Was haben Judy Garland, Georg Kreisler und Doris Day gemeinsam? – Diese Künstler_innen sind 1922 geboren, so wie unsere Jubilarin! Am 7. Juli sind 35 ehemalige Studierende, zwei sogar extra aus Tokio, und ebenso viele enge Freunde zusammengekommen, um den unglaublichen 100. Geburtstag von Professorin Kramer, der profiliertesten Pädagogin für den pianistischen Nachwuchs unseres Landes in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, zu feiern. Und den beging sie in bemerkens- und beneidenswert rüstiger Verfassung und mit der uns seit Jahrzehnten selbstverständlichen Eleganz.
Geboren in Bergreichenstein im Böhmerwald am 7. Juli 1922, reiste die erst 17-Jährige 1939 allein nach Wien, um auf Anraten eines aufmerksamen Deutschlehrers ein Klavierstudium an der damaligen Reichshochschule für Musik (später umbenannt in Akademie, dann Hochschule, jetzt mdw) bei Josef Dichler zu absolvieren. Um sich das Studium zu finanzieren, begann sie früh privat zu unterrichten und konnte so wertvolle Erfahrungen sammeln.
Ihre beiden Brüder kamen aus dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr zurück, den Eltern gab man, wie so vielen Sudetendeutschen, 1945 exakt zwei Stunden Zeit, um mit je einem Koffer die damalige Tschechoslowakei zu verlassen. Sie kamen in ein Lager nach Bayern, in der Folge holte Renate ihre Eltern zu sich nach Wien, wo der Vater aber bald starb. Nach den Studienabschlüssen in den Jahren 1945 (Staatsprüfung in Pädagogik) und 1949 (Reifeprüfung im Konzertfach) folgte eine rege Konzerttätigkeit im europäischen Raum sowohl als Solistin als auch im Klavierduo mit Erika Dichler-Sedlacek und mit Kammermusikpartnern diverser Instrumente, gut dokumentiert auf vielen Rundfunkaufnahmen, vorrangig entstanden in Deutschland. Gemeinsam mit ihrem ehemaligen Lehrer Josef Dichler gab sie die Klavierschule Einführung in das polyphone Spiel heraus. Ende der 1940er Jahre lernte Renate Preisenhammer Herbert Kramer, einen später gefragten Akustik- und Schallschutzexperten, kennen, mit dem sie von 1949 bis zu dessen Tod 2000 verheiratet war.
1960 wurde sie als Nachfolgerin der legendären Marianne Lauda an die Akademie für Musik und darstellende Kunst berufen. Diese Vorbereitungsklasse, die zum Ziel die Ausbildung der Kinder bis zum Übertritt in die Studienrichtung Konzertfach mit damals 15 Jahren hatte, ist eine besonders verantwortungsvolle Aufgabe, da es darum geht, von Anfang an technisch wie musikalisch ein gutes Fundament zu legen, auf dem dann Jahr für Jahr weiter und sicher aufgebaut wird. Kein_e Professor_in war verpflichtet, außerhalb des Dienstes an der Institution „Mehrwert“ anzubieten. Renate Kramer-Preisenhammer hat sich von Anfang an um Kooperationen mit beispielsweise dem Verlagshaus Doblinger bemüht, in dessen Barocksaal dann viele Schüler_innenkonzerte mit der vorrangigen Aufführung von Werken österreichischer zeitgenössischer Komponisten stattgefunden haben. Auf ihre Initiative wurden im Burgenland Kulturzentren etabliert, in denen junge Talente aus Wien, Niederösterreich und dem Burgenland Auftrittsmöglichkeiten erhielten.
Sie hat sich außerdem immer um ein gutes Klima innerhalb ihrer Kinder- und Jugendklasse bemüht, sodass allen frühzeitig der Gedanke implementiert wurde, dass wir Kolleg_innen und nicht Konkurrent_innen sind. Das ist schon unter erwachsenen Studierenden für einen Lehrenden nicht leicht, aber mit den mitunter recht ehrgeizigen Eltern umso schwieriger. Nach jedem Klassenabend waren wir gemeinsam feiern, beim Smutny in der Elisabethstraße, und ich werde nie die beneidende Fassungslosigkeit einer Kollegin aus einer anderen Klasse vergessen, die mir das gar nicht recht glauben wollte.
Mit dem Studienjahr 1982/83 wechselte Professorin Kramer-Preisenhammer von der Jugendausbildung komplett zur Pädagogischen Abteilung, wo sie als ordentliche Hochschulprofessorin bis zu ihrer Emeritierung 1990 wirkte. Viele Ehrungen für ihre herausragenden Leistungen haben sich im Laufe der Jahrzehnte ergeben, darunter 1983 die Ehrenmitgliedschaft der Mozartgemeinde Wien, 1985 der Kulturpreis und 2007 die Ehrenmedaille des Burgenlandes und 2008 die Goldene Erinnerungsmedaille der mdw. 2012 folgte die Ehrenmitgliedschaft des Liszt-Vereins in Raiding. Neben ihrer Tätigkeit als Professorin wurde sie auch wiederholt in Klavierjurys von Wettbewerben, sowohl national als auch international, wie beispielsweise zum Liszt-Wettbewerb in Lucca, eingeladen. Bis heute pendelt unsere Jubilarin halbjährlich zwischen ihren beiden Wohnsitzen Bad Sauerbrunn und Kufstein und organisiert sich alles, was der Alltag verlangt, selbst.