Um keine Position in einem Orchester ranken sich mehr Mythen als um jene des Dirigenten. Der Dirigent ist mehr als eine bloße Berufsbezeichnung. Er ist ein Symbol. Er steht für Autorität, für Einzelkämpfertum, für Divenhaftigkeit. Jahrzehntelang war er der Popstar der Klassik. Derjenige, dessen Namen man kannte, weil man auf Plakaten und Plattencovern mit ihm warb, während andere Orchestermitglieder oft hinter dem Ensemble verschwanden. Dirigenten zierten Titelseiten, sie dienten als Vorbilder für Filmfiguren, waren oftmals auch der Inbegriff von Eitelkeit, Selbstverliebtheit und natürlich Macht. Wer kann schon von sich behaupten, dass ihm andere auf die allerkleinste Handbewegung, nur auf einen Wink hin gehorchen? Der Dirigent ist arrogant, von sich selbst überzeugt, er kann zum Tyrannen werden, sogar den Vergleich mit einem Diktator musste sich der eine oder andere in der Musikgeschichte schon gefallen lassen. Und diese Charakterisierung wurde nicht selten durchaus mit Respekt vorgenommen. Das schwierige musikalische Genie, dessen Launen man sich ganz und gar unterwerfen muss. Das schien unausweichlich und auch irgendwie zusammenzugehören, ein sozial herausforderndes Auftreten und künstlerische Höchstleistungen.
Doch die Zeiten ändern sich und mit ihnen erfreulicherweise auch so manche Ansichten und Ideale. Mobbing wird auch in Orchestern als das bezeichnet, was es ist, und durchaus ernst genommen. Und angesichts von MeToo hält niemand mehr verbale Übergriffe und Einschüchterungsversuche für ein Kavaliersdelikt, auch nicht in der Musikwelt. Längst gibt es neben den Dirigenten auch Dirigentinnen. Immer öfter leiten Frauen ein Orchester, haben ebenfalls Starstatus erreicht. Mit ihnen ist ein neuer Teamgeist eingezogen, der das Gemeinschaftserlebnis über den Glanz des Einzelnen stellt. Wie hat Stardirigentin Alondra de la Parra ihren Beruf beschrieben? Es gehe um Verantwortung, Geduld und vor allem eines: Teamwork.