Treffen sich ein Schauspieler, ein Regisseur und eine Produzentin, geht es oft um Castings. So auch dieses Mal, nur eben etwas anders. Zum Jahreswechsel hat Avia Seeliger für das mdw-Magazin Ercan Karaçayli, Daniel Holzberg und Lena Weiss interviewt, um mit ihnen über das Thema Typecasting zu reden.

Daniel Holzberg ist Regiestudent der Filmakademie Wien und hat kürzlich den Kurzspielfilm Triumph des Schauspielers gedreht. Ercan Karaçayli ist Schauspieler und spielt den Hauptcharakter in Daniel Holzbergs Film. Lena Weiss war ebenfalls an der Filmakademie Wien und hat noch während des Studiums ihre eigene Produktionsfirma Glitter & Doom gegründet.

Was ist eigentlich Typecasting, und wen betrifft es?

Daniel Holzberg © Luis Zeno Kuhn

Daniel Holzberg (DH): Typecasting ist ein riesiges Feld, aber letztendlich geht es darum, dass Menschen aufgrund bestimmter Eigenschaften besetzt werden. Das erste Mal, dass ich den Begriff gehört habe, war, als Schauspieler_innen aufgrund einer Serie oder Seifenoper genrebedingt in eine Schublade gesteckt wurden. In Bezug auf unseren Film Triumph des Schauspielers heißt das natürlich, dass man bei Leuten mit Migrationshintergrund dazu tendiert, Rollen entsprechend gewissen Stereotypen zu besetzen – also in unserem Beispiel waren das Terroristen oder Drogendealer. Mir ist irgendwann aufgefallen, dass bei einer Serie über Geheimagenten, die Amerika vor Terroristen beschützen, wirklich in jeder Staffel dasselbe gespielt wird. Das haben wir in unserem Film zu thematisieren versucht, um über Repräsentation zu reden.

Ercan, du spielst in dem Film Triumph des Schauspielers den Hauptcharakter. Ist Typecasting etwas, was deiner Einschätzung nach vor allem POC-Schauspieler_innen passiert?

Ercan Karaçayli © Joel Heyd

Ercan Karaçayli (EK): Um es kurz zu fassen: Ja, man hat auf jeden Fall das Gefühl. Es geht ja darum, seinen Beruf auszuüben, zu spielen und Spaß zu haben an dem, was man macht, oder zumindest sein täglich Brot damit zu verdienen. Wenn man sieht, dass überwiegend nicht darauf geachtet wird, divers und nicht immer nur klischeehaft zu besetzen, dann kriegt man einfach nicht so viel zu arbeiten, und das ist nicht so schön. Außerdem finde ich diversifizierte Casts wesentlich interessanter – Netflix und Amazon Prime und so weiter, die haben sich das nicht umsonst auf die Fahne geschrieben. Das heißt, wenn sie nicht divers besetzen würden, würden sie auch nicht so viel Gewinn abwerfen.

Lena, was meinst du als Produzentin: Liegt das im Prozess des Castings oder einfach an den Rollen, die geschrieben werden?

Lena Weiss © privat

Lena Weiss (LW): Ich glaube, es liegt mehr an den Rollen, die geschrieben werden. Im Endeffekt ist der Casting-Prozess eine Zusammenarbeit von mehreren Departments, und bis dahin ist meistens schon viel passiert: Drehbuch, Förderentscheidungen, Zusammensetzung von Produktion und Regie etc. Die Figuren werden besprochen, daraufhin werden bestimmte Leute eingeladen und für bestimmte Rollen gecastet. Stereotypisierte Rollen sind außerdem auch ein starkes Frauenthema, das betrifft nicht nur People of Color (POC). Ich kenne Frauen, die aufgrund ihres Äußeren nie spannende Rollen angeboten bekommen, weil sie immer nur die heiße Liebschaft spielen sollen. Niemand kommt auf die Idee, ihnen „schwierige“ oder „tiefgründigere“ Rollen zu geben – auch weil es die nach wie vor zu wenig gibt. Gerade in Österreich ist das noch ein langer Prozess, vor allem in der Stoffentwicklung und dem Drehbuchprozess, bis wir da an einen Punkt kommen, wo das hoffentlich nicht mehr so sein wird.

