Vielleicht ist es ja der Pandemie geschuldet.
Wir haben schließlich alle noch das Mantra im Ohr: Abstand halten! Möglichst niemandem zu nahe kommen! Niemanden treffen, der nicht zum eigenen Haushalt gehört! Dazu die geschlossenen Lokale, Konzerthäuser, Kultureinrichtungen. Die Arbeit im Homeoffice. Viele traditionelle Orte, wo man einander begegnen konnte, verschwanden von einem Tag auf den anderen.
Alleinsein bedeutete plötzlich, verantwortungsvoll zu sein. Und wer wollte das nicht, um das Virus schnell wieder loszuwerden? Alleinsein heißt aber auch, auf sich selbst zurückgeworfen zu sein. Den eigenen Gedanken ausgeliefert zu sein. Sich selbst nicht zu entkommen. Nicht unbedingt immer ein angenehmer Zustand. Dabei haben sie im vergangenen Jahrzehnt von nichts anderem gesprochen, die Business-Coaches und die Karriere-Ratgeber. Vom Ich als Geschäftsmodell. Vom Zeitalter der Ich-AG, vom Ich als Marke, das man verkaufen müsse, von der Ichisierung der Welt. Im Journalismus, in der Kunst, überall reüssierte das Ich. Sogar in der Politik. Kollektive Bewegungen wie Parteien waren langweilig geworden, was viel mehr interessierte, waren Persönlichkeiten, die wie Popstars auftraten. „Ich und die anderen“ lautete das Motto. Und es zog. Populismus nannten das besorgte Beobachter_innen. Ein Politikstil, der die Gesellschaft spaltet. Aber die Mahnungen verhallten ungehört. Doch der Trend zum Ich scheint vorüber zu sein. Die Menschen treffen einander lieber wieder. Sie gehen gemeinsam aus, sie freuen sich über die Anwesenheit der Kolleg_innen am Arbeitsplatz, sie stehen auch bei unfreundlichen Temperaturen plaudernd zusammen im Freien und genießen die Gemeinschaft. Auch in der Kunst ist Teamarbeit angesagt. Im Film, wo die Größten seit jeher auf die Frage nach dem Erfolg sagten: It’s Teamwork! Im Theater, in der klassischen Musik. Das Ensemble erfreut sich wachsender Beliebtheit. Vielleicht ist es wirklich eine der positiven Lehren der Pandemie. Gemeinsam ist man weniger allein.