Aris Alexander Blettenberg, Gewinner des Internationalen Beethoven Klavierwettbewerbs 2021, im Porträt

Der Internationale Beethoven Klavierwettbewerb Wien ist der älteste und wichtigste internationale Klavierwettbewerb Österreichs. Vor über 50 Jahren gegründet, veranstaltete die mdw diesen Wettbewerb im Jahr 2021 zum sechzehnten Mal. Der künstlerische Leiter des Wettbewerbs ist Jan Jiracek von Arnim.

© Stephan Polzer

Der 27-jährige deutsche Pianist Aris Alexander Blettenberg gewann den 1. Preis des 16. Beethovenwettbewerbs. Er überzeugte die Jury mit seiner Darbietung von Ludwig van Beethovens Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 C-Dur op. 15 und setzte sich damit im Finale am 21. Oktober 2021 im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins gegen Dasol Kim und Philipp Scheucher durch. Blettenberg erhält einen Konzertflügel der Firma Bösendorfer Modell 200 sowie 10.000 Euro von der RPR Privatstiftung gestiftetes Preisgeld.

Dasol Kim aus Südkorea und der Österreicher Philipp Scheucher wurden ex aequo mit dem 2. Preis ausgezeichnet und erhalten Preisgelder im Wert von je rund 6.000 Euro; der eine Preis wurde gestiftet von Jasminka Stančul-Cernko und Willibald Cernko, der andere als Rita-Medjimorec-Gedächtnispreis von Heinz Medjimorec.

Im Interview mit dem mdw-Magazin gibt der Wettbewerbsgewinner spannende Einblicke in sein musikalisches Verständnis.

Auf Ihrer Website sagen Sie über sich selbst, dass Sie Pianist, Dirigent und Komponist sind. Wie kam es dazu?

Aris Alexander Blettenberg (AB): Meine Begeisterung für Musik wurde durch den Wunsch meiner Schwester, Klavierspielen zu lernen, geweckt. Dieser hatte zur Folge, dass meine Eltern ein Klavier anschafften, dem ich mit größter Freude und einer gehörigen Portion kindlichen Übereifers Töne zu entlocken versuchte. Für meine Eltern war ganz klar: „Der Junge muss Unterricht bekommen!“ So fand ich den Weg zu den Tasten. Mein Interesse galt in den ersten Jahren allerdings nicht so sehr dem Beherrschen der Klaviatur und der Musik, die sich andere ausgedacht hatten, sondern vielmehr der Darstellung eigener musikalischer Ideen, bei deren Ausarbeitung und Konkretisierung das Klavier ein ausgezeichnetes Mittel zum Zweck war. Rückblickend war auch das Bedürfnis des Dirigierens vertreten. Ich erinnere mich lebhaft daran, wie ich als kleines Kind an den Stränden Griechenlands, der Heimat meiner Mutter, zahlreiche Stunden damit verbrachte, die Klänge des Meeres und des Windes einer Symphonie gleich mit Bewegungen anzuleiten, zu „dirigieren“. Seit der Initialzündung meiner Faszination für die Musik sind diese drei „Perspektiven“ ein und derselben Sache, nämlich Musik auszudrücken, meine ständigen Begleiter. Ich identifiziere mich mit allen gleich stark und beantworte die häufig gestellte Frage „Ja, was sind Sie denn nun?! Pianist, Dirigent oder Komponist?“ am liebsten mit einem trockenen „Musiker“.

Im Finale des Wettbewerbs konnte man merken, dass Ihre Interaktion mit dem Orchester sehr natürlich und recht intensiv war. Beeinflussen die Bereiche einander stark?

AB: Ich war immer schon gewillt bzw. konnte auch nie anders, als meine verschiedenen Interessen miteinander in Einklang zu bringen, um ihren gegenseitigen Einfluss bestmöglich zu gewährleisten. Beim Einstudieren einer Beethoven-Klaviersonate helfen mir die Sichtweisen und Erfahrungen, die ich als Komponist und Dirigent gesammelt habe, beim Komponieren eigener Werke die Einsichten meiner Beschäftigung als ausführender Musiker usw. Das Dirigieren vom Klavier ist für mich seit einigen Jahren zu einer besonderen Passion geworden, was damit zu tun haben mag, dass ich für die Kammermusik seit jeher eine besondere Schwäche habe und mir jene Art des Musizierens eben diese unmittelbare, kammermusikalische Kommunikation mit den Musiker_innen des Orchesters ermöglicht.

