Es war eines der Bilder aus dem Heim, das ich nie vergessen konnte. Eine 65-jährige Tochter, die ihrer 90-jährigen demenzkranken Mutter jeden Nachmittag auf dem alten Kassettenrekorder ein paar Takte Mozart vorspielte. Von handbeschriebenen Kassetten, die ihre Mutter einst selbst aufgenommen hatte. „Das beruhigt sie“, meinte die Tochter fürsorglich. Tatsächlich hattes es diesen Effekt auf alle Heimbewohner_innen im Stockwerk. Dass Musik eine heilende Wirkung haben kann, darüber ist sich die Wissenschaft einig. Es gibt unzählige Forschungsprojekte, in denen die Reaktion von Körper und Psyche auf gewisse Frequenzen untersucht wurde. Teils mit verblüffenden Ergebnissen. So haben Schlaganfall-Patient_innen größere Heilungschancen nach einem Hirninfarkt, wenn sie täglich Musik hören. Und auch Menschen mit Herzrhythmusstörungen profitieren von verschiedenen Musikstücken, durch die ihre Herzaktivität beruhigt werden kann. Längst haben Ergebnisse wie diese Eingang in die moderne Musiktherapie gefunden.
Während sie selbst in der Lage sind, mit ihren Instrumenten heilende Klänge zu erzeugen, ist es um die physische und mentale Gesundheit von Kreativschaffenden und Musiker_innen oft nicht zum Besten bestellt. Lange Arbeitstage, keine Fixanstellungen bzw. zeitlich auf eine Saison begrenzte Engagements, ausgedehnte Reisetätigkeiten und nicht zuletzt der Konkurrenzdruck hinterlassen ihre Spuren. Es bleibt wenig Zeit für Ausgleichsport, regelmäßige Mahlzeiten oder genügend Schlaf. Dafür ist die Zufriedenheit und die Selbstverwirklichung trotz aller Schwierigkeiten in diesen Berufen ungleich höher. Dass die Kunst als Selbsttherapie für Kunstschaffende wirken kann, mag vielleicht auch ein Mythos sein, wenn man verfolgt, welcher Kraftakt, welch totale Erschöpfung sich hinter manchen Werken verbergen. Fest steht jedoch: Wenn man etwas tut, das man aus vollstem Herzen liebt und mit dem man sich zu hundert Prozent identifiziert, wirkt sich das immer positiv auf das psychische Wohlbefinden und damit die Gesamtgesundheit aus.