Wenn sich im August knapp 200 Studierende aus der ganzen Welt bei der isa – Internationale Sommerakademie der mdw in den Wiener Alpen versammeln, hat jede_r einzelne von ihnen bereits ein umfangreiches Auswahlverfahren hinter sich gebracht. Denn die isa richtet sich seit mittlerweile 32 Jahren ausschließlich an den künstlerischen Spitzennachwuchs. Wer es geschafft hat, von den international renommierten Lehrenden für eine Masterclass ausgewählt zu werden, wird mit intensiven künstlerischen Begegnungen und der für die isa charakteristischen ganzheitlichen kreativen Erfahrung belohnt.
Bei der 32. isa, die unter dem Motto „Always Anew“ in diesem Jahr dazu einlud, in herausfordernden Zeiten die positive Kraft der Kreativität und die Motivation zu Neubeginn und Neuerfindung in den Mittelpunkt der künstlerischen Arbeit und Reflexion zu stellen, war eine der Studierenden die aus Israel stammende Pianistin Yuval Shmila. Das mdw-Magazin durfte sie einen Tag lang begleiten.Der Tag, an dem wir Yuval begleiten, ist der Tag der isaChallenge, eines im Rahmen der isa stattfindenden Wettbewerbs. Yuvals Wecker klingelt heute bereits um sieben Uhr früh, damit sie nach dem Frühstück noch eine kleine Morgenwanderung (zu der sich ihr sonst üblicher Morgenspaziergang bei der isa entwickelt hat) mit einigen anderen Studierenden unternehmen kann, bevor der Tag mit seinem umfangreichen Programm so richtig beginnt.
Zurück im Hotel geht es für Yuval nach einer kurzen Verschnaufpause zur dritten von insgesamt vier Einzelunterrichtseinheiten, die sie in der Masterclass von Boris Berman absolviert. Gemeinsam wird am zweiten Satz aus Joseph Haydns Klaviersonate D-Dur Hob. XIV:42 gearbeitet, mit dem sie sich später an diesem Tag beim Challenge-Konzert im Schloss Gloggnitz präsentieren wird.
Zunächst nützt Yuval aber nach dem Einzelunterricht die Möglichkeit, gemeinsam mit anderen Studierenden am Workshop Historical Performance Practice, Always Anew von Clive Brown und Stefan Gottfried teilzunehmen. Clive Browns Einblicke in die Quellen seiner bahnbrechenden Forschung zu den Aufführungsstilen und -praktiken des 19. Jahrhunderts sind hochspannend. Gemeinsam mit Stefan Gottfried, der seit der Übernahme des Concentus Musicus als künstlerischer Leiter ständig auf der Suche nach neuen Erkenntnissen und Inspirationsquellen ist, leitet er anschließend die lebhafte Diskussion von Yuval und ihren Kolleg_innen rund um langjährige Konventionen in der (historischen) Aufführungspraxis.
Aus den rund 20 solcher Workshops und Lectures, die die isa22 ergänzend zu den Masterclasses anbietet, hat Yuval in den vergangenen Tagen bereits Contemporary Playing Techniques and Repertoire mit Hsin-Huei Huang und Vibrant Bodies – the Franklin-Method mit Andrea von der Emde besucht. Wenn es die Zeit erlaubt, möchte Yuval in den kommenden Tagen aber auch noch ein Career Strategy Coaching bei Andreas Vierziger buchen und am Workshop Talking to the Audience mit Musikvermittlerin und Ö1- Moderatorin Ulla Pilz teilnehmen.
Für den Rest des heutigen Tages gilt Yuvals volle Aufmerksamkeit aber nur mehr ihrem Instrument. Nach einem schnellen Mittagessen im Hotel geht es für sie um 14 Uhr zur Generalprobe für das Challenge-Konzert um 17 Uhr. „Bist du gar nicht aufgeregt?“, wollen wir wissen, denn Yuval wirkt noch sehr ruhig. „Die Aufregung steigt“, gibt Yuval zu, „denn ich habe in den vergangenen Tagen mitbekommen, wie begehrt die im Rahmen des Challenge-Konzerts verliehenen Auszeichnungen unter den Studierenden sind – da wird es bestimmt nicht einfach, heute ganz vorne dabei zu sein!“
Zwischen Generalprobe und Konzert bleibt aber Gott sei Dank noch etwas Zeit. Yuval nützt diese Pause, um das 1094 erstmals urkundlich erwähnte Schloss Gloggnitz auch abseits des beeindruckenden historischen Prunksaales, der der Challenge der Masterclasses Gesang und Klavier als Konzertsaal dient, zu erkunden. „Gefällt es dir?“, fragen wir Yuval, während sie ein Selfie schießt. „Es ist wunderschön hier, ein sehr inspirierender Ort!“ Mit einem verschmitzten Lächeln ergänzt sie: „Ich habe gelesen, dass dieses ehemalige benediktinische Wehrkloster heute als Hochzeitsschloss berühmt ist. – Das werde ich mir merken!“ Aufgetankt mit viel frischer Luft und wunderbaren Eindrücken geht es rechtzeitig wieder backstage zu den anderen Studierenden, die sich gemeinsam mit Yuval dem Publikum und der Jury im Challenge-Konzert präsentieren.
Die 21-jährige Pianistin kann die Jury, bestehend aus den Tutoren der Masterclasses für Gesang und Klavier und dem künstlerischen Leiter der isa und Vizerektor der mdw Johannes Meissl, mit ihrer Interpretation überzeugen. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Tomer Kviatek gewinnt Yuval den von der L. Bösendorfer Klavierfabrik GmbH, Wien/Wr. Neustadt zur Verfügung gestellten Preis für eine herausragende interpretatorische Leistung eines Studierenden aus den Masterclasses für Klavier!
Verständlich, dass nach so einem Tag Feierlaune aufkommt. Bevor Yuval jedoch den Tag gemeinsam mit ihren Kolleg_innen ausklingen lässt, gönnt sie sich ein paar Minuten im weitläufigen Park des Parkhotels Hirschwang, in dem sie untergebracht ist. Mit Blick auf die Rax studiert sie die Programme der noch bevorstehenden Konzerte des isaFestivals. Den krönenden Abschluss der isa22 stellt das Abschlusskonzert mit allen Preisträger_innen im Schloss Reichenau dar. Für Yuval steht seit dem heutigen Tag fest: „Dieses Konzert wird auch das Highlight meines eigenen Studienjahrs sein!“