Es gibt einen Begriff, der sich immer größerer Beliebtheit in der Publizistik erfreut und dem niemand von uns mehr auskommt: die Krise. Sie ist die unangefochtene Erstplatzierte der Schlagwort-Charts, Dauergast auf Titelseiten, ständiges Thema in der Sachbuchecke. Denn mit ihr lässt sich jedes komplexe Ereignis erklären, etikettieren, einordnen.
Die Finanzkrise, die Immobilienkrise, die Klimakrise und seit eineinhalb Jahren neu im Reigen des Schreckens: die Coronakrise.
Sobald es um Krisen geht, werden auch sofort sämtliche Phrasen ausgepackt, die in der rhetorischen Vorratskammer zu finden sind.
Gestärkt aus der Krise kommen. Die Krise als Chance begreifen. Mit Mut die Krise überwinden. Es scheint, als wäre ein krisenhaftes Ereignis, das nicht selten die eigene Existenz bedroht, wie viele von uns freiberuflichen Kunstschaffenden es während der Pandemie erleben mussten, eine Sportart, in der gilt, was in jeder Disziplin Gesetz ist: Wenn man nur genügend trainiert, wenn man Höchstleistungen vollbringt, kann man es schaffen. Umkehrschluss dieser Logik: Wer es nicht schafft, der hat sich eben nicht genügend angestrengt.
Dabei hat gerade die Pandemie gezeigt, wie grundfalsch und vor allem überholt diese Glaubenssätze sind. Viele Kunstschaffende haben sehr unterschiedlich auf die neue Situation reagiert. Einige haben sich erst einmal zurückgezogen und Pläne geschmiedet, andere haben improvisiert, sich temporär neue Betätigungsfelder gesucht, viele haben den Onlineauftritt für sich entdeckt und wenigstens so den Kontakt zum Publikum nicht verloren. Was jedoch alle berichten, ist, wie sehr es ihnen geholfen hat, im vergangenen Jahr nicht allein mit den eigenen Ängsten zu sein. Wie gut der Austausch mit anderen Kunstschaffenden getan hat, oft auch interdisziplinär, über das eigene Metier hinaus.
Die Krise ist kein individuelles Problem, das man allein lösen muss. Die größte Kraft gegen sie entwickelt man gemeinsam statt einsam.