Wie divers sind unsere Drehbücher generell? Wenn du sagst, dass wir an den Drehbüchern arbeiten müssen, wie machen wir das am besten?

LW: Das Wichtigste ist, dem Nachwuchs eine Chance zu geben, weil ich glaube, dass die nachfolgenden Generationen in allen Departments ganz anders ticken als viele Leute, die vielleicht seit Jahrzehnten in der Branche arbeiten. Da gibt es ein ganz anderes Selbstverständnis, eine andere Wahrnehmung, einen anderen Blick. Auch weil die jungen Filmemacher_innen selbst sehr viel diverser sind als die meisten Etablierten. Bewusstseinsarbeit ist in den letzten paar Jahren so viel passiert wie nie zuvor. Das Thema ist ja sehr präsent. Trotzdem zeigt der aktuelle Gender-Report des Österreichischen Filminstituts (ÖFI): Je größer die Budgets werden, desto schmaler wird es dann wieder vor und hinter der Kamera.

Gibt es im Umkehrschluss Rollen, die unbedingt mit gewissen Menschen besetzt werden müssen? Rollen, wo man sagt: „Da ist es aber eigentlich schon wichtig, welche Person da tatsächlich dahintersteckt!“

DH: Mir fällt jetzt auf Anhieb erst einmal keine ein. Es ging jetzt auch viel um das Schreiben. Ich versuche, wenn ich schreibe, auf die Essenz, die Motivation und die Ziele einer Person zu achten. Wobei, man könnte eigentlich schon sagen, die Rolle, die Ercan in dem Film spielt, die muss schon er spielen. Es gibt ja in der Realität ein Ungleichgewicht in der Besetzung oder Vorurteile. Wenn das unser Thema ist, wollte ich natürlich darauf achten, dass die Personen, die benachteiligt werden, um die es in dem Film explizit geht, dass die dann diese Rolle spielen und ihre Identität dahin mitbringen.

 

Ercan hat in Daniel Holzbergs Film Triumph des Schauspielers Migrantenrollen satt. Als er von einem bevorstehenden Vorsprechen für einen Film über Leni Riefenstahl erfährt, verkündet er seiner Agentin, er wolle einen Nazi spielen. © Ferdinand Koestler

Wie siehst du das, Ercan? Spürst du eine Ambivalenz in diesen Forderungen?

EK: Ich glaube, jeder sollte alles spielen dürfen. Aber ich bin auch aus einer anderen Generation, wo ich mir viele Dinge gar nicht vorstellen kann. Mein Hirn hat auch nur ein begrenztes Fassungsvermögen. Wer sollte zum Beispiel Flüchtlinge in einem Kinofilm spielen, in dem es vielleicht um eine kritische Betrachtung der ganzen politischen Maßnahmen geht? Also, das sind keine einfachen Entscheidungen. Wenn man aber zum Beispiel einen europäischen Stoff entwickelt, ist es schon möglich, sich zu fragen: Wie ist die Gesellschaft eigentlich mittlerweile strukturiert, und wie leben wir miteinander? Die diverse Besetzung sollte auch kein Coup sein, diese Durchmischung sollte üblich werden. Auch das schon angesprochene Frauenthema finde ich absolut richtig und wichtig. Auf den Schauspielschulen werden zum Beispiel mehr Männer aufgenommen, weil es einfach mehr Männerrollen gibt in der Gesellschaft.

Die ganze Debatte ist sehr von dem inspiriert, was in den USA passiert. Was haben wir hierzulande konkret davon mitgenommen?

LW: In ihrer Oscar-Rede hat Frances McDormand damals zwei Worte gesagt: „Inclusion Rider“. Und keiner wusste, was das heißt, zumindest hierzulande. Die Interessensgemeinschaft Film Fatal hat diese Inklusionsklausel dann ins Deutsche übersetzt und in Österreich verfügbar gemacht. Man kann das als Produktionsfirma unterschreiben und verpflichtet sich dadurch, diese Richtlinien einzuhalten und das auch öffentlich zu kommunizieren. Und dann gibt es noch den Gender-Report des ÖFI. Da wurde gerade der Zweite publiziert. Hier wurde anhand vieler Zahlen und Daten wissenschaftlich evaluiert, was vor und hinter der Kamera passiert. Es geht ja schließlich darum, nicht nur Schauspieler_innen, sondern auch Filmteams möglichst divers zu besetzen.

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