© Stephan Polzer

Sie haben als 1. Preis zusätzlich zum Preisgeld einen Bösendorfer-Konzertflügel gewonnen. Konnten Sie schon einen Platz für Ihr neues Instrument finden?

AB: Ich habe das große Glück, dass ich in meiner Wahlheimatstadt München einen Ort gefunden habe, wo meine etwas sperrigen „Familienmitglieder“ Unterschlupf finden konnten. Im Nymphenburger Bürgerheim, der Flügelresidenz, darf ich sogar nach Lust und Laune üben. Nun begibt es sich so, dass die Kapelle dieser Einrichtung, ein idyllisches, freistehendes bayerisch-barockes Gotteshäuschen, nicht in Gebrauch ist und genug Platz bietet, um dem wundervollen Instrument von Bösendorfer Obdach zu gewähren, und, als sei das noch nicht genug, gleichzeitig einen herrlichen Konzertsaal abgibt. Mit der Nutzung dieses Raumes gewinne ich also nicht nur eine weitere Übemöglichkeit, sondern auch einen Ort, an dem dieser tolle Preis auch für andere Menschen zum Erklingen gebracht werden kann.

Wie haben Sie insgesamt den Wettbewerb in der neuen, hybriden Form erlebt?

AB: Tatsächlich hat mir die zeitliche Entzerrung des Wettbewerbs eine fokussiertere Vorbereitung auf das Wettbewerbsprogramm erlaubt, als dies bei einer dichten Abfolge der Runden vielleicht der Fall gewesen wäre. Dem gegenüber stand jedoch die lang andauernde Unsicherheit, ob die Durchführung des Wettbewerbs überhaupt möglich sein wird.

Können Sie noch etwas über Ihre aktuellen Projekte erzählen? Welche musikalischen und persönlichen Ziele haben Sie sich gesetzt? Inwiefern beeinflusst die Pandemie Ihre Aktivitäten?

AB: Der Beginn der Pandemie riss mich aus einer Reihe von Verpflichtungen, was dazu führte, dass die in der ersten Phase des Lockdowns auferlegte Entschleunigung und Isolation für große Erleichterung bei mir sorgte. Ich nutzte die „geschenkte“ Zeit nicht nur um größere Wunschprojekte in Angriff zu nehmen, die ich während des normalen Konzertbetriebs nicht hätte bewältigen können, sondern auch um eine Bilanz meines bisherigen Wirkens und Schaffens zu ziehen, diese zu hinterfragen, um letzten Endes erfüllt mit neuen Ideen meinen Weg fortzusetzen. Damals rechnete man noch insgeheim mit einer baldigen Rückkehr der Normalität. Als diese Erwartungen nach flüchtigen Lichtblicken zerstört wurden, wog der Verlust der Bühne und des künstlerischen Austausches schwer, und es begann eine Zeit, in der mir der eigentliche Wert dieser verlorenen Möglichkeiten und das, was diese für mein Leben allzu selbstverständlich bedeuteten, in einer noch nie da gewesenen Eindringlichkeit bewusst wurden. Mittlerweile genieße ich jede doch stattfindende Veranstaltung bewusster. Für dieses neue und anhaltende Bewusstsein bin ich sehr dankbar. Solange mich diese Dankbarkeit nicht verlässt, blicke ich der kommenden Zeit mit viel Gelassenheit, aber auch Neugier entgegen. In Zukunft möchte ich mich wieder vermehrt mit meinen eigenen Werken befassen. Auch dem Schaffen Beethovens möchte ich, inspiriert durch die intensive Beschäftigung im letzten Jahr, mehr Platz in meinem Leben einräumen. Hierbei denke ich beispielsweise an die Einstudierung und Aufführung seiner kompletten Sonaten und Kammermusikwerke für Klavier an Orten, an denen diese Werke noch nicht oder noch nie in dieser Gesamtheit zu Gehör gebracht wurden. Überhaupt bin ich der Überzeugung, dass man besonders dieser Tage große Visionen hegen und pflegen sollte. In meiner zweiten Heimat Griechenland gibt es auf dem Feld der Vermittlung klassischer Musik noch viel zu tun, auch in meiner Heimatstadt Mülheim sehe ich dahingehend Entwicklungspotenzial. Unabhängig davon, was die nähere Zukunft an Möglichkeiten bereithält oder auch nicht, bleibe ich dabei, mir Ziele zu setzen, die sich selbst in kleinstem Rahmen erfüllen lassen und mir helfen, zuversichtlich und erwartungsvoll nach vorne zu schauen.

mediathek.mdw.ac.at/BeethovenCompetition2021

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