaft trifft Kunst. Beethoven à la française? Die Violinsonaten im Kontext. In diesem Projekt sollten die Bedeutung von Beethovens Beiträgen für diese Gattung sowie das innovative Aufbrechen von Traditionen veranschaulicht werden. Den Bogen zwischen informativen Moderationen und konzertanten Aufführungen zu spannen war dabei nicht die einzige Herausforderung. Mit der sich zuspitzenden Pandemie musste die Veranstaltung in den virtuellen Raum verlegt werden. Unter diesen Umständen wurde das Konzert am Freitag, 18. Dezember 2020 in Form eines vorab an verschiedenen Orten aufgezeichneten Streams veranstaltet.
Die ersten Einheiten der Lehrveranstaltungen konnten noch vor Ort stattfinden, doch schon bald musste aufgrund der Entwicklung der Pandemie alles auf digitalem Wege ablaufen. Diese Situation stellte die Teilnehmer_innen vor neue Herausforderungen, gleichzeitig eröffneten sich aber auch Möglichkeiten zur innovativen Vermittlung und Kontextualisierung der Programminhalte. Nach der musikwissenschaftlichen Aufbereitung des Programms mussten die dazugehörigen Moderationen in kurze Videos verpackt werden. Es galt nicht nur den passenden Moderationstext, sondern auch die richtige Bild- und Tonqualität, passende Lichtverhältnisse, Kameraperspektive, Gestik etc. zu finden. Nach mehreren internen Feedbackrunden konnten die Studierenden erfreulicherweise auch vom Know-how der Ö1-Moderatorin Nadja Kayali profitieren, die mit wertvollen Ratschlägen zur Qualität der – schlussendlich im Homeoffice „gedrehten“ – Moderationen beigetragen hat.
Zeitgleich studierten die Geiger_innen und Pianist_innen aus den verschiedenen Konzertfachklassen der mdw das ausgesuchte „Wunschprogramm“ ein – zunächst via Zoom durch ihre Professor_innen begleitet, in der Endphase glücklicherweise aber auch im Duo vor Ort. Die ästhetisch ansprechenden Mitschnitte konnten – unter Einhaltung aller Hygienemaßnahmen – schlussendlich an der mdw stattfinden: Ein herzlicher Dank an Ulrich Wagner (AV-Zentrum der mdw) und seinem Team für die professionellen Aufnahmen und dem Veranstaltungsmanagement der mdw sowie dem Schirmherrn des Projekts Vizerektor Johannes Meissl für ihre tatkräftige Unterstützung in wahrlich herausfordernden Zeiten!
Eine eigens eingerichtete Website dient als innovatives Begleitmedium: Die dort – neben dem Link zum Stream – zur Verfügung gestellten weiterführenden Inhalte bieten die Möglichkeit einer vertiefenden Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex des Projekts. Es finden sich Kurzbiografien der Künstler_innen mit Statements zu dem von ihnen gespielten Repertoire sowie Videointerviews, in denen manche von ihnen ihre Sichtweise auf die gespielten Werke darstellen. Eine Timeline gibt einen Überblick über die zeitliche Verortung der Kompositionen Beethovens für Klavier und Violine und weitere gedrehte Videos betrachten unter anderem Aspekte der französischen Violintradition.
Das Repertoire des Konzerts entfaltet sich parallel zu den musikwissenschaftlichen Forschungsansätzen. Während der Beleuchtung des „Französischen“ taucht in den Moderationen der Name des Geigers und Komponisten Rodolphe Kreutzer wiederholt auf: Beethoven pflegte bekanntlich Kontakt zu ihm und weiteren Vertretern der französischen Violinschule, die um 1800 von Paris aus die Technik des Geigenspiels revolutionierten. So wird denn auch im Konzert der Diskurs à la française mit dem ersten Satz von Rodolphe Kreutzers Grande Sonate in a-Moll eröffnet.
Ein weiteres Narrativ des Programms stellt der sogenannte „neue Weg“ dar, als den Beethoven selbst einmal seine Abwendung von alten Kompositionstraditionen bezeichnete. Die Veränderung der Gattung, ausgehend von Sonaten für Klavier mit begleitender Violine bis zu einem gleichberechtigten Dialog beider Instrumente, spiegelt sich im dargebotenen Repertoire wider. Als letztes Werk des Konzerts erklingt das Finale der bekannten Kreutzersonate (welches Beethoven ursprünglich als Finale der Sonate op. 30 Nr. 1 komponiert hatte), was den Bogen zum Beginn schließt und somit auch die Verbindung zu Rodolphe Kreutzer und zur französischen Violinschule wiederherstellt.
Durch die gelungene Zusammenarbeit der beiden Institutionen – der mdw und der Universität Wien – wird die gegenseitige Bereicherung von Kunst und Wissenschaft erkennbar, die alle Beteiligten über das Projekt hinweg, selbst in Pandemiezeiten, beflügelt hat. Das daraus entstandene Gesprächskonzert, aufgezeichnet an verschiedenen Orten am Tag von Beethovens 250. Geburtstag, stellt eine Hommage an jene Werke für Klavier und Violine dar, die Beethoven im Dialog mit Interpreten seiner Zeit greifbar machen, aber im heutigen Konzertrepertoire sonst gar nicht so häufig zu hören sind: Hören Sie mal rein!
Weiterführende Infos: musikwissenschaft.univie.ac.at/ueber-uns/team/lodes/gespraechskonzert
Zum Nachhören in der mdwMediathek: mediathek.mdw.ac.at/gespraechskonzert_beethoven
Autor_innen: Veronika Klacanska, Jovana Mindis, Caroline Nahler, Valentina Strobl